Bewertung
Selah Sue

Reason

Die Haare hochtoupiert überraschte vor vier Jahren eine Belgierin mit einem großartigen Debüt. Ihr verspielter, rauer Sound bediente sich im Soul, Rap und Reggae und so nahm Selah Sue selbstbewusst zwischen Amy Winehouse, Nneka ("My Fairy Tales") und Lauryn Hill platz. Über eine Millionen Europäer und US-Amerikaner holten sich diese Musik in ihre CD-Regale. Und das Rolling Stone Magazine kürte sie zu einem der "Breakout Stars". Nach einer Raritäten- und Remix-Platte ist sie nun auf Albumlänge zurück.

Foto: Selah Sue - "Reason" - Copyright: Warner Music Group
Selah Sue - "Reason"
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Und Platte #2 beginnt tatsächlich mit Synthies, was einerseits stutzig macht, dann aber spannend wirkt – und bleibt. "Alone" ist definitiv elektronischer gehalten als das meiste auf ihrem Debüt, hat einen herrlich stampfenden Beat und darüber mehrstimmig die junge Sängerin. Die erste Single erinnert damit an die besten Zeiten der Sugababes, die einst wie niemand sonst rauchigen Soulpop mit dreckigem funky Sound verbanden.

Anschließend geht's in bekannte Gefilde: Die ersten Takte von "I Won't Go for More" erinnern an ihr markantes "Explanations". Lange bleibt der Track jedoch nicht akustisch – ein etwas unspektakulär arrangierter Beat setzt ein. Spannender erscheint da die Bläser-Section, die gerne aber noch präsenter hätte tönen dürfen – warum nicht ein bisschen Ska-Feeling?

Der Titeltrack ist ein weiteres Beispiel für viel vorhandenes Potential, das aber nicht richtig genutzt wird. Miss Sues Vocals sind in den Strophen umwerfend, im Refrain verpufft die Wirkung dann aber ob der eingesetzten Elektrospielereien. Mit Synthies will man den Sound der Flämin ergänzen, erstickt damit aber vielmehr ihre Stimme, ihr Gefühl, ihre Markanz. Damit hat auch "Together" zu kämpfen, das erst mit Einsatz von Childish Gambino alias "Community"-Darsteller Donald Glover aufmerksam macht.

Das mollige "Alive" erinnert mit zurückgehaltenem Gesang und spärlicher (Elektro-)Instrumentation an Lana Del Rey. "The Light" vermutet man anschließend in ähnlichen Gefilden – ein schön trommelnder Bass und eine zupfende Gitarre bringen dann aber phasenweise mehr Tempo und retten den Song vor dem Vergessenwerden.

In den Strophen von "Fear Nothing" klingt die Flämin etwas wie Imogen Heap und zeigt damit eine interessante neue Seite, bevor sie dann im Refrain wunderbar shouten darf. Der Track schafft, was viele andere versuchen: Selah Sues Stimme angemessen in Szene setzen und gleichzeitig gekonnt neues musikalisches Terrain betreten (jep, genau, Elektrospielereien). "Right Where I Want U" kann man ebenfalls in diese Kategorie zählen: Ihr Summen unter ihrem Strophengesang, ein deutlicher Dub-Beat und dazu ein Trompetensolo – so schafft man einen spannenden Track.

Tatsächlich nur einmal und zwar in "Sadness" packt die Singer/Songwriterin in die auf dem Debüt häufig genutzte Ragga-Kiste – abgesehen von dem kleinen Part zeichnet sich der Titel ebenso wie das vorige "Daddy" und das folgende "Feel" durch einen in seiner Einfallslosigkeit anstrengenden Chorus aus.

In den vorletzten Nummern wird's endlich wieder akustisch. "Always Home" hat nicht viel, braucht es aber nicht, weil die Stimme der 25-Jährigen hier im Vordergrund stehen und eine einnehmende Stimmung schaffen darf. Die 2015er Selah Sue mag aber nicht auf diese Weise ihren Zweitling schließen, packt nochmal die Synthies aus und macht "Falling Out" damit zu einem weiteren durchwachsenen Lied, in das man sich mehr Percussion und weniger Soundeffekte wünscht.

Fazit

Ihre Haare liegen immer noch nicht glatt an, aber eine wilde Turmfrisur trägt sie auch nicht mehr. Auf ähnliche Weise ragt auch ihre Musik weniger raus. Wie auch Paloma Faith ("Fall to Grace"), Lena und Leslie Clio holt Selah Sue auf "Reason" mehr (Elektro-)Pop in den Soul, vernachlässigt dabei aber ebenso Reggae und Rap und verliert damit das, was ihre Musik so spannend machte. "Reason" wirkt im Vergleich zum Debüt weniger handgemacht, kommerzieller, weniger energisch. So manches ist eingängig und eigensinnig, aber zu glatt poliert und unvorteilhaft arrangiert. Ihre Stimme ist nach wie vor wunderbar verraucht und kraftvoll, erhält aber zu oft nicht den nötigen Raum. Den sollte Selah Sue sich unbedingt zurückholen.

Anspieltipps

Alone

I Won't Go for More

Fear Nothing

Right Where I Want U

Always Home

Artistpage

SelahSue.com

Tracks

CD 11.Alone
2.I Won't Go for More
3.Reason
4.Togetherfeaturing Childish Gambino
5.Alive
6.The Light
7.Fear Nothing
8.Daddy
9.Sadness
10.Feel
11.Right Where I Want You
12.Always Home
13.Falling Out
CD 21.Gotta Make It Last (Bonus Track)
2.Stand Back (Bonus Track)
3.Direction (Bonus Track)
4.Alone (Acoustic Version) (Bonus Track)

Micha S. - myFanbase
28.04.2015

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