Das Konzertjahr 2011
Beste Konzertlocation
Kino (Ebensee)
Wenn die nächsten großen Städte, in denen Konzert-technisch was los wäre (also Wien und München), ungefähr drei Autostunden entfernt sind, überlegt man sich natürlich bei jeder Band drei Mal, ob sie das Ticket und die Fahrtkosten wert ist – sich spontan mal jemanden Unbekannten ansehen, geht da natürlich nicht. Wie gut, dass es in der Nähe noch das Kino Ebensee gibt, das regelmäßig kleine, feine Acts wie die Unthanks oder Scott Matthew einlädt und mit einer sehr intimen Atmosphäre aufwartet, wie es die "großen" Konzertveranstalter gar nicht könnten. | Stephanie Stummer
El Lokal (Zürich)
Kein Konzertlokal entwirft so kunstvolle Flyer und Plakate, verkauft so schön aufgemachte Tickets und hat so viel Charme und Charakter wie das Zürcher "El Lokal". Die zweistöckige, urgemütliche Künstler-Bar ist bis in die hinterste Ecke mit Weltkarten, Rettungsringen, Skeletten und anderen recht maritim anmutenden Gegenständen dekoriert, die eine ganz besondere Atmosphäre versprühen. Und dann spielen da auch noch so großartige Indie-Bands und -Künstler wie Iron & Wine, Stornoway, The Low Anthem, John Grant, Dan Mangan, Josh T. Pearson, St. Vincent und die Belgier von Isbells - um jetzt mal bloß einige zu nennen, die 2011 das "El Lokal"-Publikum begeisterten. Eine absolut traumhafte Location, die jeder Konzertjunkie gerne in seiner Heimatstadt hätte. | Paulina Banaszek
B72 (Wien)
Da mir die eher kleineren Konzertlocations ohnehin die allerliebsten sind, freue ich mich immer sehr, wenn es meine Lieblingsmusiker ins B72 verschlägt. Eingebettet in einen der Wiener Stadtbahnbögen, habe ich in der alternativ angehauchten Konzertbar schon so manch unvergesslichen Abend (Sunset Rubdown! Ane Brun! Niels Frevert!) verlebt. Speziell von den heiß begehrten Plätzen der zweiten Etage aus hat man einen unschlagbaren Blick auf das Bühnengeschehen und die Möglichkeit, tolle Erinnerungsfotos aus der Vogelperspektive zu knipsen. | Willi S.
Rationaltheater (München)
Ach ja, das Rationaltheater. Versteckt in einer Nebenstraße in Schwabing hinter der Münchner Freiheit bietet das ehemalige Theater Woche für Woche verschiedenste Programmpunkte, seien es Filmabende, Open-Mic-Sessions, DJ-Sets, Theateraufführungen, Lesungen und eben auch Konzerte. Die kleine Bühne, das ebenso kleine Parkett und die bequemen Sessel neben der Bar machen aus dem Rationaltheater dabei eine ideale, ja richtig gemütliche Konzertlocation mit Wohnzimmeratmosphäre, wo man sich immer wieder gerne mit Freunden trifft. | Maria Gruber
Button Factory (Dublin)
Neben dem Roisin Dubh in Galway City meine liebste Konzertlocation. Die Auswahl an verschiedenen Genres ist groß, neben den Rock-Konzerten findet man auch Comedy-Gigs, Elektro-Abende und vieles mehr. Preislich für Dublin definitiv ok. | Mark Jürgens
Denkwürdigster Konzertmoment
Stephanie Stummer meint:
#1 Fleet Foxes (Museumsquartier, Wien, 15.11.)
Gleich als zweiten Song brachten die Fleet Foxes in Wien ihr vielleicht bestes Stück "Mykonos" – auf frenetischen Jubel folgte ein Gänsehautmoment dem anderen, spätestens beim emotionalen Mittelteil des Songs war klar, dass dies wohl kaum mehr zu toppen war.
#2 Belle and Sebastian (Gasometer, Wien, 16.4.)
Belle and Sebastian sind so eine Truppe, die man einfach lieb haben muss, und die es auch schafft, bei ihren Konzerten eine ganz spezielle, freundschaftliche Atmosphäre zu schaffen. Darum sind die Schotten auch die einzigen, bei denen die "Holen-wir-doch-jemanden-vom-Publikum-auf-die-Bühne-der-mit-uns-tanzt"-Idee prima und ohne peinliche Zwischenfälle funktioniert. Es ist immer eine Freude, diesen tatsächlich freundschaftlichen Momenten zuzusehen, bei denen Musiker und Fans ohne Berührungsängste gemeinsam ein entspanntes Tänzchen wagen.
#3 Mark Knopfler (Olympiahalle, München, 26.10.)
Mark Knopfler hat in seiner Solokarriere ohne Zweifel große Songs geschrieben – am denkwürdigsten wird es natürlich trotzdem dann, wenn er ein paar alte Dire-Straits-Klassiker anstimmt. Beim gemeinsamen Abend mit dem Heiligen Bob sorgte für die größten Momente zweifellos Mark Knopfler, für den erhabensten Moment "Brothers in Arms": Schon wenige Gitarrentöne genügten, um beim Publikum ein kollektives "ahhhh" hervorzurufen.
Paulina Banaszek meint:
#1 Misteur Valaire (Reeperbahn Festival, Hamburg, 22.9.)
Es war ohnehin schon ein sehr seltsamer Anblick, den die fünf verrückten Jungs aus Montréal auf der kleinen Bühne im Eingangsbereich der Hamburger Sparkassenfiliale auf der Reeperbahn bieteten. Als dann aber auch noch inmitten eines ihrer Nujazz-Partykracher-Songs plötzlich die pathetischste Stelle von Whitney Houstons Oberschnulze "I Will Always Love You" aus den Lautsprechern ertönte und die verschwitzten Bandmitglieder allesamt ihre Synthies, Turntables, Drums und sonstigen Instrumente links liegen ließen, um mit theatralisch in die Höhe gestreckten Armen von der Bühne zu steigen und wahllos gleichermaßen verschwitzte Menschen im Publikum zu umarmen, konnte man sich das Lachen einfach nicht verkneifen, war es doch wahrlich ein Bild für die Götter.
#2 n*grandjean (Nordklang Festival, St. Gallen, 19.2.)
Wenn drei Dänen, von denen man im Vorhinein noch nie etwas gehört hat, es durch ihre einzigartige Gruppendynamik sowie verwunschen-melancholische Songs schaffen, mehr oder weniger gleichzeitig für aufgestellte Nackenhärchen, Tränen der Rührung und nicht enden wollende Lachkrämpfe(!) zu sorgen, gehört das eindeutig zu den raren, unvergesslichen Konzertmomenten im Leben, die man einfach nicht beschreiben kann, sondern selbst miterlebt haben muss.
#3 Teitur (Karlstorbahnhof, Heidelberg, 26.3.)
Der Faröer Teitur Lassen zeigt sich auf der Bühne generell immer sehr gesprächig, doch im Heidelberger Karlstorbahnhof schoss er 2011 echt den Vogel ab, als er zunächst einen ellenlangen Monolog darüber hielt, wie so viele Hooklines in der Musik immer auf "tonight" endeten, und später dann vor einer Solo-Performance von "You Get Me" gefühlte zehn Minuten lang herrlich wirres Zeug quatschte, weil er immer wieder von der Geschichte abschweifte, die er eigentlich erzählen wollte. Während seine Bandkollegen also ungeduldig hinter dem Vorhang standen und sich wahrscheinlich augenrollend fragten, wann die alte Quasselstrippe endlich mal mit dem Publikum ausdiskutiert hatte, ob Heidi Klum denn nun genauso sympathisch war wie sie aussah oder nicht, verfiel der gesamte Saal mit jedem weiteren Satz aus Teiturs Mund zunehmend in lauthalses Gelächter.
Willi S. meint:
#1 Ja, Panik (Arena, Wien, 5.10.)
Die außergewöhnliche Umsetzung des Highlight-Stücks "Nevermind", bei dem jede Strophe inhaltlich einem der fünf Bandmitglieder gewidmet ist, rief beim Konzertpublikum kollektives Schmunzeln hervor. Anstatt nämlich Frontmann Andreas Spechtl das Lied in gewohnter Manier alleine trällern zu lassen, übernahm jeder der Jungs kurzerhand den ihn betreffenden Abschnitt selbst. Obwohl gesangstechnisch noch jede Menge Luft nach oben war, lockerte dieses amüsante Intermezzo die Stimmung enorm auf. Zu Recht erntete Ja, Panik für so viel Mut tosenden Applaus.
#2 Wye Oak (Chelsea, Wien, 12.6.)
Da Jenn Wasner nur wenige Stunden vor dem Auftritt in Wien von ihrem langjährigen Freund sitzen gelassen worden war, zeigte sie sich bei der Ankündigung des vertonten emotionalen Rundumschlags "Civilian" sichtlich nervös. Tatsächlich konnte sie sich dann im Verlauf des zutiefst persönlichen Songs die Tränen nicht verkneifen, was der Darbietung aber keinesfalls schadete. Vielmehr verstärkte sich dadurch die ohnehin schon enorme Wucht dieses musikalischen Juwels - atemberaubend!
#3 Alexi Murdoch (WUK, Wien, 14.12.)
Auch wenn es seinem leicht verdutzten Gesichtsausdruck zufolge nicht ganz so geplant war, ließ Alexi Murdoch sich bereitwillig darauf ein, den Konzertbesuchern am Ende von "Blue Mind" das Wort zu überlassen. In Dauerschleife erklang aus den Mündern seiner Anhängerschaft die abschließende Textzeile "Slowly, slowly, I am drifting", während er selbst mit einem Lächeln auf den Lippen geduldig seine Gitarrensaiten zupfte. Ein magischer Moment, auch ohne geschwenkte Feuerzeuge.
Maria Gruber meint:
#1 My Heart Belongs to Cecilia Winter (59:1, München, 27.02.)
Gäbe es eine Liste mit den zuschauerstärksten Konzerten 2011, so wäre der Auftritt der Schweizer Indieband My Heart Belongs to Cecilia Winter wohl ganz unten – gerade mal ein knappes Dutzend Leute waren an jenem Sonntagabend da, doch das tat dem Genuss keinen Abbruch. Das Trio verausgabte sich trotz kleinem Publikum auf der Bühne und bot nach seinem tollen Auftritt eine Zugabe der ganz besonderen Extraklasse: Anstatt zurück auf die Bühne zu gehen, stellten sie sich einfach direkt vor die Konzertbesucher und gaben (meinen Lieblingssong) "You You You You You" zum Besten. Ein unvergesslicher Moment.
#2 James Blake (Atomic Café, München, 18.04.)
Dubstep ist ja bekanntlich viel Shoegazing, um das mal auf hippem Neudeutsch auszudrücken. Bei James Blake kam aber auch die Interaktion mit dem Publikum nicht zu kurz. Ein besonders kluger Konzertbesucher rief irgendwann im Verlauf des Abends den hochqualifizierten Kommentar "Du geile Sau!" zu Mr. Blake, woraufhin das Publikum schallend loslachte und Blake etwas verdutzt "What does that mean?" entgegenfragte. Daraufhin rief jemand die wortwörtliche Übersetzung "You horny pig!" aus, was Blake mit einem herrlichen, betreten-verwirrten Lacher kommentierte.
#3 Iron & Wine (L'Olympia, Montréal, 14.10.)
Der Verlauf des Konzertes war bis zu diesem Moment absolut perfekt. Iron & Wine spielten ein wunderbares Lied nach dem nächsten und Sam Beam ließ es sich nicht nehmen, auch viel mit dem Publikum zu kommunizieren. Auf einmal unterbrach Beam jedoch mitten im Takt einen Song und musste aus unerklärten Gründen laut loslachen. Sein Lachen war so ansteckend, dass es den ganzen Saal zum Mitschmunzeln anregte. Beam entschuldigte sich daraufhin beim Publikum und begann das Lied nochmal von neuem. Was für ein unglaublich sympathischer Mann.
Mark Jürgens meint:
#1 Dropkick Murphys (Hamburg, Trabrennbahn 16.8.)
Die Ansagen von Sänger Al Barr: Komplett auf Deutsch, akzent- und fehlerfrei. Dabei bewies Al viel Humor und beeindruckte das Publikum mit einem nicht geringen Wortschatz. Für jemanden, der vor 30 Jahren für ein Jahr in Deutschland lebte, keine geringe leistung.
#2 The Offspring (Paris, Le Zénith, 31.8.)
Sänger Dexter Holland intoniert "Trust in You" und bleibt dabei reglos wie ein Sack Kartoffeln auf der Bühne stehen. Er bewegt sich maximal 10cm nach links und/oder rechts und das war es. Am Ende feiert das Publikum ihn aber doch. Ein Trauerspiel.
#3 Jason Isbell and the 400 Unit (London, The Garage 27.04.11)
Isbell stimmt seinen wohl besten Song, "Goddamn Lonely Love", an und der komplette Saal singt mit. Den gesamten Song. Gänsehaut pur.
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