11.22.63 - Der Anschlag: Review des Piloten
#1.01 The Rabbit Hole

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Mit Stephen-King-Verfilmungen ist es immer so eine Sache. Es gibt nur wenig wirklich gute Adaptionen seiner Geschichten und Romane und wenn man sich einmal das letzte Werk ansieht, dass den Weg ins Fernsehen gefunden hat, dann kommt man nicht umher mit den Augen zu Rollen, wenn man hört, dass mal wieder Jemand versucht, Kings Werk irgendwie in eine serialisiertes Format zu pressen.

Die besten Verfilmungen von King basieren jedoch allesamt auf Büchern, die wenig bis gar nichts mit dem Horrorgenre zu tun haben. "Die Verurteilten" ist eher im Dramabereich angesiedelt, der Streifen "Green Mile" ebenso. Natürlich hat vor allem Letzterer definitiv eine übernatürliche Komponente, doch es sind eben keine klassischen Stephen-King-Horrorgeschichten. Auch der Roman "Der Anschlag" ist keine Horrorgeschichte und vielleicht muss man es eben diesem Umstand schulden, dass die erste Episode der darauf basierenden TV-Serie durchaus gelungen inszeniert wurde.

"I need you to do what I couldn't. I need you to go back there to prevent the assassination of John F. Kennedy."

Die Prämisse der Serie ist binnen einer halben Stunde abgehandelt. Ein junger Lehrer steht gerade vor dem Scherbenhaufen seines Privatlebens, als seine Frau im Diner auftaucht und ihm die Scheidungspapiere unter die Nase hält. Es ist eigentlich gar nicht wichtig für den Fortlauf der Handlung, was zwischen den beiden steht, sondern vielmehr nur, dass Jake Epping (James Franco) nur noch wenig hat, was ihn an seinem aktuellen Leben hängen lässt. Er ist ein engagierter Lehrer, der sich vor allem mit Erwachsenenbildung beschäftigt und dabei unter anderem den Benachteiligten Mut machen will, an sich zu glauben, mehr braucht man primär erst einmal nicht über Epping zu wissen.

Kurz nachdem Jake von seiner Frau verlassen wurde, bemerkt er, wie der Diner-Besitzer Al Templeton (Chris Cooper) ganz plötzlich stark hustend zusammenbricht und während er ihm helfen will, erfährt er von diesem, dass er immer wieder durch einen mysteriösen Schrank im Diner in die Vergangenheit reißt. Natürlich klingt das ziemlich weit her geholt und Jake ist auch erst einmal skeptisch, doch als Templeton ihn dazu drängt, durch das Portal zu geben, ist Jake überrascht, sich tatsächlich im Jahre 1960 wiederzufinden.

Zeitreisen sind natürlich per se selten logisch und so sind auch die Regeln, die Templeton später Jake erklärt, sehr willkürlich. So kann man immer nur an einen bestimmten Zeitpunkt in den 60er Jahren reisen. Alle Änderungen, die man in dieser Zeitlinie vornimmt, verschwinden wieder, sobald man zurückgekehrt ist und danach noch einmal durch das Portal getreten ist und egal wie viel Zeit man in der Vergangenheit verbracht hat, in der Gegenwart sind nur zwei Minuten vergangen. Woher das Portal kommt, was es genau ist und warum es gerade in die 60er Jahre führt, das wird alles nicht geklärt, aber das ist ja auch eigentlich eher zweitranging. Templeton hat nämlich eine Mission – er will die Erschießung Kennedys verhindern, denn für ihn war diese Tat ein großer Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte, ohne die es viele Katastrophen vielleicht nicht gegeben hätte, weil die USA frühzeitig den Vietnam-Konflikt beigelegt hätten. Ob das alles realistisch ist, sei mal dahin gestellt, doch Templeton ist so leidenschaftlich in seiner Argumentation, dass er am Ende auch Jake überzeugen kann, dass es eine gute Idee ist, den Anschlag zu verhindern.

"You see, the past doesn't want to be changed. There are times when you feel it push back, you know? You feel it."

Jake reist also in die Vergangenheit, ausgestattet mit sämtlichen Informationen, die Templeton bei seinen Besuchen in der Vergangenheit zusammengetragen hat und schnell wird klar, dass sich der Anschlag am besten verhindern ließe, wenn man wüsste, was eigentlich den angeblichen Schützen, Lee Harvey Oswald, zu der Tat getrieben hat und ob eventuell tatsächlich die eigene Regierung damit zu tun haben könnte.

Jakes erste Gehversuche in den 60er Jahren sind wirklich gelungen. Das Setting, die Stimmung und die Musik sind hervorragend gewählt und erzeugen ein wirklich authentisches Bild der damaligen Zeit. Viel Zeit wird jedoch nicht damit verschwendet, den Protagonisten erst einmal die Welt entdecken zu lassen, schließlich hat er eine Mission.

Während sich die erste Hälfte des Piloten viel mit dem Setup beschäftigt und einige grundlegende Dinge klärt, wird es in der zweiten Hälfte erst richtig interessant, als Jake notgedrungen seiner Heimatstadt den Rücken kehrt, um sich an die Arbeit zu machen. Binnen weniger Stunden schafft er es, tatsächlich herauszufinden, dass Al Templeton mit seinen Vermutungen Recht haben könnte und Lee Harvey Oswald tatsächlich nur ein Strohmann war und viel mehr hinter dem Anschlag auf den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten steckt. Es ist also durchaus spannend mitanzusehen, wie Jake allmählich selbst erkennt, dass sich viel mehr hinter dem Anschlag steckt, als man zunächst vermuten könnte. Dabie bekommt er nur sehr rudimentär mit, dass tatsächlich die CIA irgendwie in das Ganze involviert zu sein scheint.

Doch es ist nicht nur das große Ganze, das in der ersten Episode zu überzeugen weiß. Nachdem klar wird, dass es nicht so einfach wird, einfach mal eben einen Anschlag auf den mächtigsten Mann der damaligen Zeit zu verhindern, da bekommt Jake Panik und beschließt, das ganze Unterfangen erst einmal ad acta zu legen. Wie von Al Templeton gewarnt, will die Vergangenheit manchmal einfach nicht geändert werden und wehrt sich gegen irgendwelche Änderungen. Jake muss dies erfahren, als er nach seinem kleinen Ausflug in sein neu gewähltes Zuhause kommt und dieses bis auf die Grundmauern abgebrannt ist, was ihm nur noch wenige der Informationen zurück lässt, die Templeton während seiner Ausflüge zusammengetragen hat. Dass ihm angesichts der Erlebnisse unwohl ist, weiter zu machen und er lieber den Rückzug antritt, ist nachvollziehbar und in Ordnung. Schließlich weiß er nicht, was alles noch auf ihn wartet und ob es tatsächlich eine bessere Zukunft verspricht, die Ermordung Kennedys zu verhindern.

An einer Kreuzung mitten im Nirgendwo jedoch überlegt Jake es sich anders und beschließt, wenigstens etwas kleines an der Vergangenheit zu ändern und einem seiner Schüler zu helfen, so dass ein traumatisches Erlebnis, das diesen sein ganzes Leben lang gezeichnet hat, ihn nicht zu dem macht, was er in der Gegenwart geworden ist.

Als Zuschauer mag man vielleicht ein wenig Probleme damit haben, dass mit dem Tod von Kennedy die Welt quasi zu Grunde geht, so dass die Autoren der Serie gut daran tun, Epping auf eine kleine, persönliche Mission zu schicken. Es sind die kleinen Dinge, die die Zuschauer überzeugen und in ihren Bann ziehen und auch wenn wir die Geschichte von Harry, dem traumatisierten und glücklosen Hausmeister nur kurz angerissen bekommen, ist es wesentlich besser nachvollziehbar, dass Jake sich aufmacht, dessen Leben zu ändern, als loszuziehen, um die Welt zu retten. Vielleicht wird hier noch etwas passieren, das Jake zeigt, dass Templeton recht haben könnten, so dass das übergeordnete Ziel wieder mehr in den Fokus rückt. Doch vorübergehend wäre ich auch damit zufrieden, zu sehen, wie Jake um ein besseres Leben seines Schützlings kämpft.

Randnotizen

  • Nicht nur die Hauptfiguren, auch die Nebendarsteller wissen in der ersten Episode zu überzeugen. Vor allem Leon Rippy macht in seinen wenigen Szenen eine gute Figur, so dass man gut nachvollziehen kann, weswegen Jake am Ende beschließt, dessen Leben zu verändern.
  • Sehr spannend ist auch die Tatsache, dass Jake bei seinen Besuchen in der Vergangenheit immer wieder auf einen Mann trifft, der ihn anschaut und sofort zu wissen scheint, dass er nicht in diese Zeit gehört. Er spricht Jake ja mehrmals darauf an, doch Jake ignoriert ihn. Ich bin gespannt, was es mit ihm auf sich hat.


Fazit

Der Pilot von "11.22.63 - Der Anschlag" bietet einen klasse Einstieg in die Serie, verpackt enorm viel Information und schafft es doch, den Zuschauer nicht zu überfordern. Dennoch geht es mit großen Schritten voran und man deckt binnen 90 Minuten einen enormen Teil des zu Grunde liegenden Buches ab, was angesichts der Tatsache, dass es sich bei "11.22.63 – Der Anschlag" um eine achtteilige Miniserie handelt, auch in Ordnung ist. Ich bin gespannt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt und ob man am Ende wirklich den Mut dazu hat, die Serie nach wirklich nach acht Episoden zu beenden und nicht bis ins Unendliche zu verlängern.

Melanie Wolff - myFanbase

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