Hypes, Hopes & Letdowns 2011

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Enttäuschung des Jahres

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Thurston Moore – Demolished Thoughts
Thurston Moore würde man ja normalerweise in die Kategorie "cooler Hund" einordnen – weil er zu Sonic Youth gehört und weil er es schafft, selbst in seinen Fünfzigern noch wie ein Jugendlicher auszusehen. Sein drittes, dieses Jahr erschiene Soloalbum lässt einen all die Komplimente aber noch mal überdenken - "Demolished Thoughts" ist ein schnarchlangweiliges Folk-Album, das in unnützen Geigenmelodien zu ertrinken droht. Womöglich waren das aber auch schon Auswirkungen der sich anbahnenden Ehekrise mit Kim Gordon. Dann sei ihm ausnahmsweise verziehen. | Stephanie Stummer

Daytrotter wird zahlungspflichtig
Es war ein kleiner Schock für jeden Musik-Nerd. Eine der legendärsten und schlichtweg besten Musikwebseiten überhaupt, daytrotter.com, kündigte im Oktober 2011 an, ihr großes Sortiment an Live-Sessions von den großen und kleinen Helden der Independent-Szene in Zukunft bloß noch gegen eine monatliche Gebühr von 2$ zum Stream und Download zur Verfügung zu stellen. Und auch wenn dieser Betrag angesichts der hohen Qualität, die Daytrotter schon seit Jahren bietet, nicht ganz unangemessen ist, war es doch ein ziemlicher Stich ins Musikherz. | Paulina Banaszek

Markéta Irglová - Anar
Mir als begnadetem Fan der Filmperle "Once" und des dazugehörigen Soundtracks fällt es alles andere als leicht, die immens charmante Markéta Irglová in dieser äußerst undankbaren Rückblickskategorie anführen zu müssen. Bedauerlicherweise lässt mich aber ihr Solodebüt "Anar" erschreckend kalt, was ich insbesondere nach dem wunderbaren "The Hill" für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten habe. Bleibt zu hoffen, dass die junge Tschechin auf dem Nachfolgewerk ihr zweifellos vorhandenes Talent besser zu nutzen weiß. | Willi S.


Nicole C. Mullen – Captivated
Nach sieben wunderbar facettenreichen Studioalben klingt nun erstmals eins nach "Schon mal gehört". Und das leider nicht nur dezent hier und da, sondern bei fast jedem Lied fragt man sich, ob sie hier so was wie eine Neubearbeitung eines früheren Titels bringt. Sehr, sehr schade. Hoffen wir, dass die Sängerin und Songschreiberin, die bisher so super R'n'B, Soul, Funk, Folk und Pop gemixt hat, nicht am Ende ihrer Kreativität angekommen ist und die nächste Veröffentlichung wieder von Einfallsreichtum, Kurzweiligkeit und Energie strotzt. | Micha S.

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Amy Winehouse' Tod
Es ist immer schade, wenn großartige Künstler aus dem Leben scheiden. Noch tragischer ist es aber, wenn sie dies im Alter von nur 27 Jahren tun. Am 23. Juli 2011 fand man Amy Winehouse – gesegnet mit einer unglaublichen Stimme, leider aber gestraft mit Drogen- und Alkoholabhängigkeit – tot in ihrem Haus in London vor. Und es wird Zeit, aufzuwachen, wie Russell Brand in seinem Nachruf für Winehouse so treffend schrieb: "We need to review the way society treats addicts, not as criminals but as sick people in need of care […] Not all of us know someone with the incredible talent that Amy had but we all know drunks and junkies and they all need help and the help is out there. All they have to do is pick up the phone and make the call. Or not. Either way, there will be a phone call." | Maria Gruber

Mona - Mona
Versteht mich nicht falsch: "Mona" hat mir sehr gefallen, aber nach dem Hype um die Band habe ich mir eigentlich die nächsten Strokes vorgestellt und nicht eine 08/15-Band, beziehungsweise eine Band, die nicht (wenn überhaupt) eine Eintagsfliege ist. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Lieder wie "Teenagers" oder "Listen to Your Love" auf dem Album gewesen wären. Ein bisschen mehr Substanz einfach. | Ameli H.

Blink 182 – Neighborhoods
Ich hatte es geahnt. Nach mehr als 8 Jahren und einigen Seitenprojekten fanden sich die drei "Punks" von Blink 182 mal wieder zusammen, um ein Album aufzunehmen. Immerhin nicht unerheblich in meiner musikalischen Entwicklung, wartete ich gespannt auf das Ergebnis...und wurde herbe enttäuscht. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Vielleicht hat sich die Band einfach in eine Richtung weiterentwickelt, die mir nicht zusagt. Irgendwie hat das Album nichts mehr mit Blink zu tun, sondern wirkt eher wie eine halbherzige Mischung aus DeLonges Angels and Airwaves, Hoppus' +44 und den späteren Blink 182. Unausgegoren und nicht wirklich inspiriert. Und DeLonges Stimme nervt heute weit mehr als noch von 8 Jahren. | Mark Jürgens


Überraschung des Jahres

Foto: R.E.M. - Copyright: Anton Corbijn/Warner Music Group
R.E.M.
© Anton Corbijn/Warner Music Group

Die Trennung von R.E.M.
Im Frühjahr veröffentlichten sie noch "Collapse Into Now", das für viele endlich wieder die Rückkehr zu ihrer alten Form darstellte; im September kam dann das völlig überraschende Aus nach 31 Jahren Bandgeschichte. Aufhören, wenn's am schönsten ist – vermutlich eine weise Entscheidung. Um eine der letzten großen Bands, auf die sich sowohl Nerds als auch der gemeine Kommerzradiohörer einigen können, ist es trotzdem äußerst schade. | Stephanie Stummer

Julia Marcell - June
Sägte die junge Polin Julia Marcell auf ihrem Debütalbum "It Might Like You" noch hörbar am Thron der US-russischen Pianopop-Zarin Regina Spektor, kehrte sie auf ihrem Nachfolger "June" der simplen Klavier-und-Streicher-Kombi überraschend den Rücken zu und überrumpelte ihre Fans mit einem sehr beatlastigen Elektro-Sound, der vielmehr wie eine eigensinnige Kreuzung aus Kate Bush und Culture Beat anmutet. Für mich definitiv die drastischste Entwicklung im Jahr 2011, die aber – vielleicht die eigentliche Überraschung – erstaunlich gut gefällt, wenn man denn den ersten Schock über Nummern wie "CTRL" erst einmal verdaut hat. | Paulina Banaszek


Seven Swans Reimagined
"Seven Swans" ist meines Erachtens nicht nur das bis dato beste Werk von Ausnahmemusiker Sufjan Stevens, sondern auch eines jener drei Alben, die ich bedenkenlos auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen würde. Dementsprechend hellhörig wurde ich, als sich 2011 eine Reihe von Künstlern - darunter etwa Bonnie 'Prince' Billie und DM Stith - anschickten, "Seven Swans" Song für Song neu zu interpretieren. Das Resultat dieses gewagten Unterfangens ist ein erstaunlich stimmiges Tribute-Album, welches dem Original zwar erwartungsgemäß nicht das Wasser reichen kann, aber trotzdem mit einer Vielzahl an hörenswerten Cover-Versionen aufwartet. | Willi S. | zur Hörprobe in der Videogalerie

TDL – Force the Forces
Manchmal gibt es einfach tolle Songs in Werbeclips. Manchmal sind das auch gar keine echten, sondern eigens für die Werbung komponierte Stücke. Und manchmal kommen die so gut an, dass sie netterweise von der Produktionsfirma zu einem längeren Hörgenuss gestretcht werden. So hat auch TDL aus seiner Rexona-Werbung einen knapp dreiminütigen funkigen Ohrwurm geschaffen. | Micha S. | zur Hörprobe in der Videogalerie

Bon Ivers Grammy-Nominierung
Ich dachte erst, ich hätte mich vertan, als ich in der Liste der diesjährigen Grammy-Nominees tatsächlich den Namen Bon Iver entdeckte – und das gleich vier (!!!!) Mal. Sollte etwa der Tag gekommen sein, an dem bei den Grammys mal wirklich gute Musik ausgezeichnet wird (was sich letztes Jahr schon mal mit dem Gewinn von Arcade Fires "The Suburbs" und der Nominierung von Mumford & Sons andeutete)? Wird Bon Iver auch noch gewinnen, dann steht für mich jetzt schon fest, was 2012 unter diesem Punkt stehen wird. | Maria Gruber


Rock'n'Roll Theater
So, jetzt kommen wir zu meiner Lieblingskategorie. Tim Armstrong, dem Musikfan am besten bekannt als Frontmann der Punkband Rancid hat sich mit seinen Freunden zusammen getan und die skurrile Web-Serie "Tim Timebomb's Rock'n'Roll Theater" erschaffen. Mit Lars Frederiksen als korrupter, sündigender Kapitalist und Davey Havok als Teufel höchstpersönlich im rosa Anzug und dünnstem Schurrbart ist die erste Folge "Dante" eine wunderbar-gelungene Vermischung von Tim Burton und der "Twilight Zone". | Ameli H.

The Mighty Mighty Bosstones – The Magic of Youth
Ich war erstaunt als ich die neue Platte per Zufall im Laden fand. Hatte ich doch ehrlich gesagt nicht mehr mit einer neuen Platte der Bostoner Ska-Core-Pioniere gerechnet. Allzu viel hab ich mir dann aber, ob der doch schwachen Vorgänger, nicht erwartet...und wurde mehr als positiv überrascht. Spritzig, voller Elan und mit frischen Ideen, bringt die Platte den Sommer erneut zurück. Und Sänger Dickie klingt um Längen besser als er es je getan hat. | Mark Jürgens

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