Das Konzertjahr 2011
Bestes Festival
Reeperbahn Festival (Hamburg, 22.-24.9)
Wer einen Club an zwei von drei Festivaltagen speziell in "Canada House" umbenennt und dort gleich eine ganze Reihe von Showcases kanadischer Künstler veranstaltet, hat bei mir schon einen gewaltigen Stein im Brett. Wer dann auch noch grandiosen Bands und Künstlern wie Brasstronaut, Cloud Control, Ben Howard, The Wilderness of Manitoba, Yoav, Julia Marcell und Liz Green eine Bühne bietet, herrlich schräge Jungs à la Misteur Valaire in einer Sparkasse(!) auftreten lässt und neben unzähliger musikalischer Newcomer-Talente auch noch die Crème de la Crème der Musikposter-Künstler sowie namhafte Vertreter der Musikbranche nach Hamburg bringt, wird völlig zu Recht als deutsches Äquivalent zum renommierten SXSW-Festival in Austin, TX gehandelt. | Paulina Banaszek
Waves Vienna (Wien, 28.9.-2.10.)
Premiere gelungen. Das Showcase- und Clubfestival Waves Vienna, welches diesen Herbst erstmals im Herzen der Donaumetropole über die (zehn) Bühne(n) ging, war zu Recht wochenlang in aller Munde. Dank einer ansprechenden Mischung aus bekannten Größen (Soap&Skin! EMA! Zola Jesus! Clara Luzia!) und Massen an Newcomern wurde an insgesamt fünf Abenden für so ziemlich jeden Musikgeschmack etwas geboten. Neben dem nicht mehr wegzudenkenden Blue Bird Festival ist Wien somit um einen weiteren Pflichttermin im Konzertkalender reicher. | Willi S.
Popaganda (Erikdalsbadet, Stockholm, 26.-27.8.)
Två scener, 20 band. Das Popaganda-Festival im Stockholmer Stadtteil Södermalm findet in einem großen Freibad statt und obwohl der skandinavische Sommer ja als verregnet gilt, so hatten die Musikliebhaber an diesem August-Wochenende immenses Glück: die Sonne schien, die Gemüter waren glücklich. Mit einem tollen Line-Up – dem eigentlich nur die teilweise zu kurze Spielzeit für die Bands am Nachmittag vorzuwerfen ist – zog das Popaganda eine Menge an Leuten an, die unter anderem in den Genuss von Arcade Fire, The Go! Team, Junip, Cults, Those Dancing Days und Jenny Wilson kommen durften. Fantastisk! | Maria Gruber
Bester Support Act
Steaming Satellites (vor Portugal. The Man)
"Mit denen tun sich Portugal. The Man aber keinen Gefallen", meinte jemand, als beim Auftritt der Salzburger schon nach kurzer Aufwärmphase die Post abging, als hätte man hier den Hauptact vor sich. Mit unglaublicher Wucht und Professionalität präsentierten sie ihre Mischung aus Space-Rock und Psychedelic. Das neue Album "The Moustache Mozart Affaire"? Gleich gekauft – der tolle Titel war da nur noch eine Draufgabe. | Stephanie Stummer
Tift Merritt (vor Iron & Wine)
Wenn man es schafft, als Support für einen nicht nur sehr versierten, sondern auch noch so unheimlich ulkigen und sympathischen Live-Musiker wie Sam Beam, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, hat man zweifellos alles richtig gemacht. So wie die Singer/Songwriterin Tift Merritt aus North Carolina, die ihre Blues-getränkten Lieder nicht einfach bloß sang, sondern auf der Bühne förmlich lebte und dabei so viel Verve und Gefühl an den Tag legte, dass man auf den grandiosen Hauptact des Abends sogar gerne noch ein bisschen länger gewartet hätte. | Paulina Banaszek
Dry The River (vor The Antlers)
Nüchtern betrachtet ließe sich an einem typischen Auftritt von Dry The River gewiss einges aussetzen, vor allem natürlich der kalkuliert-manipulative Pathos und die fast schon an Gefühlsduselei grenzende Sentimentalität der Texte. Trotzdem - oder vielleicht genau deshalb - gelang es der britischen Gruppe mit beeindruckender Souveränität, sich direkt in die Herzen des Konzertpublikums zu spielen. Eine passendere Einstimmung auf den nicht minder emotionsgeladenen Auftritt von The Antlers hätte man sich nicht wünschen können. | Willi S.
Markéta Irglová (vor Iron & Wine)
Markéta Irglová ist einfach eine unglaublich zauberhafte und sympathische Frau. Mit ihrer engelsgleichen Stimme eröffnete sie nicht nur den Abend für Iron & Wine, sondern unterstützte ihn anschließend auch noch bei seinem Auftritt mit Backgroundvocals und im Duett. Ihre ruhige, bedachtsame Art spiegelte sich in ihren wunderschönen Songs wider, die sie ab und an auch mit einem Vorwort erklärte. Applaus für diese tolle Künstlerin! | Maria Gruber
Face to Face (vor Dropkick Murphys)
40 Minuten Energie, Spaß und all ihre größten Hits. Es machte einfach Spaß, den Vieren beim Spielen zuzusehen und -hören. Viel Interaktion mit dem Publikum und zwischen den Bandmitgliedern sorgte für ordentlich Stimmung, auch wenn relativ wenig Leute da waren. | Mark Jürgens
Schlimmster Support Act
Julian Perretta (vor James Blunt)
Ein ganz furchtbar von sich selbst eingenommener Typ hüpft zu ganz furchtbaren Möchtegern-Hymnen über die Bühne. Ganz furchtbar. | Stephanie Stummer
© myFanbase/Paulina Banaszek
Young Rebel Set (vor Edward Sharpe & The Magnetic Zeros)
Vielleicht tue ich den Briten hier ein wenig Unrecht, zumal sie genau genommen keinen Support-Act im eigentlichen Sinne darstellten. Aber wenn man auf einem Festival schon direkt vor den schlicht großartigen Kaliforniern von Edward Sharpe & The Magnetic Zeros auftritt, sollte man sein ohnehin schon schrecklich eintöniges Set nicht auch noch dermaßen lustlos und blasiert herunterspielen. Von daher ist der Rüffel keineswegs unverdient. | Paulina Banaszek
Max Prosa (vor Clueso)
Seinen Auftritt als "schlimm" zu bezeichnen, wäre vielleicht etwas übertrieben, aber der junge Berliner konnte live leider nur wenig überzeugen. Zu wirr klangen die Lyrics und Melodien auf der Bühne, zu gewollt poetisch. Vielleicht kann Max diesen Eindruck mit seinem Debütalbum, das Januar 2012 herauskommen soll, wieder gutmachen, so aber bleibt er erstmal nur als der Support Act in Erinnerung, den man beim letzten Clueso-Konzert endlich runter von der Bühne haben wollte. | Maria Gruber
Montreal (vor Dropkick Murphys)
40 Minuten absolut debiler und stumpfer Deutschpunk. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Jungs den Ärzten auf biegen und brechen nacheifern wollen. Dazu austauschbare Musik, dämliche Ansagen und Texte, die sich u.a. die Liebe des Sängers zur Hamburger U-Bahn Linie U2 zum Thema machten. Sehr nervig. | Mark Jürgens
Größte Live-Enttäuschung
Bob Dylan (Olympiahalle, München, 26.11.)
Dass Dylans Auftritte zuweilen als gewöhnungsbedürftig bezeichnet werden, war mir bewusst. Es ist wahrscheinlich auch sein gutes Recht, seine Songs bis zur Unkenntlichkeit zu verschandeln und sich durch das Repertoire zu krächzen – immerhin ist es ja eh der eigene Legendenstatus, dem er da den musikalischen Mittelfinger zeigt. Dass es aber so viele Leute gibt, die diese Einstellung und damit auch seine Konzerte ach so toll finden, kann ich nicht verstehen. Ich empfand es in erster Linie als enttäuschend und äußerst ermüdend. Lieber Bob, ich hatte gedacht, nach diesem Abend können wir endlich Freunde werden. War wohl wieder nix! | Stephanie Stummer
© myFanbase/Paulina Banaszek
Jason Mraz - Special Acoustic Evening With Toca Rivera (Palác Akropolis, Prag, 20.9.)
Dass ich diesen Gig hier aufführen muss, obwohl es das zweitbeste Konzerterlebnis meines Musikjahres darstellte, spricht eigentlich schon Bände über das immense Potential dieser beiden Herren. Nachdem ich die von mir schon seit Jahren sehnlichst erwartete Zweierkonstellation im Rahmen einer Akustik-Tour zur Feier des zehnjährigen Jubiläums ihrer legendären "Live at Java Joe's"-Platte nun tatsächlich endlich ohne störende Band im Rücken live erleben durfte, war es leider aber eine wirklich herbe Enttäuschung, dass aus eben jenen guten alten Zeiten lediglich zwei(!) Songs gespielt wurden. Echt ein Jammer. | Paulina Banaszek
Animal Collective (Arena, Wien, 23.5.)
Obwohl es sicherlich kein schlechter Auftritt war, den das international gehypte Avantgarde-Quartett in der Arena Wien hinlegte, wollte der Funke leider nicht so recht überspringen. Vielleicht lag es auch einfach nur an der falschen Erwartungshaltung meinerseits: Anstelle der erhofften Gute-Laune-Party ganz im Zeichen von "Merriweather Post Pavilion" gaben die vier Jungs nämlich hauptsächlich experimentell-psychedelische Soundspielereien à la "ODDSAC" zum Besten. Ein Blick ins Publikum genügte, um zu erkennen, dass sie damit nicht nur mich auf dem falschen Fuß erwischten. | Willi S.
The Radio Dept. (Ampere, München, 21.03.)
Die Schweden von The Radio Dept. sind alte Hasen im Business und bereits seit 1995 am Start. So durfte man eigentlich schon einige Erwartungen an einen Liveauftritt der Band stellen. Doch was sie im Münchner Ampere ablieferten, war letztlich ein Armutszeugnis: Gerade mal eine knappe Stunde dauerte das Konzert, bei dem die drei Männer in scheinbarer Lethargie ein Lied nach dem anderen runterspielten, nur um dann nach getaner Arbeit einer nach dem anderen von der Bühne zu gehen, ohne sich zu verabschieden, was das Publikum mit verdutzten Blicken quittierte. Da bleibt man doch lieber daheim und hört sich die CDs an. | Maria Gruber
The Offspring (Paris, Le Zénith, 31.8.)
Vier alte Männer stehen auf der Bühne und spulen ihre Songs ohne jegliche Spielfreude oder Esprit herunter. Dem Publikum war es egal. Der Großteil der jugendlichen Meute sprang besonders bei den neueren Songs frenetisch auf und ab. Ich fand es langweilig und schade, die Helden meiner Jugend so zu sehen. Auch mit 40 sollte man mehr bieten als das. | Mark Jürgens
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