Bewertung

Review: #4.10 Nachricht von Keith

Da denkt man, man hätte "One Tree Hill" nach dreieinhalb Staffeln mittlerweile im Griff, könnte abschätzen, welches Gefühlskarussell einen erwartet, aber dann kommt eine Folge wie diese und überrascht einen wieder komplett aufs Neue! Ich gebe Annika in ihrer Review der vorangegangenen Folge vollkommen recht, #4.09 Some You Give Away war auch meiner Ansicht nach die beste Folge der bisherigen Staffel, aber das war erst der Anfang und ehe man sich versieht, zieht einen die märchenhafte #4.10 in ihren Bann und stellt mit ihren Ideen, ihren Emotionen, ihren Darstellern und ihrem Soundtrack wieder alles vorherige in den Schatten.

Have you ever wondered what marks our time here? If one life can really make an impact on the world? Or if the choices we make matter?

Wir erleben noch einmal ein Nahtoderlebnis einer der beiden Scottbrüder, doch One Tree Hill liefert uns hier keine Neuauflage der Folge #2.20 What could have been, als Nathan im Koma liegt und sich selbst in Lucas’ Leben wiederfindet, wir finden uns mit Lucas nach seinem Herzinfarkt in einer Zwischenstation wieder. Er ist noch nicht tot, aber kann sich inmitten seiner Mitmenschen bewegen, ohne dass sie ihn sehen oder hören. Er stellt sich selbst vor die Frage, auf welche Seite er überwechseln will. Ist er im Leben seiner Liebsten ein so bedeutender Bestandteil, dass ihr Leben durch ihn besser wird oder wären sie ohne ihn besser dran? Um diese lebensnotwendige Entscheidung zu treffen, wird ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein Geschenk des Himmels zu Seite gestellt: sein verstorbener Onkel Keith nimmt sich seiner an und leitet ihn auf seiner Suche nach Antworten. Diese Idee ist sicher nicht neu, aber wo Serien wie "Ghost Whisperer" leicht dazu tendieren, ins Pathetische zu gleiten, bleibt "One Tree Hill" seinem Erzählstil treu und lässt Lucas seinem Onkel nicht selten mitteilen "You suck at this!", wenn er ihm auf allzu philosophische Fragen auf das Leben nach dem Tod keine Antworten geben kann.

I didn't come here to make you believe in me. I came here to make you believe in you.

Während Keith Lucas nun also durch die Episode begleitet und ihm zeigt, wie das Leben aussieht, in dem Lucas für seine Freunde und Familie da ist, so kann er ihm zusätzlich eine neue Perspektive bieten, indem er ihn parallel in eine Welt führt, wie sie ausgesehen hätte, wenn Lucas ein schlechterer Mensch gewesen wäre. Durch diese Szenen werden alle großen Meilensteine der gesamten bisherigen Serie miteinander verflochten, was in beeindruckender Weise zeigt, welche Konsequenzen das Handeln jedes einzelnen Menschen auf den Verlauf des Lebens seiner Mitmenschen hat. Daraus entsteht ein komplexes Netzwerk, in dem alle unsere mehr oder weniger liebgewonnenen Charaktere miteinander verbunden sind und ihre Leben wie ein Dominospiel aufeinander aufbauen. Als Zuschauer wird einem dadurch die Gelegenheit geschenkt, erneut die jeweils empfundenen Emotionen zu durchleben und die Hoffnung aufflammen zu lassen, dass gewisse in der Luft hängende Ereignisse noch zu einer Auflösung kommen.

So sehen wir in dieser Parallelwelt eine Brooke, komplett in schwarz gekleidet, einsam auf dem Schulhof sitzen, die soviel Wut in sich trägt, dass sie Lucas nur anschreit, als er versucht sie zu fragen, was mit ihr passiert sei. Später führt Keith Lucas an Peytons Grab und erklärt ihm, dass Peyton bei dem Geiseldrama in der Schule damals verblutet wäre, wenn er sie nicht gerettet hätte, und Brooke gäbe sich die Schuld dafür.

Dann führt Keith Lucas in den Plattenladen von Tree Hill, wo ein völlig verstörter Nathan nach Haley James’ neuem Album fragt und es zertrümmert, als er es bekommt. Wiederum erklärt Keith, dass Haley damals ihre Tour nicht abgebrochen hätte, wenn Lucas sie nicht besucht und gebeten hätte, nach Hause zu kommen.

The next time you think being the best version of yourself dosen't matter you look into Peyton's eyes and everytime you do you'll know that it has and that it does.

Bei einem weiteren Besuch auf dem Friedhof zeigt Keith Lucas eine Frau, die an Lucas’ eigenem Grab steht. Wenn er sich nun nach seinem Herzinfarkt nicht dafür entscheiden sollte, in sein Leben zurückzukehren und für seine Liebsten da zu sein, dann hätte Peyton zwar ein gesundes Leben vor sich, aber sie würde Lucas nie ganz loslassen können. Es hat drei Staffeln und Jahre gedauert, bis Lucas und Peyton eine zweite Chance für ihre Liebe bekommen haben und daher finde ich es wunderbar romantisch, dass Lucas seine Entscheidung ins Leben zurückzukehren aufgrund dessen fällt, dass er Peyton sagen will, dass er sie liebt.

Open your eyes Luke, open your eyes the way you opened your heart.

Wiederholt führt Keith Lucas in den Schulflur, in dem seine und Jimmys Leichen liegen. Lucas wehrt sich gegen diesen Anblick, er will noch immer nicht glauben, was damals passiert ist. Keith versucht ihm eindringlich klarzumachen, dass er es auch nicht glauben soll. Er soll auf sein Herz hören. Als es kurz vor Ende der Episode zum Abschied zwischen Keith und Lucas in Keiths alter Werkstatt kommt, waren bei mir wirklich alle Schleusen geöffnet. Fast eine ganze Staffel mussten wir warten, um uns gebührend von einem wunderbaren Charakter wie Keith verabschieden zu können. Aber das Warten hat sich gelohnt, denn vielleicht gibt Keith ja nicht nur Lucas mit auf den Weg, dass kein Abschied für immer ist. Als Lucas am Schluss der Folge wieder erwacht, hat er einen wissenden Ausdruck auf dem Gesicht. Ich bin gespannt, was das zu bedeuten hat!

There has to be a miracle left for her.

Nathan steckt in der völlig verzweifelten Lage, da sowohl seine Frau als auch sein Baby in Lebensgefahr schweben. Haley hat sich aus Reflex für Nathan geopfert, als sie das Auto auf sich zurasen sah. Zu dieser Situation wäre es nie gekommen, wenn Nathan sich und seine Familie nicht erst in diese Gefahr gebracht hätte, allerdings hätte diese Situation ebenso verhindert werden können, wenn Dan ein anderer Mensch gewesen wäre und Nathan bei seinen Geldsorgen zur Seite gestanden hätte. Dan opfert sich nun wiederum für seinen Sohn, nimmt die Schuld am Tod Dauntes auf sich und landet im Gefängnis. Meines Erachtens ist dies aber auch ein sehr zweischneidiges Schwert, denn ich denke nicht, dass Nathan Daunte mit ein paar Faustschlägen umgebracht hat, dafür dürfte eher ein Genickbruch beim Unfall der Auslöser gewesen sein. Dan hat damit die Liebe seines Sohnes zurückerobert, ihm gleichzeitig aber auch ein schlechtes Gewissen eingeimpft, und wie wir Dan Scott kennen, dürfte das nicht völlig uneigennützig geschehen sein.

I forgive you! - Take it back!

Zugegebenermaßen hat Paul Johansson mich aber auch schon wieder um den Finger gewickelt. In der Szene, als er Visionen von Keiths Geist in seiner Zelle hat, hatte ich Mitleid mit ihm. Er ist kein gewissenloser Mensch, ganz im Gegenteil, seit er seinen Bruder ermordet hat, schickt sein schlechtes Gewissen ihm dessen Geist in Kindergestalt, und er kann dagegen nicht das Geringste ausrichten. Als ihm in seiner Zelle nun der erwachsene Geist Keiths gegenübersteht und das völlig Unerwartete tut, nämlich ihm vergibt, rastet Dan vollkommen aus. Für ihn ist so etwas wie Vergebung so fremd, dass man den Eindruck hat, dass ihn diese Worte Keiths umbringen. Meines Erachtens ist dies eine Verbildlichung von Dans eigenem schlechten Gewissen, das ihm sagt, dass er sich selbst vergeben muss, weil es ihn sonst umbringt.

Like before is gone...

Brooke und Peyton haben in dieser Folge auch einige bewegende Szenen, sie halten in dieser Extremsituation, in der das Leben ihrer Freunde auf dem Spiel steht, zusammen, doch Brooke erinnert Peyton daran, dass sie sich weiterentwickelt haben und nicht mehr die Freundinnen sein können, die sie mal waren. In einem Parallelschnitt werden beide dann wiederum an den Krankenhausbetten gezeigt, wie ihre Gedanken der jeweils anderen gelten. Wir sehen gleichzeitig im Bild wie Peyton Haley bittet aufzuwachen, um Brooke eine Freundin zu sein, während Brooke mit den gleichen Worten Lucas bittet, wach zu werden, um für Peyton da zu sein.

It’s gonna be ok, Nathan, just breathe.

Peyton ist es dann auch, die Nathan aus der Krankenhauskapelle holt, um ihm zu sagen, dass Haley aufgewacht ist. Als die beiden dann über Ultraschall den Herzschlag ihres Babys hören dürfen, weint Haley hemmungslos drauf los und mir ging es ganz genauso wie ihr! Als dann ebenso Lucas Herz wieder zu schlagen beginnt, sehen wir eine weitere Parallele, Keith schickt ihm aus dem Jenseits die Ermutigung, wieder zu atmen. Genau dieselben Worte schickte er auch Nathan, nicht nur, als er Cooper und Rachel aus der versunkenen Limousine rettete, sondern auch, als Nathan verzweifelt in der Kapelle für seine Frau und sein Baby betete. Keith steht also nicht nur dem Neffen zur Seite, den er wie einen Sohn hat aufwachsen sehen, sondern auch seinem anderen Neffen in gleichem Maße.

Do you take the non believers, cause i'm a non believer

Dass Mark Schwahn, der "One Tree Hill"-Erfinder, diese herausragende Folge selber geschrieben hat und sie ebenso auswählte, um darin selber aufzutauchen, ist für mich kein Wunder. Er taucht als Plattenverkäufer auf und gibt einer beinahe hoffnungslosen Peyton mit auf den Weg, ihre Zuversicht nicht aufzugeben, denn dafür sei sie noch viel zu jung. Er schenkt ihr ein Album und weist sie auf den Song "Non Believer" hin, der sie darin unterstützen soll. Dieser Song begleitet uns durch die ganze Folge und wird damit zum heimlichen Soundtrack des Flechtwerks das die Leben der Hauptcharaktere miteinander bilden.

Nicole Oebel - myFanbase

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