Review
Vampire waren Anfang 2007 leider kein Garant für stabile Einschaltquoten und stetiges Senderinteresse. Der Vampir-Privatermittler Angel hatte sein Amt in der gleichnamigen Serie drei Jahre zuvor niedergelegt, und die "Twilight"-Buchreihe machte zwar bereits Furore, die Filme aber sollten nicht vor November 2008 die Leinwände erreichen und damit das breite Publikum auf das Vampirgenre aufmerksam machen. Die kanadische Vampir-Detektiv-Serie "Blood Ties" ereilte in dieser eher vampir-unfreundlichen TV-Zeit dasselbe Schicksal wie die ähnlich angelegte US-Serie "Moonlight", welche kurz nach "Blood Ties" anlief und nach nur 16 Folgen abgesetzt wurde. "Blood Ties" brachte es zwar auf 22 Episoden, aber das Ende weist in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt war und man gerne weitererzählt hätte. So ist das Ende als Staffelfinale zwar rund, aber es ist vor allem rund herum traurig, was definitiv nicht als Schlussstimmung der ansonsten durchaus mit Witz durchzogenen Serie geplant gewesen sein dürfte.
Die Charaktere und Darsteller
"Blood Ties" geht einen etwas anderen Weg als "Angel" und "Moonlight" in der Hinsicht, als dass nicht der als Detektiv ermittelnde Vampir im Mittelpunkt steht, sondern die ehemalige Polizistin Vicki Nelson, die sich als Privatdetektivin selbständig gemacht hat, weil sie an einer schweren Augenkrankheit leidet. Sie ist eine sehr selbstbewusste, furchtlose und vor allem auch schlagfertige Frau in den Dreißigern. Freunde und Familie hat sie allerdings keine, und auch die beiden Männer in ihrem Leben, ihren ehemaligen Partner Mike Celucci und später den Vampir Henry, lässt sie nicht völlig an sich heran, obwohl sie ohne zu zögern bereit ist, ihr Leben für sie aufs Spiel zu setzen. Mit beiden knistert es – vor allem mit Henry außerordentlich intensiv – und beide bemühen sich auch sehr um sie, irgendetwas aber hält Vicki zurück.
Der Vampir Henry gesellt sich während ihrer ersten Ermittlung in der dämonischen Unterwelt zu ihr. Henry besitzt zwar eine Seele, wird aber nicht von schlechtem Gewissen und Hass auf das eigene Vampirdasein gequält. Er wirkt jugendlich, impulsiv, charmant und sehr selbstsicher. Er genießt es in der Regel durchaus, ein Vampir zu sein und setzt seine Fähigkeiten und Kräfte gerne ein, um Vicki im Kampf gegen das Böse zu helfen, zu dem er sich selbst nicht dazuzählt, auch wenn er weiß, dass es rücksichtslose und mordlustige Vampire gibt. Er selber mordet nicht, sondern trinkt das Blut von Menschen, die er vorher verführt und die sich ihm in diesem Zusammenhang gerne hingeben. Ob und wie oft er früher gemordet hat, bleibt die gesamte Serie über im Hintergrund, das Brüten und Sinnieren über die eigenen Taten ist keine von Henrys Eigenschaften. Um es mit einfachen Worten auszudrücken: Ich habe noch keinen Vampir in Serie oder Film so oft und bezaubernd lächeln sehen wie Henry Fitzroy. Außerdem verdient er sein Auskommen als Zeichner von Graphik Novels, und das ist doch wirklich liebenswert.
Mike Celucci ist der treue Freund, wie er im Buche steht. Manchmal genervt von Vickis Spontaneinfällen, aber doch immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Deutlich aber lässt er durchblicken, dass er mehr von Vicki will, und zum Ende der zweiten Staffel hin macht er ihr auch endlich deutlich, dass seine Treue und Loyalität ein Ablaufdatum haben, wenn sie keinen Weg findet, sich mal über ihre Vorstellungen für die Zukunft klar zu werden.
Christina Cox, Kyle Schmid und Dylan Neal sind in ihren Rollen jeweils sehr glaubwürdig und gut besetzt. Christina wirkt äußerst tough (sehr denkwürdig war ja auch ihr Gastauftritt in "Dexter" #4.04 Dex takes a holiday), überzeugt aber auch in den gefühlvollen und schwachen Momenten Vickis. Der junge Kyle Schmid hatte hier zum ersten Mal die Möglichkeit, sein Können unter Beweis zu stellen, und es ist eindeutig klar, dass ihm die ruhigen Töne besser liegen als die Actionsszenen. Dylan Neal hat aus "Dawson‘s Creek" bereits Erfahrung in einer Polizistenrolle, er wirkt hier meistens kühl und glatt und verliert vor dem Auge des Vampir-Fans natürlich trotz überzeugender Darstelllung ein wenig gegen den sündhaft schönen, verführerischen Vampir. Die Chemie zwischen dem jugendlichen Kyle und der durchaus erkennbar erwachseneren Christina springt in jedem Fall auf den Zuschauer über.
Die Storylines
"Blood Ties" ist ein Procedural und behandelt jede Woche einen anderen Fall, der immer aus der Welt des Übernatürlichen stammt. Dabei trifft man eher selten auf weitere Vampire, sondern vielmehr auf Wendigos, Geister, Mumien und Vampire. Die fortgesetzte Handlung der Charaktere rückt dabei mal mehr mal weniger in den Hintergrund. Am ansprechendsten sind natürlich die Episoden, in denen einer der Hauptcharaktere in den Fall der Woche verwickelt ist, so vor allem in den drei Doppelfolgen, am Anfang der Serie und in der Mitte beider Staffeln. Hier bekommen die Charaktere Tiefe und die Darsteller mehr Raum, um sich freizuspielen. Die Doppelfolgen behandeln somit zum einen den Moment, der in Vampirserien immer etwas besonderes ist, nämlich der, dass die Frau den Vampir ihr Blut trinken lässt und so ein tiefes Band zwischen ihnen entsteht. Zum anderen steht in einer der Doppelfolgen das Leben Henrys auf dem Spiel, der in die Hände eines Vampirhassers gerät. Auch Angel, Spike und Stefan Salvatore mussten diverse Folterszenen über sich ergehen lassen, aber in "Blood Ties" sind diese Szenen eher unfreiwillig komisch, da Kyle Schmids Darstellung des leidenden und gleichzeitig wütenden Henry eher an eine Mischung aus Ausdruckstanz und Bodenturnen erinnert als an eine wirklich gefährliche Situation. Wie oben erwähnt, er überzeugt eher bei den leisen Tönen. Zum dritten erfährt man im Rahmen der Doppelfolgen etwas über Henrys Verwandlung zum Vampir und über die Mythologie der Vampire. Die Auslegung dieser variiert wie üblich ein wenig von anderen Filmen und Serien.
Zum Ende der zweiten Staffel hin finden die Hauptcharaktere sich in einer Situation wieder, in der zwar jeder für den anderen sein Leben geben würde, die emotionalen Kapazitäten aber einfach ausgeschöpft sind. Daraus entsteht das größtmögliche Drama zwischen den dreien, welches eine wunderbare Vorlage für weitere Staffeln gebildet hätte. So aber muss man sich in dieser ausweglos erscheinenden Situation von den Charakteren verabschieden. Und dabei hatte man auch gerade erst begonnen, Vickis Augenkrankheit und das daraus entstehende Konfliktpotenzial zu thematisieren, denn bislang rätselte man als Zuschauer bloß, was man mit der Tatsache dieser Augenkrankheit überhaupt erreichen wollte.
Fazit
Äußere Umstände führten auch bei dieser Serie dazu, dass man die geplante Geschichte nur zum Teil erzählt bekommt. Sowas ist immer schade, wenn es sicherlich auch härtere Verluste in der Serienwelt gibt als diese Mystery-Serie. Der Produktion stand von Anfang an nicht viel Geld zur Verfügung, worunter vor allem die Special Effects zu leiden haben. Dennoch spürt man, dass die Beteiligten mit viel Herzblut bei der Sache waren, vor allem auch in Maske und Requisite steckt viel Liebe zum Detail.
Nicole Oebel - myFanbase
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