Alphas - Review Staffel 1

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Menschen mit besonderen Fähigkeiten in Serie zu schicken, ist wahrlich kein neues Konzept: "4400 - Die Rückkehrer" (2004 - 2007), "Heroes" (2006 - 2010), "My Superhero Family" (2010 - 2011) und "Haven" (seit 2010) sind nur einige Beispiele dafür. Sie alle haben gemeinsam, dass 'normale Menschen' übernatürliche Fähigkeiten besitzen, die sie von den anderen Menschen in der Gesellschaft abgrenzen. Auch "Alphas" arbeitet genau nach diesem Prinzip, erfindet das Rad somit keineswegs neu, schafft es jedoch vor allem durch die einzelnen Charaktere und die Dynamik selbiger untereinander, sich einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken.

"I told you we ask the questions, respect the badge."

In der Serie begleiten wir ein Team von Alphas - wie die Menschen mit außergewöhnlichen körperlichen oder mentalen Fähigkeiten genannt werden -, welches von dem Neurologen und Psychiater Dr. Lee Rosen (David Strathairn) geleitet wird, der jedoch selbst kein Alpha ist. Dr. Rosen weiß um die Existenz von Alphas bereits seit Jahrzehnten, arbeitet eng mit der Regierung zusammen und dient den Alphas als Therapeut, damit diese lernen sich und ihre Fähigkeiten besser zu verstehen. Mittlerweile hat sich Dr. Rosen jedoch von seiner eigentlich Arbeit für die Regierung zurückgezogen und leitet ein Team von vier Alphas, die keine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen, sondern diese vielmehr mit ihren Fähigkeiten unterstützen und andere Alphas aufspüren, die ihre Kräfte für Verbrechen einsetzen.

Zum einen ist dies Nina Theroux (Laura Mennell), die die Fähigkeit besitzt Menschen ihren Willen aufzuzwingen, wenn sie diese berührt. Nina hat ihre Fähigkeiten einst nur zu ihrem Vorteil ausgenutzt, bis es zu einem Zwischenfall kam, der ihr Leben völlig aus der Bahn geworfen hat. Seither arbeitet sie eng mit Dr. Rosen zusammen und scheint trotz der Therapiestunden bei ihm, weniger eine Angestellte als vielmehr eine Gleichgestellte im Team zu sein. Ihren extravaganten Lebensstil, der ihr durch ihre Fähigkeit ermöglicht wird, legt sie jedoch nicht ab. Zu Beginn der Serie ist Nina definitiv derjenige Charakter, auf den man sich am wenigsten als Zuschauer einlassen kann, da sie kaum Ecken und Kanten zu haben scheint, man ihre Geschichte erst relativ spät in der Serie erfährt und sie auch innerhalb der Gruppe vorerst nur diejenige Person ist, die erst dann zum Einsatz kommt, wenn alle anderen Fähigkeiten nicht auszureichen scheinen. Zwar legt sich dies immer mehr zum Ende der ersten Staffel hin, da ihr vor allem in der Episode #1.07 Catch and Release durch ihre Interaktion mit Skylar Adams (Summer Glau) mehr Tiefe verliehen wird, jedoch können die anderen Charaktere den Zuschauer einfach mehr fesseln.

Neben Nina gehört auch Rachel Pirzad (Azita Ghanizada) zum Team, deren fünf Sinne enorm ausgeprägt ist. So kann sie bspw. auf einen Sinn konzentrieren und ihre anderen dafür vollkommen ausblenden. Im Team ist sie dadurch eine ausgezeichnete Forensikerin, die oftmals auf die entscheidenden Hinweise kommt, um die Fälle zu lösen bzw. zumindest deutlich voran zu treiben. Bei Rachel bekommen wir, wie bei sonst keinem Alpha im Team, die negativen Seiten ihrer Fähigkeit zu spüren, was ihren Charakter unglaublich interessant macht. Ihre Eltern halten sie für vollkommen abnormal und schämen sich für die Fähigkeiten ihrer Tochter, was mitunter daran liegt, dass sie ein absolutes Verlangen nach Reinlichkeit entwickelt hat. Auch bei der Suche nach einem Partner, sind Rachels Fähigkeiten ihr eher ein Hindernis als eine Bereicherung. Azita Ghanizada, die in "Alphas" erstmals eine Hauptrolle inne hat, schafft es durchweg die Zerbrechlichkeit und Sonderbarkeit von Rachel zu verkörpern, sie gleichzeitig jedoch auch stetig an ihren Erfahrungen und Erkenntnissen wachsen zu lassen.

Foto: Ryan Cartwright - Copyright: Ryan Cartwright
Ryan Cartwright
© Ryan Cartwright

Die Krönung des gesamten Casts ist definitiv Ryan Cartwright mit seiner Darstellung des autistischen Gary Bell. Gary hat die Fähigkeit alle elektromagnetischen Strahlungen optisch wahrzunehmen, auszuwerten und demnach nutzen zu können. Gary lebt allein mit seiner Mutter, die ihr bestmögliches tut, um Garys Leben die nötige Routine zu verleihen und vorerst nichts von den gefährlichen Missionen ahnt, an denen Gary im Team von Dr. Rosen teilnimmt. Im Team kann sich Gary nur schwerlich integrieren, jedoch stellen die anderen sich zum einen immer mehr auf ihn ein, lassen ihm andererseits aber auch nicht alles durchgehen, sodass er erstmals wirkliche Freunde findet, die nicht den Autist in ihm sehen, sondern einen Partner, der entscheidend fürs Team ist. Den Autoren und gleichermaßen Ryan Cartwright kann man nur ein Kompliment für diesen Charakter aussprechen, der so liebenswürdig, kompliziert, witzig und sympathisch ist, dass er ohne Zweifel der entscheidende Faktor ist, warum die Serie so unglaublichen Spaß macht.

Das vierte Mitglied im Team stellt Bill Harken (Malik Yoba) dar, der zu Beginn eher negativ aufgefallen ist, dann aber vor allem durch seine Interaktion mit Gary immer sympathischer wurde. Bill ist FBI-Agent, der erst kürzlich seine Fähigkeit entdeckt hat, nämlich übernatürlich Stärke. Bei einem Wutausbruch gegenüber einem Kollegen hat sich seine Stärke erstmals gezeigt und Bill wurde suspendiert und wartet auf seine Disziplinarverfahren in der Hoffnung seinen alten Job zurück zu bekommen. Derweil ergänzt er das Team und hilft oftmals weniger mit seiner Fähigkeit als vielmehr mit seiner Erfahrung als FBI-Agent die Fälle zu lösen. Zwar wächst einem Bill von Episode zu Episode immer mehr ans Herz (vor allem in #1.06 Bill and Gary's Excellent Adventure), jedoch leidet Bill am meisten an der teilweise unbeständigen Erzählweise der Autoren.

Das letzte Teammitglied wird schließlich im Piloten gefunden: Cameron Hicks (Warren Christie), der noch nichts von seinen Fähigkeiten ahnt. Warren Christie stellt Cameron ohne Frage wunderbar dar und hat eine tolle Ausstrahlung, doch leider ist er gleichermaßen der Charakter, bei dem am meisten Potenzial verschenkt wurde. Alleine die Entwicklung seiner Fähigkeiten geht relativ schnell von Statten, mit nur wenigen Schwierigkeiten. Die Integration ins Team klappt eigentlich wunderbar, wird dann aber in #1.10 The Unusual Suspects unvorhergesehen plötzlich in Frage gestellt. Die Einführung seines Sohnes wird nur marginal behandelt, obgleich dies einige interessante Aspekte, vor allem auch durch Bills Familiengeschichte, aufwerfen könnte, und seine Liebelei mit Nina deutet sich zwar im Piloten schon an, kommt dann jedoch auch ein wenig zu plötzlich und wird alles andere als interessant umgesetzt. Man kann nur hoffen, dass sich dies in der zweiten Staffel legt, denn es wäre zu schade, wenn Warren Christies Fähigkeit diesen Charakter konstant interessant zu verkörpern an den fehlenden Bemühungen der Autoren scheitert.

"All Alpha skills come with a downside Cameron."

Trotz einiger Schwächen in der Charakterzeichnung, ist die Dynamik der Hauptcharaktere die enorme Stärke der Serie, welche die Zuschauer kontinuierlich am Ball bleiben lässt. Auch die Fälle der Woche sind größtenteils interessant umgesetzt, werfen immer wieder Fragen auf, ob die Methoden der Regierung in Bezug auf die Alphas ein sinnvolles Mittel sind, ob manche Handlungen der Alphas nicht einfach nur ein Produkt aus dem Umgang mit selbigen sind und auf welcher Seite man selber stehen würde, wenn man ein Mensch mit außergewöhnlichen Fähigkeiten wäre. Betrachtet man die einzelnen Episoden, fällt eigentlich nur #1.08 A Short Time in Paradise mit Gaststar Garret Dillahunt negativ auf, auch wenn die Episode gleichzeitig interessante Aspekte aufweist, die sich auf die charakterliche Entwicklung der einzelnen Figuren auswirken.

Bei den übergeordneten Handlungssträngen enttäuscht die Geschichte um Binghampton leider ein wenig. Binghampton ist eine Einrichtung von der Regierung, in die Alphas geschickt werden. Auch Dr. Rosen hat vor Jahren in Binghampton gearbeitet und Alphas therapiert, sodass es aus seinen Erzählungen klingt, als wäre die Einrichtung mit einer Rehabilitationseinrichtung gleichzusetzen, in der Alphas dabei unterstützt werden mit ihren Kräften umzugehen, um sich wieder in die Gesellschaft integrieren zu können. Doch von Episode zu Episode wird diese positive Positionierung der Einrichtung immer mehr hinterfragt und es wird immer wieder angedeutet, dass die Alphas dort gefangen gehalten und sogar für wissenschaftliche Experimente benutzt werden. Vor allem in der äußerst sehenswerten Episode #1.02 Cause & Effect wird dies thematisiert und als Zuschauer erwartet man sogleich, dass Dr. Rosen dem auf den Grund geht und vor allem die Machenschaften von Nathan Clay (Mahershala Ali) beginnt immer mehr zu hinterfragen. Doch dies bleibt leider aus. Zwar werden immer wieder Andeutungen gemacht, aber ob es in Binghampton nun mit rechten Dingen zugeht oder die Regierung Experimente an den Alphas für ihre eigenen Zwecke durchführt, bleibt die gesamte Zeit ungeklärt. Es wäre dabei keinesfalls unspannend, wenn sich herausgestellt hätte, dass die Regierung letztlich doch unschuldig ist und die Andeutungen sich als Verschwörungstheorie der antagonistischen Bewegung Red Flag entpuppen. Doch eine Aufklärung dessen gibt es leider nicht, und richtige Zweifel der Arbeit des Teams für die Regierung kommen leider nur punktuell in der Serie vor. Man kann nur hoffen, dass dieser Handlungsstrang in der zweiten Staffel mehr Gewichtung bekommt und entsprechend deutlicher ausgearbeitet wird, denn ansonsten hat man hier unnötig ein enormes Potenzial der Serie verschenkt.

Ein weiterer fahler Beigeschmack der Serie ist die leider oftmals holprige Narration. Zu Beginn der Episoden wird man als Zuschauer oftmals einfach ins Geschehen geworfen, was teilweise sehr erfrischend sein kann, oftmals aber eher frustrierend ist. Man wird mit Tatsachen konfrontiert, die sich erst im Laufe der Episode aufklären, vorherige Ereignisse werden nicht ausreichend beendet, oder lediglich randständig behandelt. Dies beeinflusst vor allem den Charakter Bill, der so einige Situation durchlebt, die nie gänzlich aufgelöst oder zufriedenstellend erläutert, sondern nur angedeutet werden.

"Alphas exist. They are among us. They are our friends and our spouses. They are our sons and daughters. They are indeed us, and they are not going away."

Serien bewegen sich immer auf dem schmalen Grad zwischen Absetzung und Verlängerung. Gerade für Sci-Fi- und Mystery-Serien ist es entsprechend schwierig ein Staffelende zu konzipieren, welches sowohl als Staffelfinale, als zur Not auch als Serienfinale fungieren könnte. Also einerseits einen runden Abschluss für die Handlungsstränge zu finden und andererseits die Zuschauer durch etwaige Cliffhanger bei der Stange zu halten. Zwar war die Verlängerung von "Alphas" bereits vor der Ausstrahlung des Staffelfinales in trockenen Tüchern, dennoch hinterlässt das Finale einen zu gehetzten Eindruck. Die Machenschaften von "Red Flag" ziehen sich durch die gesamte erste Staffel und es war natürlich abzusehen, dass es zum ultimativen Aufeinandertreffen im Finale der ersten Staffel kommen wird. Schade dabei ist jedoch, dass man das Potenzial, dass eventuell einer 'unserer Alphas' sich auf die Seite von Red Flag stellt, bzw. sich Denkprozesse entwickeln, die sich weitreichender im Verhalten der Charaktere verwurzeln, als es in der Serie gezeigt wurde, vollkommen verschenkte. Gerade die Szenen, in denen sich die Hauptcharaktere mit ihren besonderen Fähigkeiten auseinander gesetzt haben, ihre Arbeit für die Regierung hinterfragt haben und Risiken eingegangen sind, um anderen Alphas zu helfen, waren in jeder Episode immer wieder die Highlights. Dass man dies nicht weiter verfolgte, und nun Red Flag quasi auch noch vollkommen auslöscht, hinterlässt leider einen bitteren Beigeschmack, was vor allem daran liegt, dass man den neuen Antagonisten erst im Finale enthüllt. Zwar gab es natürlich immer wieder marginale Andeutungen, dass da noch etwas kommen muss, jedoch hat man sich als Zuschauer eher auf das Gegenspiel von Regierung und Red Flag eingelassen und versucht, sich selbst eine Meinung zu bilden, auf wessen Seite man eher stehen kann.

Nichtsdestotrotz bildet das Finale natürlich einen spannenden Ausgangspunkt für die zweite Staffel. Die Karten werden höchst wahrscheinlich komplett neu gemischt werden, da das Team sicherlich (erst einmal) keinerlei Unterstützung mehr von der Regierung bekommen wird, nachdem Dr. Rosen sein öffentliches Statement abgeliefert hat. Und aus Erfahrung von anderen Serien, die das gleiche Grundthema wie "Alphas" haben, kann man jetzt schon davon ausgehen, dass das komplette Chaos herrschen wird, nun da die Gesellschaft über die Alphas informiert ist. Misstrauen, Feindseligkeit, Hass und Gewalt werden sicherlich auf der Tagesordnung stehen. Umso mehr kann man nur hoffen, dass der Zusammenhalt des Teams auch in der zweiten Staffel bestehen bleibt und sie auch ohne einen äußeren (regierungspolitischen) Rahmen ihre Fähigkeiten so einsetzen, wie bereits in der ersten Staffel.

Fazit

Die erste Staffel von "Alphas" hat definitiv ihre Schwächen, daran gibt es nichts zu rütteln. Doch hat man erst Zugang zu den Charakteren gefunden und lässt sich auf die Dynamik selbiger ein, dann wird man wunderbar unterhalten. Was der Serie größtenteils wirklich gelingt, ist die Verknüpfung von Procedural- und Serial-Elementen, da die Fälle der Woche immer auch eine Auswirkung auf die Gesamthandlung an sich bzw. die Entwicklung der Charaktere hatten. Mit ein wenig Feinarbeit an den kleineren Baustellen und dem Beibehalten der bisherigen Stärken der Serie, könnte die zweite Staffel das Niveau der Serie noch steigern und den Zuschauern eine Serie liefern, bei der die Faszination dafür auch nach der ersten Staffel konstant bestehen bleibt.

Annika Leichner - myFanbase

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