Hannibal - Review, Staffel 2
[Achtung: Eine Rezension über "Hannibal" Staffel 2 ist ohne Spoiler quasi unmöglich. Wir raten unseren Lesern daher, den Mittelteil zu überspringen, sollten sie die Episoden noch nicht gesehen haben.]
© 2014 STUDIOCANAL GmbH; Michael Muller/NBC
Schaltet man den Fernseher nach dem furiosen Finale der zweiten Staffel von "Hannibal" aus, ist man vor allem eines: überwältigt. In jeglicher Hinsicht. Man schnappt nach Luft, man überprüft seinen Puls, man versucht zu begreifen, was hier gerade passiert ist. Und möchte man dann rekapitulieren, was Bryan Fuller in diesen 13 Episoden geschafft hat, dann wird klar: Fuller serviert dem Publikum mit Staffel 2 Serienunterhaltung vom Allerfeinsten, quasi einen Menügang voller Delikatessen, bei dem vom Dekor über das Essen bis zu hin zu den geladenen Gästen alles so gut wie perfekt ist.
Die Essensmetapher funktioniert bei einer Serie wie "Hannibal" natürlich besonders gut, spielt die Zubereitung von Essen (insbesondere von "Fleisch" jeglicher Herkunft) und das Servieren bei gediegenen Dinnerabenden doch eine enorm wichtige Rolle. Staffel 2 lehnt sich – nachdem Staffel 1 die cuisine française würdigte – in seinen Episodentiteln dabei an ein japanisches Mehrgängemenü namens "Kaiseki" an, das vom Appetithappen über das Hauptgericht bis zum Dessert ein einziges Festmahl japanischer Essenskunst ist. "Hannibal" ist wie ein solches Festmahl: ansehnlich und schmackhaft, immer für eine Überraschung gut, und sehr appetitanregend was die nächste Episode betrifft.
Mit der Inhaftierung Will Grahams im Finale der ersten Staffel standen die Vorzeichen für Staffel 2 auf geradezu perverse Weise umgedreht: Der unschuldige Profiler sitzt des Mordes angeklagt im Gefängnis, der Serienmörder spaziert frei herum. Ausgehend von dieser völlig neuen Ausgangslage erforscht "Hannibal" neue Facetten seiner Charaktere: Wie geht Will mit seiner desolaten Lage um, wie begegnet er Hannibal nach dessen Verrat? Wie wickelt Hannibal seine Mitmenschen um den Finger, um weiterhin als unerkannter Killer mitten unter ihnen zu wandeln, wie verändert sich seine Beziehung zu Will? Wie geht Jack damit um, dass er Will zu weit getrieben hat und dass dieser weiterhin behauptet, unschuldig zu sein? Wie reagieren Alana und der Rest des FBI-Teams auf Wills Verhaftung? Es sind die Beziehungen zwischen diesen Charakteren, ihre Wahrnehmung des jeweils anderen und ihre aufeinander prallenden Versionen der Realität, die gegeneinander ausgespielt werden, und die während der ersten Staffelhälfte ins Zentrum rücken. Wie gewohnt geht "Hannibal" dabei mit beeindruckendem psychologischen Feingefühl vor und reizt seine Grenzen so weit aus, dass man manchmal wirklich nur noch gebannt auf den Bildschirm starren kann.
Nach den hervorragenden ersten sieben Episoden, die in Sachen stringenter Erzählführung absolut beispielhaft sind, erfolgt mit der Freilassung Wills ein neues Kapitel. Wie der Episodentitel schon andeutet, ist "Su-zakana" – im japanischen Kaiseki ein Gericht, das den Gaumen reinigen soll – eine Art Neustart oder bessergesagt der Start in die zweite Phase des Kampfes Will vs. Hannibal. Das Kräfteungleichgewicht, das noch in Staffel 1 zwischen den beiden Protagonisten herrschte, ist nun völlig verschwunden. Wills neues Selbstbewusstsein und seine absolute Entschlossenheit, Hannibal zu besiegen, hebt die Beziehung zwischen den Männern auf ein völlig neues Level. Deren Verhältnis wird durch die neuen Informationen, die Will nun über Hannibal hat – quasi der "Elch" im Raum –, komplett umgeworfen. Will ist Hannibal nun ebenbürtig. Und so ist jede Unterhaltung, jede Interaktion zwischen Will und Hannibal ein Spiel der Verschleierung, der Verführung und Manipulation, ein Kammerspiel, dem man als Zuschauer völlig fasziniert beiwohnt. Besonders geschickt ist hier vor allem die Informationsvergabe an den Zuschauer, der – im Gegensatz zu Staffel 1 – nun keinerlei Wissensvorsprung mehr gegenüber Will hat, sondern oft im Dunkeln gelassen wird über so manche Entwicklungen, sodass der Überraschungseffekt am Ende – man denke nur an die Enthüllung, dass Will und Jack zusammenarbeiten und Freddie Lounds lebt – umso größer ist.
Die Beziehung zwischen Will und Hannibal bildet natürlich das Kernstück der Serie und wie schon in Staffel 1 brillieren Hugh Dancy und Mads Mikkelsen in jeder einzelnen Szene. Doch auch die jeweilige Beziehung der Männer zu Jack wird von großer Wichtigkeit, ist dieser im Endeffekt doch eine der letzten Bastionen des Guten in einer immer mehr von moralisch zwielichtigen Personen bevölkerten Serienwelt. Dabei rückt Alana als einzige weibliche Hauptfigur leider ein wenig an den Rand. Dafür bietet die Rückkehr solch großartiger Nebenakteure wie Dr. Chilton (Raúl Esparza), Dr. Gideon (Eddie Izzard), Miriam Lass (Anna Chlumsky) und natürlich der phänomenalen Dr. Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) die Möglichkeit, verschiedene Storylines aus Staffel 1 wieder aufzugreifen, zu vertiefen und so ein insgesamt rundes Bild zu kreieren, ein Universum, in dem nichts so ist, wie es zu sein scheint. Doch auch die neuen Figuren Mason (Michael Pitt) und Margot Verger (Katherine Isabelle), die in der zweiten Staffelhälfte für Furore sorgen, fügen sich fast nahtlos in dieses Universum ein und bieten sowohl für Will, als auch für Hannibal ebenbürtige wie faszinierende Mitspieler bzw. Gegner.
So perfekt durchkonzipiert wie die zweite Staffel in Sachen Erzählverlauf ist – von seiner heftigen Eingangsszene bis hin zu seiner blutigen, brutalen wie poetischen Endszene –, so perfekt umgesetzt ist auch wieder die Ästhetik des Ganzen. Fuller beweist erneut sein Auge für die Schönheit des Hässlichen, des Brutalen und Mörderischen, und bietet dem Zuschauer eine Reihe irrsinniger wie wunderschöner Szenen. Da wird ein toter Körper zu einem Bienenstock verwandelt, da spritzt das Blut zu klassischer Musik durch die Gegend, da wird eine Liebesszene zu einem völlig surrealen Erlebnis. Traum vermischt sich mit Realität, alles ist mit unwirklicher Symbolik durchzogen. Kaum eine Serie geht bei ihrer Inszenierung mit einer solchen Liebe zum Detail vor, dass man bei jeder Episode im wahrsten Sinne des Wortes von einem visuellen Kunststück sprechen kann.
Bryan Fuller schickt die Zuschauer in der zweiten Staffel von "Hannibal" auf eine absolut gigantische wie groteske Achterbahnfahrt, direkt in die Abgründe der menschlichen Psychologie, und macht jede der 13 Episoden zu einem Erlebnis. Vom Konzept über die Inszenierung bis hin zu den Darstellern ist alles gleich einem japanischen Kaiseki-Mahl vom "Sakizuke" bis hin zum "Mizumono" makellos durchorchestriert. "Hannibal" scheut sich vor keinem Risiko, ist in jeder Entscheidung absolut konsequent und schafft es, eine derartige Spannung aufzubauen, dass man manchmal vor lauter Mitfiebern die Finger in den Sessel krallt. Zweifellos gehört diese Serie zum Besten, was im Crime-, aber vor allem auch im Dramagenre derzeit geboten wird. Haute Cuisine des Fernsehens sozusagen.
Technische Details der DVD
Veröffentlichung: 4. Dezember 2014
Laufzeit: ca. 535 Minuten (13 Episoden)
FSK: ab 18 Jahren
Bildformat: 16:9 - 1.77:1
Tonformat: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Audiokommentar von Cast & Crew; Featurettes "This Is My Design", "The Style of a Killer", "Bodies of Lies" und "Killer Intentions", "Post Mortem"-Interviews mit Cast & Crew; Reconstructing the Fight; Geschnittene Szenen; Gag Reel; Trailer
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Maria Gruber - myFanbase
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