Das Konzertjahr 2011
Was wäre ein Musikjahr ohne die ganz besonderen Tage im Leben, an denen man alles stehen und liegen lässt und vielleicht sogar in eine mehrere Stunden entfernte Stadt fährt, nur um eine ganz tolle Band endlich live zu sehen? Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks berichten wir euch daher von den schönsten, aber auch enttäuschendsten Konzerten sowie denkwürdigsten Konzertmomenten 2011 und schwärmen von den besten Festivals und Konzertlocations in Europa. Außerdem erfahrt ihr, welche Support-Bands einem 2011 die Wartezeit auf den Haupt-Act am besten versüßten und welche die Bühne vielmehr einfach nicht früh genug räumen konnten.
Bestes Konzert
Stephanie Stummer meint:
#1 Fleet Foxes (Museumsquartier, Wien, 15.11.)
Dass die Fleet Foxes live unglaublich sein müssen, ahnte ich schon 2008, als ich tagelang einer verpassten Konzert-Gelegenheit nachweinte. Dieses Jahr wurden meine hohen Erwartungen an Robin Pecknold und Co. endlich bestätigt: An die Wand wird Schneefall projiziert, im Vordergrund singen die Füchse ihre glasklaren, makellosen Harmoniegesänge – eine schönere Einstimmung auf die stille Zeit des Jahres kann es kaum geben!
#2 Eels (republic-cafe, Salzburg, 16.6.)
Wieder einmal zeigte sich, dass Mark Oliver Everett eine der sympathischsten und originellsten Personen der Musikwelt ist – vielleicht, weil es am Merchandise-Stand Eels-Unterhosen(!) zu kaufen gab, vielleicht, weil man als Opening Act den jonglierenden, Einrad fahrenden Mr. Marcus engagiert hatte. Ganz bestimmt aber, weil die musikalische Darbietung von den melancholischen Songs über peppige Bläsereinsätze bis zu einer scheppernden Punkrock-Version von "I Like Birds" absolute Spitzenklasse war.
#3 Portugal. The Man (Posthof, Linz, 2.12.)
Aller guten Dinge sind drei – und darum gab's dieses Jahr auch wieder ein Wiedersehen mit meinen Lieblings-Alaskanern. Sie kamen zwar wieder nicht an die Qualität des furiosen 2009er Poolbar-Auftritts heran, die Mischung aus jamlastigen Sequenzen, eingestreuten Coverversionen und poppigeren Stücken war aber dennoch sehr stimmig und mitreißend.
Paulina Banaszek meint:
© myFanbase/Paulina Banaszek
#1 Edward Sharpe & The Magnetic Zeros (Winterthurer Musikfestwochen, Winterthur, 23.8.)
Da mir selbst vier Monate nach diesem phänomenalen Festivalauftritt immer noch die Worte fehlen, verweise ich an dieser Stelle lieber gleich auf meinen Kommentar im Vorjahr. Denn wenn der ohrenbetäubende Jubel nach der letzten Zugabe von Alex Ebert & Co. einfach nicht abreißen will, kann man nicht einmal über die magere Spielzeit von gut einer Stunde wirklich enttäuscht sein, weil man selig ist, dass eine der charmantesten und besten Live-Bands überhaupt wieder einmal in Windeseile um mehrere hundert Fans reicher geworden ist. Und die Welt somit ein gutes Stückchen besser.
#2 Jason Mraz - Special Acoustic Evening With Toca Rivera (Palác Akropolis, Prag, 20.9.)
An das grandiose Konzert im Münchner Ampere 2008 kam dieser langerwartete Akustik-Gig der beiden "wizards of oohs and aahs and faa-la-las" zwar leider nicht heran, unvergesslich war er aber dennoch. Denn mit "Did I Fool Ya", "Plane" und "Song for a Friend" wurden nicht nur drei meiner absoluten All-Time-Favorites gespielt, sondern auch noch der nicht satthörbare Stimmungskracher "You Fuckin' Did It" und Portisheads "Glory Box". Noch dazu sorgten eine musikalische Begrüßung auf Tschechisch, immer wieder frei improvisierte Ständchen zwischendurch, "Lucky" mit einer auf die Bühne geladenen Gastsängerin aus dem Publikum, die mehrmals nach dem Song verlangt hatte, sowie unzählige spontan gegebene Autogramme direkt im Anschluss an die letzte Zugabe für eine ganze Reihe äußerst denkwürdiger Konzertmomente, die ich daher lieber gleich aggregiert in dieser Kategorie würdigen möchte.
#3 Alexi Murdoch (Cann, Stuttgart, 9.12.)
Mit seinem April-Konzert im Frankfurter Mousonturm hätte sich der charmant schüchterne Singer/Songwriter in dieser Top 3 wohl noch nicht an dem ungeheuer sympathischen Mr. Beam von Iron & Wine vorbeigemogelt, doch sein Auftritt im Stuttgarter Cann Ende des Jahres hatte fast schon etwas Magisches. Vielleicht rührte dieser Eindruck auch daher, dass ich ihm aus der ersten Reihe deutlich besser auf die talentierten Finger (bzw. seine mit zig Pedalen hantierenden Füße) schauen konnte und mich diesmal auch auf eine sehr "Towards the Sun"-lastige Setlist eingestellt hatte. Im Endeffekt war es aber wohl vor allem die intime Atmosphäre des sehr dunkel gehaltenen Saals voller ehrfürchtig lauschender Menschen, die dafür sorgte, dass sich der so unheimlich bescheidene Mann mit der traumhaft samtigen Stimme auf der Bühne sichtlich wohl fühlte und seine Experimentierfreude auch auf das Publikum zu übertragen wusste. Denn wenn ein Alexi Murdoch meint, man dürfe ruhig mitsingen und -klatschen, wenn einem danach ist, muss man dieser Aufforderung natürlich nachkommen. Und bei der magischen Stimmung, die beim gemeinsamen Musizieren aufkam, ging auch keiner enttäuscht nach Hause, bloß weil "Orange Sky" nicht gespielt wurde.
Willi S. meint:
#1 Hans Unstern (Chelsea, Wien, 30.1.)
Trotz der ungesund hohen Erwartungen, die Hans Unstern mit seinem grandiosen Debüt "Kratz Dich Raus" bei mir geweckt hatte, blieb mir zum Auftakt des Konzertjahres 2011 eine Enttäuschung erspart. Im Gegenteil: Das Berliner Singer/Songwriter-Talent zauberte mit seiner Band ein wahrlich imposantes audiovisuelles Spektakel auf die Bühne, das mich voll und ganz in seinen Bann ziehen konnte. Kein anderer Künstler vermochte dieses unvergessliche Live-Erlebnis im weiteren Verlauf des Jahres zu überbieten.
#2 Flying Lotus (WUK, Wien, 12.6.)
Wenn es heuer ein Konzert gab, nach dessen Ende vermutlich jeder einzelne Besucher mit einem Überschuss an Glückshormonen selig nach Hause taumelte, handelt es sich vermutlich um jenes von Steven Ellison, besser bekannt als Flying Lotus. Der amerikanische DJ/Produzent verbreitete mit seinen im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen "Cosmogramma"-Songs im Gepäck dermaßen viel Energie und gute Laune, dass selbst der größte Tanzmuffel nicht ruhig stehen bleiben konnte. Jederzeit und überall wieder!
#3 The Antlers (Szene, Wien, 2.12.)
Auch wenn mich "Burst Apart" als Album nicht ganz so uneingeschränkt begeistern will wie der famose Vorgänger "Hospice", stand die Live-Umsetzung des Zweitwerks von The Antlers dem denkwürdigen Konzerterlebnis aus dem Vorjahr in nichts nach. Was auch immer das Erfolgsgeheimnis von Peter Silberman und Konsorten sein mag, fest steht: Kaum legten die Jungs mit ihrer Bühnenshow los, war jegliche Skepsis dem neuen Songmaterial gegenüber verflogen und eine Gänsehaut jagte die nächste.
Maria Gruber meint:
#1 Arcade Fire (Popaganda Festival, Erikdalsbadet, Stockholm, 26.8.)
Heiliger Bimbam. Es hat schon einen Grund, warum Arcade Fire als eine der aktuell besten Livebands der Welt gelten: Sie ROCKEN! Als Headliner des diesjährigen Popaganda-Festivals in Stockholm zog die Indieband aus Montréal wirklich alle Register und bot ein rund zweistündiges Konzert, bei dem nachher kein T-Shirt trocken blieb. Win Butler und Co. verausgabten sich förmlich auf der Bühne, genauso wie das begeisterte Publikum. Mitspringen, mittanzen, mitsingen – ein Erlebnis!
#2 Fleet Foxes (Rathausplatz, Dachau, 26.5.)
Es war die große Nachricht, als bekannt wurde, dass die Fleet Foxes auf ihrer Europatour tatsächlich Halt in dem nahe bei München gelegenen Ort Dachau machen würden, um dort im Rahmen des Dachauer Musiksommers ein Openair(!)-Konzert zu geben. Obwohl es erst so aussah, als würde das Konzert im Regen stattfinden, so zeigte sich Petrus letztlich doch versöhnlich und die Wolkendecke brach genau in dem Moment auf, als die Foxes die Bühne betraten. Was folgte, war ein absolut mitreißendes Konzert, bei dem die Band fast alle Songs ihrer beiden Alben zum Besten gab und Frontmann Robin Pecknold noch eine fantastische Solozugabe mit "Oliver James" beisteuerte. Ein herausragendes Konzert und eine herausragende Band, die ich jedem ans Herz lege, auch mal live zu sehen.
#3 Iron & Wine (L'Olympia, Montréal, 14.10.) / Jan Delay (Schlossplatz, Stuttgart, 11.6.)
Platz 3 meiner Topliste dürfen sich dieses Jahr zwei völlig unterschiedliche Künstler teilen: Zum einen Folkrock-Institution Iron & Wine aka Sam Beam, der dieses Jahr endlich mal wieder auf Tour ging und unter anderem auch in dem sagenhaft schönen Venue des Théâtre Olympia in Montréal Halt machte, wo er eine großartige Performance hinlegte. Begleitet von einer umfangreichen Band und der bezaubernden Markéta Irglová spielte Beam einen gelungenen Querschnitt seiner vier Studioalben. Zum anderen heizte der Hamburger Jan Delay beim diesjährigen SWR Sommerfestival in Stuttgart die Menge auf und transportierte seine "Disko Nr.1" auf den dortigen Schlossplatz. Was Jan Delay in knapp zwei Stunden ablieferte, war tanzbare Livemusik vom Allerfeinsten und einfach nur pure gute Laune. So dürfen sowohl Iron & Wine als auch Jan Delay auf dieser Liste absolut nicht fehlen.
Mark Jürgens meint:
#1 Jason Isbell and the 400 Unit (London, The Garage, 27.4.)
Grandioser Auftritt eines grandiosen Sängers. Ohne viel Show, dafür mit sehr viel Gefühl und Spielfreude präsentierte uns Isbell einen gelungen Querschnitt seines Schaffens. Auch wenn die Band in reduzierter Form auftrat, schafften sie es, die Magie der Songs auch live zu entfalten.
#2 Dropkick Murphys (Hamburg, Trabrennbahn, 16.8.)
Auch wenn das Wetter nicht wollte, die Planung ziemlich mies war und es kein Guinness zu trinken gab, ein mehr als gelungenes Konzert. Fast alles Hits untergebracht, die versammelten Fans moshten und sangen aus vollem Herzen mit und selbst einige Familien und Senioren verirrten sich auf die Trabrennbahn und hatten sichtlich Spaß. Mit knapp 85 min allerdings etwas zu kurz. Und das Cover von AC/DCs "TNT" hätte man sich auch sparen können. Nichtsdestotrotz ein geniales Konzert.
#3 Drive-By Truckers (Dublin, Button Factory, 4.5.)
Wie der gute Jason Isbell eine Woche zuvor, so legten auch seine ehemaligen Bandgefährten dieses Jahr eine ihrer besten Shows hin. Mit viel Spielfreude und Spaß, was vielleicht auch am Whiskey lag, der mehr als nur einmal die Runde auf der Bühne machte, spielten sich die Mannen um Patterson Hood und Mike Cooley durch ein Set aus ihren besten Songs. Definitiv eines der besten Konzerte, denen ich bis jetzt beiwohnen durfte.
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