Fargo - Reviews
#2.10 Palindrom (9/9)

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Nach der mäßigen Fortsetzung der Kriminalserie "True Detective", die wie "Fargo" in der jeweils zweiten Staffel eine neue Geschichte mit anderen Hauptcharakteren erzählt, hatte ich eingangs keine großen Erwartungen an die im Jahre 1979 spielende zweite "Fargo"-Staffel. Umso mehr hat mich das durchgängig hohe Niveau im Verlauf der Staffel überrascht und mich so begeistert, dass ich "Fargo" zu den besten Serien dieses Jahres zähle. Das Highlight der vorletzten Folge (#2.09 The Castle) ist für mich der Auftritt von Martin Freeman als unsichtbarer Erzähler gewesen. Freeman hat in der ersten "Fargo"-Staffel noch den Protagonisten Lester Nygaard gespielt. Aus der UFO-Szene in der neunten Folge habe ich mir nicht viel gemacht, da es für mich klar ist, dass es sich dabei um einer Art Übertreibung des Erzählers handelt, um Lous unmöglich erscheinende Flucht zu erklären. Aus "Fargo" ist nicht plötzlich eine Sci-Fi-Serie geworden. Nachdem die Gerhardt-Familie in der vorletzten Episode komplett ausgelöscht wurde, standen vor dem Staffelfinale noch folgende Fragen offen: Was wird aus Ed und Peggy? Welche brutale Aktion startet Ohanzee als nächstes? Was haben die Kansas City Kriminellen Mike Milligan und dem verbleibenden Kitchen Zwillingsbruder vor? Und was wird aus der Familie Salverson, allen voran Betsy und ihrem verwundeten Vater Hank Larsson?

"That night I had a dream. It felt so real."- "I dreamt of a magical future."- "And there was happiness there." - "But then, I saw chaos."

Foto: Fargo - Copyright: Chris Large/FX
Fargo
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Betsy ist (noch?) nicht gestorben. Sie liegt zusammen mit Molly auf dem Bett und schläft. Dabei hören wir ihre Stimme auf dem Off und sie erzählt uns von ihrem Zukunftstraum, den sie gerade hat. Fans der ersten Staffel, so wie ich einer bin, können sich freuen, denn wir bekommen die erwachsene Molly (Allison Tolman), ihren Mann Gus (Colin Hanks), ihre beiden Kinder und den alten Lou Solverson (Keith Carradine) aus Staffel 1 zu sehen. Wir wissen bereits das Betsy ihre Enkelkinder und ihren Schwiegersohn niemals kennenlernen wird. Auch wenn alles darauf hindeutet, dass sie doch nicht die Placebo-Tabletten bekommen hat, sondern das eigentliche Anti-Krebsmedikament. Und dann wird der friedvolle Traum durch das Gesicht von Ohanzee Dent (Zahn McClarnon) - vor ihm eine lodernde Flamme - durchbrochen. Im Hintergrund hören wir "War Pigs" von Black Sabbath. Was wir hier sehen ist etwas, das ich an "Fargo" so schätze - ein genialer Übergang zu den Geschehnissen aus der vorherigen Folge. Der verletzte Hank fordert seinen Schwiegersohn Lou auf, ihn allein zu lassen, damit er zu Ed, Peggy und Ohanzee aufschließen und den katastrophalen Geschehnissen endlich ein Ende setzen kann.

"I don’t think we’re gonna make it - you and me. We are just too different." - "You’re always trying to fix everything, but sometimes nothing’s broken."

Foto: Kirsten Dunst & Jesse Plemons, Fargo - Copyright: Chris Large/FX
Kirsten Dunst & Jesse Plemons, Fargo
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Der arme, angeschossene Ed wird im eingesperrten Tiefkühlraum endlich von seinem Leiden und seiner durchgeknallten Frau Peggy erlöst. Um Dodd Gerhardt zu zitieren: "She's crazy. Keep her away from me." Vorher schafft er es aber noch, ihr mitzuteilen, dass die beiden zu verschieden seien und es zwischen ihnen nicht funktionieren würde. Eine Einsicht, die angesichts der Umstände und seines bevorstehenden Tods reichlich spät kommt. Im Grunde kann man Ed nur bedauern, denn er wurde erst durch Peggy in all die Ereignisse verstrickt. Wie Lou es später im Auto vor Peggy formuliert, wollte er nur seine Familie beschützten. Peggy erleidet im Tiefkühlraum einen Nervenzusammenbruch und spinnt sich zusammen, dass alles genau so ablaufen würde, wie in dem Film "Operation Eagles Nest", den sie vor Dodds Flucht (zwei Episoden zuvor) in der Waldhütte gesehen hatte. Dass Peggy auf ihre ganz eigene Weise mit traumatischen Ereignissen umgeht, wissen wir Zuschauer schon seit der ersten Folge, in der sie Rye Gerhardt angefahren hat.

"I just wanted to be someone." - "I am victim, too." - "It’s a lie, okay - that you can do it all - be a wife and a mother and a self-made career woman, like there’s 37 hours in a day."

Foto: Kirsten Dunst, Fargo - Copyright: Mathias Clamer/FX
Kirsten Dunst, Fargo
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Meine Lieblingsszene im Staffelfinale ist der Dialog zwischen Peggy und Lou im Polizeiauto auf dem Weg zurück nach Minnesota. Die Schauspielleistung von Kirsten Dunst in dieser Szene halte ich für großartig. Das intime Gespräch gibt uns einen tiefen Einblick in die moralischen Werte und Normen der beiden Protagonisten. Wir sehen eine gebrochene Frau, die aus ihrer Opferrolle nicht herauskommt und sich noch immer nach einem besseren Leben in Kalifornien sehnt. Hoffen wir für sie, dass sie ihre Zeit im Gefängnis dort absitzen konnte. Wir sehen Lou, wie er sich erschüttert von den Ereignissen öffnet und mit Peggy über einen tragischen Vorfall aus seiner Vietnam-Zeit spricht.

"Sovereignty is absolute power and authority." - "Which is who I am - your king." - "See, today is my coronation day. And on coronation day, I've always believed a new king should start his reign with an act of kindness. - And an act of cruelty."

Foto: Jean Smart, Fargo - Copyright: Mathias Clamer/FX
Jean Smart, Fargo
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Mike Milligan fühlt sich erhaben und benimmt sich wie ein König als er in das Haus der ausgelöschten Gerhardt Familie eindringt. Verantwortlich waren er und seine Kansas-City-Kollegen direkt allerdings nur für den Tod von Otto Gerhardt. Die restlichen Mitglieder der Gerhardt Familie sind anderweitig umgekommen. Mikes Verhalten macht deutlich, wie sehr er unter Minderwertigkeitskomplexen gelitten haben muss, sodass er jetzt die Machtkarte ausspielt. Lange bleibt er aber nicht auf dem Siegerpodest, denn sein Boss setzt den selbsternannten König fortan in einem kleinen Büroraum im Accounting Department ein: "See, I thought - well, in the old days, when a guy conquered a place. - You want the old days? Go work in a coal mine." Ein "besseres" Ende hätte ich mir für ihn nicht wünschen können. Fragt sich nur, was der verbleibende Kitchen Bruder jetzt macht?

"I'm assuming you want more than just a skin peel - something structural - a whole new man, like the Phoenix rising from the ashes. What'll you do then, I wonder? Join a new empire?" - "Maybe start one of my own."

Foto: Zahn McClarnon, Fargo - Copyright: Mathias Clamer/FX
Zahn McClarnon, Fargo
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Die letzte Szene, in der Ohanzee auftaucht, gibt mir Rätsel auf. Wird er, bevor er nach Tripoli geht und sein eigenes Empire aufbaut noch Rache am Kansas-City-Syndikat nehmen oder nicht? Sicher ist jedoch, dass er es geschafft hat, sich vollständig von den Gerhardts zu emanzipieren. Die Kinder, die auf dem Spielfeld spielen sind übrigens die späteren Schläger Mr. Numbers und Mr. Wrench aus der ersten Staffel. Wie wunderbar, dass wir eine weitere Verknüpfung zur ersten Staffel zu sehen bekommen. Es sind diese kleinen Feinheiten, die das Serienfinale und die gesamte Serie für mich so außergewöhnlich gut machen.

Fazit: "Well, we're sitting here together. That's what matters."

Wie schön, dass die Familie Solverson, Betsy und Lou sowie Hank Larsson, am Ende der Finalfolge heil und wohlauf im Wohnzimmer sitzt. Die Folge war das phänomenale Ende einer phänomenalen Staffel. Im Besonderen haben mir dir Verbindungen zur ersten Staffel gefallen. Die zweite Staffel "Fargo" hatte alles, was die zweite Staffel "True Detective" nicht hatte. Ich bin traurig, dass es nun zu Ende ist und warte ungeduldig auf die dritte Staffel.

Ann-Christin W. - myFanbase

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