Verpasste Perlen 2010

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Es ist jedes Jahr dasselbe leidige Problem: Selbst nach wochenlangem Kopfzerbrechen über die beste Musik des vergangenen Jahres könnten sich einige unserer Autoren schon kurz nach der Veröffentlichung des alljährlichen Rückblickspecials in den Allerwertesten beißen und würden ihre Nominierungen am liebsten direkt wieder revidieren, weil ihnen doch noch ein ganz famoses Album, ein absolut unwiderstehlicher Ohrwurm oder schlicht unvergessliche Textzeilen unter die Ohren gekommen sind, die unbedingt Huldigung verdient hätten. Daher präsentieren wir euch auch heuer wieder zur Einstimmung auf unseren diesjährigen Musikrückblick erstmal all jene verpassten Perlen, die in unserem Jahresendspecial 2010 zweifellos Erwähnung gefunden hätten, wenn sie denn von unserer Redaktion nicht erst 2011 entdeckt worden wären.

Versäumte Highlights

Stephanie Stummer verpasste:

Foto: Copyright: 20th Century Fox
© 20th Century Fox

Bester Soundtrack: Various Artists - Crazy Heart
Ein Film über einen alternden, mit dem Leben und sich selbst kämpfenden Country-Star braucht natürlich auch den passenden Soundtrack – bei "Crazy Heart" wurde in dieser Hinsicht alles richtig gemacht: Hauptdarsteller Jeff Bridges hat seine Songs selbst eingesungen und macht dabei so gar keine schlechte Figur. Gemeinsam mit Stücken von Townes Van Zandt und anderen Größen ergibt das eine angenehme Songauswahl, die sich auch ohne Kenntnis des Films genießen lässt. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Bestes Debüt: Tame Impala - Innerspeaker
Rumpelnder Sixties-Rock, Psychedelic vom Feinsten und ein Gesang, als wäre John Lennon in einem Strudel gefangen und würde sich gerade triumphierend freikämpfen – so klingt das Debüt der Australier. Trotz scheinbarem Durcheinander werden ihre Songs mit jedem Mal Hören klarer und strukturierter, ohne den Wow-Effekt zu verlieren. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Most Underrated Artist: Dum Dum Girls
Den Kopf voll Best Coast und She & Him hatte ich die beste der Fräuleinbands vom letzten Jahr einfach als vermeintlich unspektakulär an mir vorüberziehen lassen. Wie gut, dass es heuer in Form von "Only in Dreams" und der EP "He Gets Me High" Nachschub gab, der endlich auch meine Aufmerksamkeit auf "Dee Dee" und Co lenkte. Merke: Hinter einem charmanten Bandnamen und charmantem Cover-Artwork steckt immer auch charmante Musik.

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Paulina Banaszek verpasste:

Ohrwurm des Jahres: fanshaw - Dark Eyes
Auch wenn Olivia Fetherstonhaugh auf dem Cover ihres Debüt-Albums Dark Eyes frappierende Ähnlichkeit mit Amanda Palmer aufweist, erinnert der Titeltrack der Platte vielmehr an nicht minder talentierte Damen wie St. Vincent und My Brightest Diamond. Mit einnehmend treibender E-Gitarre und simplen, aber schlicht unwiderstehlichen Melodien brachte mich diese viel zu kurze Twee-Pop-Perle zwar erst 2011 zum Summen und Zucken, das dafür überall und ständig. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Bestes Debüt: Hooded Fang - Album
Hooded Fang sind ein Paradebeispiel dafür, dass manchmal schon ein schrecklich uninspirierter Albumtitel gepaart mit ebenso wenig einladendem Artwork genügt, um schändlich übergangen zu werden. Zumindest kann ich mir weiß Gott keinen anderen Grund vorstellen, weshalb mir diese überaus aparte Indie-Pop-Platte, die mit spritzig-leichtfüßigen Ohrwürmern wie "Highway Steam" ein wenig wie eine peppigere Version von Belle and Sebastian anmutet, trotz all der (völlig berechtigten!) Schwärmereien der kanadischen Musikpresse 2010 durch die Lappen gegangen ist. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Beste EP: Hey Rosetta! - Red Songs
"Red Song" von Hey Rosetta! ist so etwas wie das kanadische Äquivalent zu Bon Ivers "Blood Bank": ein wahrlich herzerweichendes Liebeslied, das anrührender nicht sein könnte, aber einfach auf kein reguläres Album der Band gepasst hat. Daher schmückt dieser Übersong samt zwei weiteren Folk-Perlen vielmehr eine kleine, aber unheimlich feine EP, die mir zwar unerklärlicherweise erst dieses Jahr untergekommen ist, seitdem jedoch einen festen Platz in meinem Musikherz inne hat.

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Willi S. verpasste:

Beste EP: Angel Olsen - Strange Cacti
Wäre diese Rückblickskategorie mit einer offiziellen Preisverleihung verbunden, so müsste Angel Olsen in ihrer Dankesrede einen Herren ganz besonders hervorheben, und zwar Will Oldham. Als Duettpartnerin auf seinem aktuellen Album "Wolfroy Goes To Town" konnte sich das Nachwuchstalent nämlich von einer dermaßen überzeugenden Seite präsentieren, dass ich mich sofort auf die Suche nach ihrem eigenen Liedgut begeben musste. Und so fiel mir schließlich ihre wunderbare erste EP in die Hände, die mit sechs spartanisch-morbiden Wohnzimmeraufnahmen unweigerlich an das Schaffenswerk der Dark-Folk-Altmeisterin Nina Nastasia erinnert. "Creator, you destroy me / You know my hunger well and yet you starve me until I'm begging on my knees" - bitte sehr schnell sehr viel mehr davon! | zur Hörprobe in der Videogalerie

Beste Cover-Version: DM Stith - Spirit Ditch (Sparklehorse)
Dass DM Stith ein Händchen dafür hat, sich das Songmaterial diverser Musikerkollegen auf unverkennbare Art und Weise zu eigen zu machen, hat er auf "Heavy Ghost Appendices" bereits eindrucksvoll bewiesen. Keine seiner bisherigen Cover-Versionen kann jedoch mit der emotionalen Tiefe mithalten, die er bei der Neuinterpretation des todtraurigen "Spirit Ditch" an den Tag legt. In Erinnerung an Mark "Sparklehorse" Linkous, der sich im Vorjahr das Leben genommen hat, veröffentlichte DM Stith dieses Ausnahmestück vergangenen Dezember auf einer gleichnamigen EP. Schlichtweg großartig, besonders in der akustischen Daytrotter-Version! | zur Hörprobe in der Videogalerie

Beste Kollaboration: Sarah Kirkland Snider - Penelope
Shara "My Brightest Diamond" Worden gehört zu jener seltenen Spezies von Musikerinnen, die dank ihres göttlichen Stimmorgans offenbar nichts falsch machen können. Dies gilt auch für ihr letztjähriges Gemeinschaftsprojekt mit der Komponistin Sarah Kirkland Snider, ein ambitioniertes Konzeptalbum mit dem Titel "Penelope". Ursprünglich als Theaterstück angedacht, verschwimmen bei diesem 14-teiligen Liedzyklus im Geiste von Homers "Odyssee" die Grenzen zwischen Klassik und Indie Rock. Kein Wunder, dass das imposante Endresultat besagter Kollaboration von NPR als eines der fünf besten "genre-defying albums of 2010" auserkoren wurde.

Micha S. verpasste:

Foto: Copyright: EMI Music
© EMI Music

Song des Jahres: Lady Antebellum - Need You Now
In "Glee" (Folge #2.11 Der Sue Sylvester Shuffle) hörte ich den Song zum ersten Mal, war angetan von seinen Duett-Qualitäten und stieß dann auf's Original aus "Own the Night". Das kann nicht mal durch Adeles Cover getoppt werden, transportiert so unheimlich gut das einsam-verzweifelte Gefühl seines Textes und hat gleichzeitig so viel radiofreundliche Catchyness, dass es nicht nur bei Country-Hörern zum Riesenhit wurde. Absolut zurecht. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Beste Textzeilen: Ray Boltz - I Will Choose to Love
I will choose to love, though they shake their fists at me.
And I will be myself and live in authenticity.
Though they wrap their hatred in a message from above, I will choose to love.

Überraschung des Jahres: Slash feat. Fergie - Beautiful Dangerous
Der ehemalige Guns N'Roses-Gitarrist und die Black Eyed Peas-Mieze sind alles andere als eine zu erwartende Kombination und doch das Beste, das der Möchtegern-Herzogin passieren konnte. Wie Slash treffend sagte, ist Fergie tatsächlich eine bessere Rock- als R'n'B-Sängerin. Song und Video sind dermaßen derbe und heiß (und der Titel daher perfekt passend), dass ich mir ein komplettes Album der zwei wünsche!

Maria Gruber verpasste:

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© City Slang

Bestes Album: Arcade Fire - The Suburbs
Es ist das wahrscheinlich peinlichste Geständnis, das man als eingefleischter Musikfan machen kann, aber so ist es mir nun mal passiert: "The Suburbs" von Arcade Fire ging 2010 komplett an mir vorbei. Dieses wahnsinnige, herausragende Meisterwerk schaffte es erst 2011 in meine CD-Sammlung, nimmt aber seitdem einen Ehrenplatz dort ein und läuft regelmäßig in Dauerschleife auf voller Lautstärke. Ein Opus Magnum, wie meine Kollegen letztes Jahr schon feststellten. Nur ich nicht. Schande über mich. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Beste EP: We Can't Enjoy Ourselves - One Belongs Here More Than You
Es ist wohl künstlerische Ironie, dass We Can't Enjoy Ourselves eigentlich genau die Art von Musik macht, die very enjoyable ist. Die erste EP dieser leider noch sehr unbekannten Indieband aus New York sprüht jedenfalls vor guter Laune und einem Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl, das jeder der sieben Songs beim Hörer erweckt. Eine Nachnominierung für die Beste EP ist daher absolut notwendig und davon kann sich jeder dank der kostenlosen Downloadmöglichkeit auch gerne selbst überzeugen. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Song des Jahres/Bestes Musikvideo: Darwin Deez - Radar Detector
2010 wurde Darwin Deez' zweite Single "Radar Detector" veröffentlicht. Dennoch wurde ich erst 2011 auf diesen herrlichen Gute-Laune-Song des Lockenwicklerkönigs aufmerksam und das dazugehörige Video kann man definitiv unter den kreativen Höchstleistungen des Jahres 2010 verbuchen, eben weil es so wunderbar schräg ist. Selbstgemachte Waffeln, Vampire, bunte Luftmatratzen, Plastikgabeln, Hauptsache komplett sinnlos und hirnverbrannt – unbedingt anhören und -gucken!

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