"Stop Bitching!"
Sie küsst Madonna. Angelt sich die weltbesten Duett – Partner. Geht mit dem heißesten Solo-Act auf Tour. Moderiert. Klärt auf. Räumt Preise ab. Und nebenbei hat sie auch noch die beste Stimme, die das Musik – Biz zur Zeit zu bieten hat.
Höchste Zeit, Christina Aguilera und ihre Karriere näher unter die Lupe zu nehmen.
Wenn sie sagt, "There’s nothing like being on the stage", glaubt man ihr das. Wenn man im Intro zu ihrem aktuellen Album hört, "Sorry that I speak my mind, sorry don’t do what I’m told", lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meint. Bei Interviews blickt sie einem fest in die Augen, und man weiß: Sie meint es ernst. Wenn sie lacht, dann lacht sie wirklich. Und doch ist Christina Aguilera einer der unnahbarsten Stars des modernen Musik – Business.
Man sieht also: Christina ist widersprüchlich. Sie ist Identifiaktionsfigur und kühler Star zugleich, erreichbar, aber doch so weit entfernt. In einer Zeit, in der die Welt immer schneller wird, und Trends von heute morgen schon wieder vergessen sind, ist es Christina Aguilera gelungen, was ihr am Beginn ihrer Karriere keiner zugetraut hätte: Sie hat sich etabliert, hat den Drahtseilakt zwischen Geschmacklosigkeit und Kult geschafft. Denn es ist längst keine Seltenheit mehr, dass Künstler diesen Weg wählen, um nicht nach der ersten Platte bereits wieder in der Versenkung zu verschwinden. "Und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war", sagte bereits Schiller, und Christina ist einer der wenigen, die dieses Prinzip wirklich verstanden haben. Längst kann man nicht mehr von der "echten" Christina Aguilera sprechen, denn wo Britney versagt, gewinnt Christina auf ganzer Linie:
Stiländerungen sind ihr zu wenig, sie erfindet sich stets komplett neu – von der dirrty Bitch, zur verständnisvollen Liebesbotschafterin, zur sexy Rockröhre bis zur eleganten Diva – keine von ihnen ist richtig, keine von ihnen ist falsch – und alle sind Christina Aguilera. Es ist schier unmöglich geworden, X-Tina, wie sie sich selbst getauft hat, in einem Wort zu beschreiben. Und genau das ist es, was ihren Erfolg, aber auch Christina selbst ausmacht: Sie lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Wo man Britney den sexy Vamp einfach nicht so recht abnehmen will, schafft Miss Aguilera es mühelos, beinahe über Nacht ständig ihr Image komplett zu verwandeln. Und das wirklich Besondere daran: Man nimmt ihr alles ab. In "Fighter" ist sie rockiger, als Avril Lavigne es je sein wird, in "Can’t hold us down" hat sie gnau dieses Streetibilty, den J.LO. so krampfhaft zu erreichen versucht. Sie spielt diese Rollen genau so sehr, wie sie es tatsächlich ist. Doch das wahr nicht immer so.
Als 1999 die Debütsingle "Genie in a bottle" veröffentlicht wurde, reihte sie sich nahlos in den neuen Trend ein: Girlie – Pop. Von einer gewissen Britney Spears ins Rollen gebracht. Blond, süß, unschuldig, aber doch stets mit einem gewissen erotischen Touch, es soll ja nicht langweilig wirken. Aus Britneys "Hit me baby one more time" wird bei Christina "I’m a genie in the bottle, you’ve got to rub me the right way". Doch schon damals war da etwas, das aufhorchen ließ: Da war nicht nur der (damals) unaussprechliche Name, nicht nur eine eingängige Melodie, nicht nur gutes Aussehen – es war Christinas Stimme, die sie aus der Girlie – Pop – Riege hervorstechen ließ. Klar, kräftig, aussdrucksstark, ein bisschen rauchig, ein bisschen verrucht. Bald galt sie als die heißeste Konkurrentin Britneys. Und auch, wenn Christina es in ihren Anfangsjahren nie so recht schaffte, aus den Schatten ihrer "großen Schwester" herauszutreten, ließ sie Anwärterinnen auf den Pop – Thron wie Jessica Simpson weit hinter sich. Heute meint Christina, damals – nein, das wäre nicht wirklich sie gewesen.
Ihr Management wollte einen Britney – Klon heranzüchten – einen dirty Klon zwar, aber Klon. Also fügte sich die damals 19 –Jährige Christina, lächelte schüchtern in Kameras, wirkte beinahe zerbrechlich. Doch wenn man nun zurückblickt, entdeckt man schon damals die Christina von heute: Affären mit Bad Boys wie Fred Durst und Eminem werden ihr nachgesagt, sie gibt zu, auch mal gern Party zu machen, und – shocking! -, Sex zu haben. In Interviews meint sie immer öfter – hinter bravem Lächeln -, das sie gar nicht so brav sei, wie sie vielleicht wirken mag. Von Video zu Video werden die Klamotten weniger, die Stimme stärker, die Bilder provokanter. Auf Bühnen machte Christina sowieso von Anfang ihrer Karriere an klar: Ich kann auch anders! Ich bin mehr als bloß brav (und fad)! Damals hatte man stets die Plattenfirma im Hinterkopf, heute weiß man, dass da damals schon die Christina sprach, die wir heute kennen.
Dirrty mag zwar ihr provokantestes Video gewesen sein, die Wandlung zur selbstbewussten X – Tina begann allerdings schon viel früher. Ihr Duett "Nobody wants to be lonely" mit Latino – Star Ricky Martin zeigte sie nicht nur das erste Mal reifer und erwachsener, sondern brachte sie auch bereits der A – Liga des Musik – Biz ein bisschen näher. Dann natürlich der Wandel zum erotischen Vamp in "Lady Marmelade", der nun keinerlei Zweifel mehr offen ließ, dass Chrissy nun zur Christina geworden war. Sie brauchte keinen Erwachsen – Werden – Song wie "I’m not a girl, not yet a woman", sondern zog diesen Wandel konsequent durch. Schließlich hatte sie die Wahl: Den sichereren Weg einschlagen, schöne Balladen zu trällern, die sich verkaufen, aber bloß nicht anecken – und so zur zweiten Mariah Carey werden. Oder aber das Risiko eingehen, sich selbst immer wieder neu zu erfinden, und sich so gleichzeitig einer Menge Kritik auszusetzen – sprich, in die Fußstapfen von Madonna (eine von Christinas Vorbildern) zu treten.Wir wissen, wofür sich Christina Aguilera entschieden hat.
Und so steht sie heute mit beiden Beinen fest im Geschäft. Gleich mit zwei Duetten erfolgreich in den Charts vertreten (Car Wash mit Missy Elliot und Tilt ya head back mit Nelly), beweist, dass Christina nun endlich ernst genommen wird. Keiner zweifelt mehr an einer großen Zukunft, oder gar an ihrem Talent. Dass sie zu den besten Sängerinnen unserer Generation gehört, hat sie längst bewiesen, genauso wie ihre Vielseitigkeit. Fighter und Dirrty bringt sie gleichsam glaubwürdig rüber wie die verletzlichen Balladen Beautiful und The voice within, oder den 80er – Jahre hit Car Wash. Stellt sich nun nur noch die Frage: Warum ist Christina Aguilera nicht Everybody’s darling?
Christina Aguilera provoziert. Das ist das Gefährlichste, aber auch das Beste, was man als Künstler im großen Musikgeschäft machen kann. Man eckt an, und reskiert, Sympathien zu verlieren, man schlägt neue Richtungen ein, und gewinnt so eine neue Fangemeinde. Christina weiß, wie sie sich verkaufen muss. Sie mag noch kein Robbie Williams sein, der dieses Spiel perfekt beherrscht, hat aber schon Marylin Manson überholt, der nur noch schockiert, um des Schocken willens, ohne jeden Hintergrund, ohne jegliche Message. Vielleicht kann man Christina als eine Art Mischung dieser beiden bezeichnen: Immer wieder präsentiert sie uns neue Seiten ihres Ichs, nicht nur, um ihm Gespräch zu bleiben, sondern auch, um zu warnen: "Ihr kennt mich nicht wirklich! Ich kann auch ganz anders!" Das hat sie zwar auch schon 1999 gemeint, doch in einem Punkt hat sich Christina entscheidend weiter entwickelt, hat einen Charaktersprung gemacht, der weit über ihren Hang zur Freizügigkeit und knappen Bühnen-Outfits hinausgeht:
Christina will (das erste Mal in ihrer Karriere) nicht Everybody’s Darling sein.
Ihre Fans sind ihr wichtig, doch soll sie nur der mögen, der sie eben so mag, wie sie ist. Und an dieser Stelle bietet Christina bekanntlich viele Identifikationsfaktoren. Für ihre männlichen Fans ist sie der Prototyp Traumfrau: Sexy, offen, doch mit Köpfchen und eigener Meinung. Die Mädchen sehen in Christina eine Art Vorbild, das zu machen (und auch zu lassen), worauf man Lust hat, und immer zu sich selbst zu stehen.
Ihre Wandlungen mögen eine Mischung aus Marketing und tatsächlicher persönlicher Weiterentwicklung zu sein. "Es macht Spaß, mit meinen Reizen zu spielen", meint sie lächelnd und lässt werbewirksam, dafür aber ehrlicher als je zuvor, die Hüllen fallen. "Auch ich fühle mich manchmal hässlich!", lässt sie nach zu viel Kritik an ihrer Freizügigkeit verlauten, und zeigt gleichzeitig eine verletzliche, aber auch starke Seite, die wir schon lange vor Dirrty zu Gesicht bekamen. Um nicht in die Balladen –Mariah – Schiene zu fallen, lässt sie sich kurz darauf die Haare schwarz färben, geht mit Justin Timberlake auf Tour, legt das eine oder andere Kilogramm zu und wirkt plötzlich so cool, so ehrlich, und so stark wie nie zuvor. Die vielleicht beste Christina, die wir bis jetzt kennenlernen durften. Zu Zeit begeistert uns gerade die Diva Christina, ganz im Stil der Marylin Monroe.
Die einen werfen ihr vor, mediengeil zu sein, für die anderen ist Christina längst Kult geworden. Vielleicht haben beide Gruppen Recht. Christina weiß stets, sich ins rechte Licht zu rücken, weiß stets, wie sie nie droht, langweilig zu werden. Doch trotzdem wirkt sie ehrlich und stark wie nie zu vor. Im Laufe ihrer Karriere hat Christina viele Rückschläge in Kauf genommen, ist aber daran nicht zerbrochen, wie so viele andere, sondern daran gewachsen. Sie lacht nicht mehr so oft wie früher, wirkt ernster, gleichzeitig aber glücklich wie nie zuvor. Sie hat verstanden, ihren Ruhm einzusetzen (was viele nicht wissen: Christina arrangiert sich für viele Charity – Projekte bezüglich häusliche Gewalt, und während der US- Präsidentschaftswahlen rief sie unter dem Logo "Stop Bitching!" alle Frauen Amerikas auf, wählen zu gehen), und ist sich ihrer Macht durchaus bewusst: Neben ihrer Musik modelt sie, lässt sich für Versace provokativ als Junkie ablichten, und moderierte auch die MTV Video Music Awards letztes Jahr. Das ist vielleicht auch ihr größter Schwachpunkt: Der Ruhm hat sie nicht nur stark, sondern auch ein bisschen zickig gemacht. Sie ist nicht das nette Mädchen von nebenan. Das sollte sie auch nicht sein, vielleicht aber wäre manchmal ein bisschen mehr Wärme trotzdem nicht schlecht. Und auch, wenn sie ihre Nacktfotos als "Hobby mit Ablaufdatum" bezeichnet, dauert dieses Hobby nun schon etwas zu lange. Dies sollte Miss Aguilera noch mal überdenken, genauso wie ihre manchmal zu raschen Image – Veränderungen. Denn bleibt einem manchmal einfach keine Zeit, sich an die aktuelle Christina zu gewöhnen, da schon wieder die neue daherkommt. Lenkt das doch zu sehr von ihrem Musiktalent ab, und in diesem Gebiet hat sie mehr drauf als so manch anderer.
Doch trotzdem kann man ihr das nicht so wirklich übel nehmen. Hat sie doch stets eine Message, die sie in die Welt rausträgt, und wirkt so verdammt ehrlich dabei. Ihren Diva – Schlagzeilen setzt sie frech den Schlachtruf "Stop Bitching!" auf ihrem knappen Top entgegen, genauso wie bei den VMAs: "If the press treat me like a damn diva, I"ll act like one." , und lässt sich von Muskelpaketen auf Händen tragen...
So kann man Christina einfach nicht lange böse sein. Und erinnert wieder ein bisschen an Robbie Williams.
So wuchs Christina Aguilera also vor unseren Augen zu einer der besten Künstlerinnen unseres Jahrtausends heran. Vielleicht sogar zu einer Sprecherin der Generation X.
Denn wer könnte das besser als unsere Christina?
Manuel - myFanbase
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