Alben des Jahres
In der Königskategorie "Alben des Jahres" widmet sich unsere Musikredaktion wie immer all jenen Platten, die es 2011 würdig waren, auf eine einsame Insel mitgenommen zu werden. Erfahrt zum Abschluss unserer großen Rückblickskolumne, welche deutschsprachigen Künstler im vergangenen Jahr besonders beeindruckten, welche Newcomer die spannendsten Debüts herausbrachten und welche Britin es gleich bei zwei unserer Autoren an die Spitze der Top 5-Alben des Jahres schaffte.
Bestes deutschsprachiges Album
Thees Uhlmann - Thees Uhlmann
Als ehemalige Tomte-Skeptikerin, die erst durch zwei Konzerte bekehrt werden musste und plötzlich hinter all den langgezogenen Vokalen die erfrischend freimütigen Lyrics und schwelgerischen Melodien der Band entdeckte, gebe ich zu: Vielleicht ist "Thees Uhlmann" nicht wirklich das beste deutschsprachige Album von 2011. Von all den Caspern, Krämers und Freverts dieses Landes traf jedoch keiner so sehr mein momentanes Lebensgefühl wie der gute Thees auf seinem Solo-Debüt. Und manchmal reicht das. Denn manchmal ist gute Musik einfach nur deswegen so gut, weil sie einen auf genau dem richtigen Fuß erwischt. | Paulina Banaszek | zur Hörprobe in der Videogalerie
Moritz Krämer - Wir können nix dafür
Niels oder Moritz? "Zettel auf dem Boden" oder "Wir können nix dafür"? Eine wirklich schwere Wahl, die sich in dieser Kategorie heuer auftut. Letztlich fällt meine Entscheidung knapp gegen Herrn Frevert und zugunsten von Kollege Krämer aus, weil letzterer auf seinem Erstlingswerk mit so erfrischend ehrlichen und unaufdringlichen Texten mitten aus dem Alltag aufwartet. Und dass mein Lieblingslied von ihm nahezu im Wochenrhythmus wechselt, spricht definitiv auch für die Vielseitigkeit dieses überaus feinen deutschsprachigen Albums. | Willi S. | zur Hörprobe in der Videogalerie
Edo Zanki – Zu viele Engel
Wie auf jedem seiner in diesem Jahrtausend entstandenen Solowerke freut es, dass ein fast 60-Jähriger sich gefunden hat, sich in aller Spiel- und Lebensfreude ausleben darf und erneut ein hochqualitatives, mit seinen poetischen und ehrlichen Worten sowohl nahe gehendes als auch mit Soul, Funk und Deutschrock extrem Laune machendes Werk geschaffen hat. | Micha S.
Clueso – An und für sich
Auch Cluesos nunmehr fünftes Studioalbum zeugt von dem immensen Entwicklungspotential, das dieser Mann selbst nach über zehn Jahren im Musikbusiness noch besitzt. Ursprünglich im Hip Hop unterwegs hat sich Clueso mittlerweile zu einer festen Größe im deutschen Pop entwickelt und schlägt auf "An und für sich" wieder neue Wege ein, ja wagt sogar kurz die Grenzüberschreitung in elektronische Musik. Danke Clueso für 17 neue Lieder zum Mitsingen. | Maria Gruber | zur Hörprobe in der Videogalerie
Casper – XOXO
Ich muss zugeben, dass ich im Allgemeinen und letztes Jahr im Speziellen sehr wenig deutschsprachige Musik gehört habe und dementsprechend leicht fiel die Entscheidung dann auch. Caspers XOXO zeigt sehr schön, dass Rap nicht immer Ghetto sein muss, dass man auch ohne Elektrobeats gute Rapsongs produzieren kann. Dass der gute Mann es dann manchmal mit dem Pathos und den Klischees etwas übertreibt, ist dann eher Nebensache. | Mark Jürgens
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Bestes Debüt
Stephanie Stummer meint:
#1 Yuck – Yuck
Während sich die Hälfte der Musikwelt noch in der 80er-Spirale befand, starteten Yuck dieses Jahr ihr privates 90er-Indie-Rock-Revival: Schludriges Gitarrenspiel, windschiefe Ohrwürmer, Zitierfreude und ein untrügliches Gespür für verkappte Hits machen das gleichnamige Debüt zu einem spannenden, atmosphärischen Hörerlebnis. Bitte nächstes Jahr nicht einfach irgendwelche Konzerttermine absagen!
#2 The Vaccines – What Did You Expect From The Vaccines?
Die Vaccines haben das Rad nicht neu erfunden, im Grunde haben sie überhaupt nichts erfunden – dennoch standen zu Beginn des Jahres alle Zeichen auf "Hype". Warum? Weil ihr verwaschener Retro-Rock der perfekte Soundtrack für das Jetzt ist, für Nächte, in denen man sich und das Leben feiert und sich fühlt, als wäre man Teil eines stylischen Werbespots. Mögen Dutzende Bands davor und danach vielleicht ähnlich klingen, für den Moment gibt es wohl kaum perfektere Hymnen als "Blow It Up".
#3 Iceage – New Brigade
Gerade mal 24 Minuten dauert das Debüt der Dänen – und die haben es dafür in sich: Es kracht, scheppert und tönt, dass es eine helle Freude ist. Bestimmt länger als 24 Minuten dröhnt es einem danach noch in den Ohren – aber es lohnt sich.
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Paulina Banaszek meint:
#1 Cloud Control - Bliss Release
Jackpot! Mit der Ohrwurm-Ansteckungsgefahr ihrer Labelkollegen Local Natives, einer sympathischen Verschrobenheit, die stellenweise an The Unicorns erinnert, und psychedelischem Folk-Sound, der zweifellos von den 70ern inspiriert ist, trafen die Australier von Cloud Control mit ihrem Debüt-Album "Bliss Release" mitten ins Schwarze, weil mitten ins Herz. Unverbraucht, charmant und harmoniesüchtig – ohne Frage meine Gute-Laune-Band des Jahres.
#2 Pat Jordache - Future Songs
Das Solo-Debüt des Frankokanadiers Patrick Gregoire, seines Zeichens früherer Gitarrist von Islands und Ex-Sister-Suvi-Bandkollege von Merrill Garbus aka tUnE-YarDs, steckt voller feiner Lo-Fi-Noisepop-Perlen, die ein wenig so klingen, als würde Ian Curtis noch unter uns weilen und gemeinsam mit TV on the Radio Musik machen: Tolle Baritonstimme gepaart mit Hammer-Basslines und genialen Grooves – kurzum: ein Wahnsinnsdebüt.
#3 Moddi - Floriography
Nachdem meine Hoffnungsträger aus dem vergangenen Jahr 2011 allesamt wundervolle Debüts ablieferten, fällt es schwer, sich hier nur für einen der drei Herren zu entscheiden. Letztendlich schiebt sich der Norweger Moddi jedoch knapp, aber eindeutig an seinen Singer/Songwriter-Kollegen Ben Howard und James Vincent McMorrow vorbei, weil sein musikalisches Kleinod "Floriography" insgesamt einfach noch ein wenig atmosphärischer, dynamischer und vor allem organischer auf mich wirkte. Und wenn Moddi Recht behalten sollte und seine Lieder wirklich mit jedem Winter noch ein wenig wachsen, wäre das endlich mal ein Grund, sich jedes Jahr aufs Neue über den Einbruch der kalten Jahreszeit zu freuen. | zur Hörprobe in der Videogalerie
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Willi S. meint:
#1 EMA - Past Life Martyred Saints
Was musikalische Neuentdeckungen anbelangt, hielt 2011 für mich im Vergleich zu den Vorjahren eine eher als bescheiden einzustufende Auswahl parat. Eine gewisse Dame namens Erika M. Anderson, kurz EMA, schaffte es allerdings mühelos, mir mit ihrem ersten Album komplett die Sprache zu verschlagen. Dank der unverblümten Direktheit ihrer Lyrics und der sperrig-rohen Klänge ihrer E-Gitarre traf dieser mit Abstand hellste Stern am Newcomer-Himmel genau meinen Musiknerv.
#2 Givers - In Light
Mal ehrlich, was wäre das Musikjahr ohne dieses eine luftig-leichte Sommeralbum, das zwar nicht unbedingt mit Komplexität punkten kann, aber dafür gute Laune en masse versprüht? In meinem Fall hat diesen Zweck "In Light" von dem an die jungen Dirty Projectors erinnernden Indie-Pop-Quintett Givers erfüllt. Bei so viel jugendlicher Naivität und Verspieltheit fällt es schwer, sich nach Abklingen des letzten Tons das Dauergrinsen aus dem Gesicht zu wischen. | zur Hörprobe in der Videogalerie
#3 Liz Green - O, Devotion!
Bei meinem drittliebsten Debütalbum des Jahres ist es eigentlich kaum vorstellbar, dass es sich tatsächlich um ein solches handelt. Vielmehr klingt Liz Greens "O, Devotion!" so, als hätte man zufällig eine alte, verstaubte Schallplatte aus dem Fundus der Großeltern hervorgekramt, die mit einer zeitlosen Mischung aus Jazz-, Blues-, Folk- und Chanson-Elementen auch Jahrzehnte später noch restlos zu begeistern weiß. Ähnlich überzeugend bringen das heutzutage nur Sharon Jones and the Dap-Kings zustande. | zur Hörprobe in der Videogalerie
Micha S. meint:
#1 Caro Emerald – Deleted Scenes from the Cutting Room Floor
Die einzige, die Jazz und Swing in modernen Sound mischt, ist Caro nicht. Aber Mambo und Tango als deutlich hörbare Einflüsse und Fundamente von Popsongs ist mal was Neues. Das lässt aufhorchen, das ist erfrischend und das macht daher Spaß. Zwölf Perlen voll Charme, Lässigkeit und Feuer, die Gott sei Dank nicht, wie der Titel sagt, aussortiert wurden.
#2 Selah Sue – Selah Sue
Das Platindebüt der Flämin schafft die Verschmelzung des modernen Reggaes von Nneka, den rauen Sounds von Erykah Badu, Lauryn Hills Verspieltheit und der dreckigen Soulstimme von Amy Winehouse. Die begabte Singer/Songwriterin hinterlässt gleichzeitig aber den Eindruck, dass sie mit fingerfertigen Mentoren an der Seite nach munterem Vergleichen nie dumm dastehen wird, sondern selbst Maßstäbe setzen und Vorbild werden kann. | zur Hörprobe in der Videogalerie
#3 Toby Mac – Christmas in Diverse City
TobyMac ist mit 12 Millionen CD-Verkäufen ganz klar falsch in dieser Kategorie, seine Band jedoch nicht. Und der übergibt er nach sechs gewohnt starken Tracks Mikrophon und Produktionsstuhl. Einzeln stellen sie neue und umgestylte Weihnachtslieder vor und veranschaulichen so ihre musikalischen Wurzeln und Vorlieben – nicht immer auf dem gleichen Niveau, oft aber in herausragenderer Weise als der Altmeister selbst. Mit der Diverse City Band macht Weihnachten richtig Spaß.
Maria Gruber meint:
#1 James Blake - James Blake
Dem kreativen Schaffensprozess eines James Blake scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Neben zwei EPs – mit je über 20 Minuten an Songmaterial – veröffentlichte der Brite 2011 auch endlich sein erstes Studioalbum, dem man spätestens nach dem überragenden Feist-Cover "Limit To Your Love" entgegenfieberte. Tatsächlich gelingt es Blake mit dieser Platte, das Genre des Dubstep auf eine neue Ebene zu heben und mit Elementen aus Soul und Electronica so zu kombinieren, dass er unverkennbar seinen eigenen Stil entwickelt. Die Lobeshymnen auf Mr. Blake sind daher auf jeden Fall gerechtfertigt. (P.S.: Für meine alternative Nummer 1, siehe die Nominierung von Cloud Controls "Bliss Release" meiner Kollegin Paulina.)
#2 The Head and the Heart - The Head and the Heart
Das in Seattle beheimatete Label Sub Pop ist bekannt für seinen guten Instinkt und hat dies vor allem in den letzten Jahren durch Vertragsschließungen mit Bands wie The Shins, den Fleet Foxes oder den Foals eindrucksvoll bewiesen. Mit The Head and the Heart gesellt sich eine weitere Band hinzu, die mit ihrem Debüt ein sagenhaft schönes Folkrock-Album kreiert hat. Lieder wie "Lost in My Mind", "Down in the Valley" und vor allem "Rivers and Roads" sind beste Beweise für das immense Talent, das diese Band besitzt. Und wer die Aufnahmen ihrer Konzerte beim SXSW Festival 2011 gesehen hat, der weiß: The Head and the Heart muss man einmal live gesehen haben.
#3 James Vincent McMorrow - Early in the Morning
Denkt man an irischen Folk, so wird einem natürlich erstmal der Name Damien Rice einfallen. Seinem Landsmann James Vincent McMorrow jedoch gelang es dieses Jahr, das wundervolle Album "Early in the Morning" herauszubringen, das die irische Musikpresse gleich dazu veranlasste, McMorrow als irischen Bon Iver anzupreisen. Ob das der Fall ist, sei dahingestellt, doch McMorrow braucht sich wirklich vor keinem Vergleich, weder mit Rice noch mit Bon Iver, zu scheuen: "Early in the Morning" gehört ins Regal eines jeden Folk-Fans. | zur Hörprobe in der Videogalerie
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Ameli H. meint:
#1 Emily's Army - Don't be a Dick
Manchmal braucht man Musik, die einfach nur Spaß macht. Nichts Tristes, nichts Todernstes, nichts, was bei "Grey's Anatomy" als Hintergrundmusik benutzt werden könnte. Da ist eine Teenage-Pop-Punk-Band aus Kalifornien doch genau das Richtige. Eine CD des Albums gibt es nicht und wenn man die LP auf der Label-Seite im Internet bestellt, kommt die Schallplatte im quietsch-hellen bananengelben Vinyl. Passend locker und total zwangfrei dazu sind die Lieder wie "Broadcast This", "Asslete" oder die "Cover-Version" eines alten schottischen Volksliedes namens "Loch-Lomond".
Mark Jürgens meint:
#1 The Horrible Crowes – Elsie
Dass Brian Fallon einer der besten Musiker seiner Generation ist, hat der Mann aus New Jersey in den letzten Jahren mit seinen Mitstreitern bei The Gaslight Anthem ausgiebig unter Beweis gestellt. Dass er neben dem hymnischen Springsteen-Punk auch anders kann, zeigt er auf dem Debütalbum seines Projektes The Horrible Crowes eindrucksvoll. Mit Hilfe von Kumpel und Gitarrentechniker Ian Perkins hat Fallon eine Sammlung an Songs aufgenommen, die allesamt seine Handschrift tragen, aber im Gegensatz zum Gaslight-Material weitaus düsterer und weniger Rock sind. Songs wie das grandiose "Go Tell Everybody" leben von Fallons inbrünstigem Gesang, der durch Musik irgendwo zwischen Tom Waits, Bruce Springsteen und Nick Cave unterlegt wird. Im Vergleich zu den Gaslight Anthem-Alben wirkt Fallons Stimme dunkler, rauer und um einiges besser. Im Endeffekt ein wunderschönes, düsteres Stück Musik, dass man eigentlich jedem empfehlen kann.
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