23.07.2011 - Amy Winehouse

Foto:

Am Samstagabend liefen die ersten Meldungen von Amy Winehouses Tod über die Newsticker. In gewisser Hinsicht kam die Nachricht natürlich nicht als Überraschung. In den letzten Jahren hat Amy in der Boulevardpresse weniger mit ihrer Musik als vielmehr mit ihren Skandalen Reden von sich gemacht. Skandale im Sinne von: Drogen, Alkohol, Gerichtsprozesse. Ihr letztes Konzert im Juni musste sie unter Buhrufen abbrechen, da sie sichtlich unter Drogen- und Alkoholeinfluss stand, ihre Liedertexte nicht mehr beherrschte und auf der Bühne desorientiert wirkte. Wenn man seinem Körper so viel zumutet, dann ist es abzusehen, dass er irgendwann einmal streiken wird.

Als Amy-Fan stand und stehe ich dennoch unter Schock. Mit Amy Winehouse ist die talentierteste Singer/Songwriterin meiner Generation verstorben. Egal, welche Gedanken man sich zu ihrer privaten Tragödie macht: Eines kann und sollte man nicht infrage stellen, nämlich ihr Talent. Mit gerade mal 20 Jahren veröffentlichte die Britin, der als Tochter eines Jazzmusikers das Talent quasi in die Wiege gelegt wurde, im Jahr 2003 ihr Debütalbum "Frank". Obgleich "Frank" medial und kommerziell im Vergleich zu seinem Nachfolger "Back to Black" ein wenig unterging, lieferte es ein exzellentes Porträt von Amys beeindruckendem Können als Sängerin und Songwriterin. Ihre musikalischen Inspirationen – allen voran Sarah Vaughan und Dinah Washington – machten sich bemerkbar, gleichzeitig war das Album textlich und melodisch keck, modern und trug in seinem Jazz- und Funkvibe Amys Handschrift. Auch unter Kritikern kam es gut an und gewann den renommierten Ivor-Novello-Award. Wenn ich mir in diesen Tagen mal wieder Lieder auf der Platte anhöre wie zum Beispiel "Fuck Me Pumps", "Stronger Than Me" oder "Take the Box", dann nehmen sie sich fast zehn Jahre nach ihrer Veröffentlichung frisch wie eh und je aus. Zeitlose Musik eben.

Mit ihrem 2006 veröffentlichten Zweitalbum "Back to Black" gelang ihr der endgültige Durchbruch. Bis dato etwa zehn Millionen verkaufte Kopien, fünf Grammy-Awards und ein überwältigend positives Kritikerecho sprechen für sich. "Back to Black" gibt einen Einblick in ein dunkles Gemüt, getragen von einer fantastischen, tiefschwarzen Soulstimme. In Textzeilen wie "They tried to make me go to rehab, I said no, no, no" ("Rehab"), "Over futile odds/And laughed at by the gods/And now the final frame/Love is a losing game" ("Love Is a Losing Game") oder "We only said goodbye with words/I died a hundred times/You go back to her/And I go back to black" ("Back to Black") kehrte sie ihr Innerstes nach außen.

Wenn ein Mensch mit 27 Jahren stirbt, ist das immer eine Tragödie. In Amys Fall kommt noch hinzu, dass ihr Tod vermeidbar war. Egal, wie oft die Medien den so genannten "Klub 27" beschwören wollen (gemeint ist ein Kreis aus Musiklegenden wie Janis Joplin, die im Alter von 27 Jahren gestorben sind) – an einem frühen Tod, forciert durch Drogen- und Alkoholkonsum, gibt es rein gar nichts, was man poetisch verklären könnte. Amys Lebensgeschichte ist einfach nur traurig. Leider scheint es in unserer Gesellschaft nur zwei Reaktionen auf Drogen- und Alkoholsucht zu geben: Man mokiert sich über die "Junkies" oder man beschönigt den Konsum, anstatt die Abhängigkeit als das zu behandeln, was sie ist: als Krankheit. Für Amy kommt leider jede Hilfe zu spät.

Als Fan fühlt man mit ihren Angehörigen, die eine Tochter, Nichte, Patentante, Kollegin und Freundin verloren haben. Man trauert aber auch um ein verlorenes Talent. In einer Zeit, in der die meisten Popstars austauschbar sind, ähnliche Musik auf den Markt werfen, gleich aussehen und in einer homogenen Einförmigkeit verschmelzen, ragte Amy immer wieder hervor wie ein großer, stolzer Baum in einer flach gemähten Wiese. Eine halbe Silbe im Radio, und man wusste schon, wem diese schwarze, voluminöse Stimme gehörte. Die Lieder? Herausragend, seelenreich, zeitlos. Der äußere Stil? Typisch Amy: Die Sixties-Kleider, ihr dicker, schwarzer Eyeliner, das zum bemerkenswerten Beehive hochgesteckte Haar – mir fällt nichts Vergleichbares ein in der aktuellen Musikszene.

Seit mehr als einem Jahr warte ich auf ein neues Album von ihr. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll es bereits vollendet sein und auf eine Veröffentlichung warten. Sollte das der Fall sein, hoffe ich darauf, es bald in meinen Händen halten zu können, auch wenn Amy selbst nicht mehr die Möglichkeit haben wird, es persönlich vorzustellen. Denn eines kann ihr keiner nehmen: ihr Talent und ihr musikalisches Vermächtnis. Alben wie "Frank" und "Back to Black" haben Klassikercharakter, mit der dritten Platte wird es vermutlich ähnlich sein. Ganz zu schweigen davon, dass Amy jungen britischen Soul Singer/Songwriterinnen wie Joss Stone, Duffy und Adele den Weg geebnet hat, indem sie ein dem Mainstream lange Zeit verloren gegangenes Genre wiederbelebt hat. RIP Amy – you will be missed.

Eva T. - myFanbase