Anger Management - Review des Piloten
Um es direkt auf den Punkt zu bringen, halte ich gleich zu Beginn fest, dass "Anger Management" weder eine erfrischend witzige, noch kreativ oder innovativ gestaltete Comedy-Serie ist. Sie versinkt im Sumpf aller einfältigen Comedy-Serien der letzten Jahre.
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Charlie
Wie macht man aus Charlie Sheen Charakter Charlie Harper den "Anger Management"-Charakter Charlie Goodson? Man gibt ihm einfach einen anderen Namen und einen gewissen Grad an kritikfähigem Gewissen. Schon hat meinen seinen Instant-Charakter für den einst hochgelobten Schauspieler. Es wirkt ein wenig so, als hätte man Sheen zwar mit seinen Problemen im realen Leben konfrontiert, doch das einzige, was er daraus machen konnte, war eine Figur zu schaffen, die so sehr der Figur ähnelte, die er seit 2003 über acht Staffeln hinweg spielte. Als einziges Novum gibt man Charlie Goodson ein Gewissen. Mal abgesehen von der furchtbaren Ähnlichkeit, dass man sich spätestens in der ersten After-Sex-Szene mit ihm und seiner Therapeutin/ besten Freundin/ Sexpartnerin fragt, ob man nicht aus Versehen auf "Two and a Half Men" umgeschaltet hat, ist dieser neue Charakterzug durchaus gelungen. Noch bevor Charlie wirklich jemandem etwas antun kann, begibt er sich wieder in Therapie. Dass das keine ernsthafte Therapie ist, wird am Ende klar, als Therapeutin und Patient die Rollen tauschen, um den Sex zu rechtfertigen, den sie nun miteinander haben werden.
Erfrischende Momente
Das Highlight der ersten Episode ist Charlies Tochter Sam. Sie geht zur High School und wohnt sowohl bei ihrem Vater, als auch bei ihrer Mutter Jen. Gleich als sie hinein kommt (ihr Vater hält gerade ein Gruppentreffen in seinem Wohnzimmer ab) wird es witzig. Sie muss aufgrund ihrer Zwangsstörung die Haustür mehrfach auf- und abschließen. Der Witz ist unendlich verbraucht, wirkt trotzdem aber gekonnt platziert und inszeniert. Er bringt die Figur der Sam dem Zuschauer sofort näher und macht sie sympathisch. Ein Endruck, der nur kurz darauf vertieft wird, als Charlie ihr in ihr Zimmer folgt und ihn dort ein riesiges Chaos begrüßt. Endlich einmal eine Jugendliche, die nicht in einer rosafarbenen Märchenwelt lebt, sondern ein realistisches Zimmer voller Anziehsachen hat, die anstatt im Kleiderschrank auf einem riesigen Wäschehaufen in der Mitte des Zimmers liegen. Die einzige ehrlich witzige Stelle reiht sich kurz vor diese Ereignisse in die Story ein. Es ist Lacey, die erzählt, warum sie gar nicht zu einem Aggressionsbewältigungsprogramm muss: "My boyfriend cheated on me, so I shot him in the balls." ("Mein Freund hat mich betrogen, also schoss ich ihm in die Eier.") Ihre Figur ist zwar auch ein Stereotyp, doch ein witziger, der Abwechslung in die Serie bringt.
Zerkaute Storyline
Im Großen und ganzen ist "Anger Management" ein Zusammenschnitt pseudo-witziger Szenen, die mit Lachern vom Band untermalt sind und dadurch noch weniger witzig sind. Sheen, der unentwegt direkt in die Kamera schaut und dabei ein Gesicht à la "Huch, was ist denn jetzt los?" macht, ist nicht gerade förderlich für den ersten Eindruck. Die Serie bietet keine neuen Witze oder Storylines. Sie macht sich sowohl über den Hauptdarsteller, als auch über Schwule witzig. Es dauert keine 70 Sekunden, da wurden schon drei Schwulenwitze gerissen. Es gibt sogar ein Queer-Jar, in das die Patienten einen Dollar zahlen müssen, wenn sie schwulenfeindlich waren. Das wirkt an der Stelle noch feindlicher als die Witze selbst. Schon in der dreizehnten Minute der zwanzig Minuten langen ersten Episode, folgen die nächsten zwei Witze in diese Richtung. Ebenso beleidigend für jeden halbwegs aufgeklärten Menschen ist, dass es einen Quoten-Schwulen und einen Quoten-Schwarzen gibt. Beide entsprechen den Vorurteilen der 1990er Jahre. Während der Schwule passiv-aggresiv veranlagt ist, ist der Schwarze ganz offen nur hinter jungen Mädchen her und trinkt Bier. Natürlich wird in jeder Comedyserie mit Stereotypen gespielt, doch warum muss man dafür die Stereotypen des vergangenen Jahrtausends nehmen? Schachzüge, die nicht zu verstehen sind.
Fazit
Wie ich schon sagte, ist "Anger Management" keine überfliegende neue Serie. Sie ist absolutes Mittelmaß mit regelmäßigen Ausschlägen ins Unverschämte. Sie bietet einen einfallslosen Sheen mit einer noch einfallsloseren Figur. Einzig zwei der Charaktere hinterlassen einen positiven Eindruck. Man hat permanent das Gefühl die Witze schon einmal an anderer Stelle gehört zu haben. Doch gerade wegen dieser Massenkompatibilität und dem Ansiedeln auf bereits erfolgreichem Terrain wird "Anger Management" eine Erfolgsstory. Denn wer wünscht sich nicht Sheen mit seinen flachen Witzen, seinen abgelatschten Problemchen und vor allem seiner Bereitschaft für Geld einfach fast alles zu tun, zurück auf den Bildschirm? So krass es klingen mag, im Grunde ist die Serie nur ein Abklatsch vieler anderer Comedy-Formate, doch vor allem von "Two and a Half Men", mit der die Serie vom ersten Satz an verglichen werden will: "You can't fire me. I quit. You think you can replace me with some other guy. Go ahead, it won't be the same. You may think I am losing, I am not. I'm ..." ("Du kannst mich nicht feuern. Ich kündige. Du glaubst du kannst mich mit einem anderen Typen ersetzen. Mach nur, es wird nicht das gleiche. Du kannst denken, dass ich verliere, werde ich nicht. Ich bin …"). Ja, das ist die Frage die bleibt: Was ist Sheen nun? Ein genialer Mensch, der aus seiner bis dahin dunkelsten Stunde als arbeitsloser drogen- und alkoholsüchtiger Schauspieler noch ein Goldfass aus seinem Elend schlagen kann, indem er es als Sprungbrett für eine Serie benutzt? Oder ist er ein armer arbeitsloser drogen- und alkoholsüchtiger Schauspieler, der gar nicht mitbekommt, wie andere sich über ihn lustig machen und daraus mit Hilfe einer Serie auch noch Profit schlagen wollen? Es bleibt abzuwarten. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich "Anger Management" weiter entwickelt und ob es dies überhaupt tut.
Jamie Lisa Hebisch - myFanbase
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