Grace and Frankie - Review, Staffel 1
Als ich die Serie "Grace and Frankie" zunächst kürzlich auf Netflix entdeckte, war ich nicht unbedingt abgeneigt, sie mir anzuschauen, wusste jedoch nicht, was mich erwartet. Nachdem ich einmal das recht amüsante Intro gesehen hatte, konnte ich es mir jedoch denken und hatte mich schon auf einen Haufen platter Witze und vorhersehbarer Storylines eingestellt. Was mich dann in den ersten 13 Episoden erwartete, überraschte mich. Obwohl viel mit Klischees gearbeitet wird, wirkt "Grace and Frankie" frisch und neuartig, ist gleichzeitig verschroben und amüsant, aber kann auch tiefgründig und ergreifend sein. Das Ensemble dieser Serie ist jedenfalls beeindruckend, alle vier Hauptdarsteller waren mir natürlich bereits bekannt. Die Serie zog mich dann auch recht schnell in ihren Bann, da sie ganz anders war, als ich sie mir vorgestellt hatte, und es dauerte nur wenige Tage, bis ich mit allen Episoden durch war und mich sehr über einige weitere gefreut hätte.
"Excuse me, have you ever wondered if Ben and Jerry make more than ice cream together? "
Der Plot ist schon ziemlich abgefahren. Zwei befreundete Ehepaare sind jeweils 40 Jahre miteinander verheiratet, als die beiden Ehemänner plötzlich gestehen, dass sie ineinander verliebt und bereits seit 20 Jahren heimlich zusammen sind. Da die Serie auch eher comedylastig ist, könnte man schnell einen Verlauf und Witzeniveau von diversen platten Comedys, die bereits existieren, erwarten, doch "Grace and Frankie" kann ganz anders. Es gibt tatsächliche Handlungsstränge, die konsequent verfolgt werden, und auch die emotionale Krise wird für eine Comedy einigermaßen gut und nachvollziehbar aufgearbeitet. Was die Jokes angeht, gibt es einige ausgezeichnete Oneliner, die vor allem von Frankie, aber auch von Grace kommen. Die Charaktere sind recht klischeehaft angelegt, geben aber viel her. Selbst ein weniger präsenter Charakter wie die kratzbürstige Karrierefrau Brianna, die Tochter von Grace und Robert, hat gegen Ende der Staffel einige bewegende und schöne Momente, die etwas tiefer gehen. Aber im Vordergrund steht natürlich zunächst der Umgang der beiden namensgebenden Charaktere mit der Hiobsbotschaft über ihre Ehemänner.
Während man bei Grace den Eindruck hat, dass mehr ihr Stolz verletzt wird, als dass sie Robert großartig vermisst, da ihre Ehe bereits zuvor nicht unbedingt beneidenswert war, was wohl auch irgendwie auf Grund der Geschichte, die dabei im Hintergrund lief, einleuchtet, sieht das bei Frankie ganz anders aus. Sie hat große Schwierigkeiten, mit dem Betrug durch Sol klarzukommen, der sie viele Jahre hintergangen hat, da die beiden nicht nur Ehepartner, sondern auch beste Freunde waren. Dabei hat sie auch im Gegensatz zu Grace größere Schwierigkeiten, ihre Wut zu zeigen, und stattdessen fällt es ihr sehr schwer, sich von Sol abzugrenzen. Viele Jahrzehnte gemeinsam geteilte und lieb gewonnene Rituale wie das gemeinsame Schauen des Buchstabierwettbewerbs fallen weg ebenso wie die Unterstützung in schwierigen Phasen, an die man sich bereits gewöhnt hat. So hat Frankie z.B. große Angst vor Erdbeben und Sol weiß genau, was in diesen Momenten zu tun ist. Sowohl Graces als auch Frankies Gefühlswelt kann man sehr gut nachvollziehen und beide bieten viele Anknüpfungspunkte, um mit ihnen zu sympathisieren.
"Like it or not, you’re my friend."
Mich hat es persönlich überrascht, dass die Serie auf Grund des Set-Ups nicht sehr lange von der Antagonie der beiden gelebt hat und stattdessen sehr schnell auf die freundschaftliche Ebene überging und vor allem Grace Frankie von Beginn an sehr stark unterstützt hat, was gerade von ihrem Charakter nicht unbedingt zu erwarten war. Aber ich denke, es ist auch durchaus nachvollziehbar, dass das sehr außergewöhnliche Schicksal, das beide teilen (siehe "There's a group for wives of husbands that have turned gay in their 70s?") und sonst wohl so gut wie niemand wirklich verstehen kann, die beiden recht schnell zusammengeschweißt hat. Trotzdem wird es so schnell nicht langweilig und allein ihre Unterschiedlichkeit bietet so einiges an schrägen Momenten (z. B. yam lube) und führt zu einem unterhaltsamen give-and-take der beiden ausgezeichneten Hauptdarstellerinnen. Die spirituelle Hippie-Frau mit einem eher geschäftsorientierten, oberflächlichen Gegenüber ist keine Neuerfindung des Rads, aber die Art und Weise, wie die Serie diese altbekannte Paarung umsetzt, ist einfach genial und wahnsinnig kurzweilig und amüsant.
Auch hat man durch die sehr unterschiedlichen Ausgangsehepaare eine gute Basis geschaffen, um verschiedene Aspekte eines solchen Ereignisses zu beleuchten, da beide Frauen sehr unterschiedlich mit der Scheidung umgehen und verschiedene Pfade wählen, wie es nun für sie weitergehen soll. Während bei Frankie vor allem die emotionalen Auswirkungen im Vordergrund stehen und sie erst einmal lernen muss und möchte, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und sich auf sich zu besinnen, begibt sich Grace recht schnell in den Datingpool, der sicherlich vollkommen anders abläuft als noch vor 40 Jahren. Da lernt sie auch recht bald Gus kennen, der außer ein paar schrägen Storys beim ersten Date mich persönlich leider eher gelangweilt hat. Die Beziehung blieb recht blass und hatte immerhin den sinnvollen Zweck, dass Grace für sich am Ende erkennt, dass sie keine Lust mehr auf Beziehungen hat, die vor sich hinplätschern, sondern dass sie mehr verdient hat und dies auch finden will. Daraus entstanden zwar auch ein paar eher realistisch geprägte (z. B. der erste Sex von Grace und Gus) oder auch amüsante Szenen (z. B. als Gus sich auf Grund eines Schlafmittels, das er regelmäßig nimmt, nicht mehr daran erinnern kann, dass Grace mit ihm Schluss gemacht hat), aber im Großen und Ganzen hab ich mehr darauf gewartet, dass die Beziehung der beiden wieder beendet ist. Ich bin sehr gespannt, wie man in der kommenden Staffel hier weiter ansetzt und Grace mit ihrer neuen Erkenntnis umgeht. Auch wird Frankie dann sicherlich bald bereit sein, wieder neue Männer kennen zu lernen, nachdem sie in dieser Staffel eher die Wingwoman gespielt hat. Besonders wenn die beiden vielleicht dann häufiger mal gemeinsam auf Männerschau gehen, könnte das äußerst lustig werden. Vielleicht gibt es auch mal wieder eine Yes-Nacht, die dann noch schräger verläuft. Viel Raum bleibt auf jeden Fall.
Was die "old people"-Jokes angeht, tauchen die durchaus auf, aber sie werden einfach auf eine Art und Weise verpackt, dass eher charmant und witzig wirkt und nicht platt und fremdschämmäßig erscheint. Ich musste zum Beispiel sehr schmunzeln, als Frankie sich erstmals mit dem Internet beschäftigt und sich wie Grace einen Computer zulegt ("I am engaging with all the people in Internet-land.") und null Ahnung hat, was sie zu tun hat. Grace will ihr nicht helfen und verweist sie an eine Servicehotline. Dort wird Frankie dann anscheinend zu einem speziell für ältere Menschen angelegten Kundenberater verwiesen, dem Frankie neben der Installation ihre gesamte Lebensgeschichte zu erzählen scheint. Das war irgendwie herzig und vielleicht gibt es für den guten Mike ja sogar noch einen Folgeauftritt in der nächsten Staffel…
"What brand would you smoke if your husband turned out to be gay... for the last 20 years?"
Natürlich spielen Grace und Frankie die Hauptrollen, doch sie füllen nicht als einzige die Episoden aus. Auch sieht man, wie unterschiedlich Robert und Sol mit dem Ehe-Aus umgehen. Besonders gut hat mir gefallen, dass auch gezeigt wurde, dass es trotz jahrelanger heimlicher Beziehung für die beiden gar nicht so einfach ist, zur Tagesordnung überzugehen, und dass auch in ihrer Beziehung natürlich gewisse Schwierigkeiten auftauchen. Überwiegend sieht man die beiden jedoch im Zusammenhang mit ihren Ex-Frauen. Die Hochzeitsplanungen sowie die Bachelor-Party sind auch ganz nette Nebenstorylines, die man versucht, möglichst realistisch und nicht zu klischeehaft darzustellen, was mir sehr gefallen hat. Was allerdings Sols Fehltritt gegen Ende der Staffel nun für die beiden bedeutet, darauf bin ich für die neue Staffel wirklich sehr gespannt.
Auch die Kinder der vier sind allesamt recht sympathisch, sie haben jedoch in der ersten Staffel noch wenig Raum für eigene Storys gehabt, da ist sicherlich noch einiges an Luft nach oben für mögliche weitere Staffeln vorhanden. Besonders hat mir Brianna gefallen, die trotz ihrer eher kühlen und knallharten Rolle doch auch durchaus liebenswert wirkt und auch einige schöne Momente hat. Als langjährige Hundebesitzerin muss ich allerdings sagen, dass mich die Hundestoryline schon nah an meine Grenzen getrieben hat. Allerdings konnte man es dann doch noch einigermaßen retten. Zwischen Mallory und Coyote wird sicherlich auch in den kommenden Staffeln noch einiges gehen, zumal ihr Ehemann unglaublich unsympathisch ist. Bud ist bisher eher als großer Bruder und vernünftiger Vermittler aufgetaucht. Ich hoffe, dass man in der Zukunft ihm auch noch etwas mehr Raum geben wird und wir ihn etwas näher kennen lernen werden.
Fazit
"Grace und Frankie" ist mit Sicherheit eine außergewöhnliche Serie, schon allein auf Grund der Tatsache, dass alle vier wichtigsten Hauptdarsteller deutlich über 70 Jahre alt sind – wie häufig sieht man bitte so etwas in Hollywood? Obwohl die Serie eindeutig eine Comedy ist, wird auch vieles behandelt, das sehr emotional und tiefergehend ist. Die Show ist absolut binge-worthy, aber man kann sie auch ein zweites und ein drittes Mal schauen, ohne sich zu langweilen. Hier hat Netflix alles richtig gemacht und ich freue mich schon sehr auf eine zweite und evtl. sogar viele weitere Staffeln, da hier meiner Meinung nach das Potential noch lange nicht ausgeschöpft wurde.
Nadine Watz - myFanbase
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