Cliffhanger in Serien

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Cliffhanger in "Lost"

"Lost" hat zu seiner Zeit viele neue Maßstäbe gesetzt, was die Konzeption von Serien an sich als auch die Erzählstrukturen eines TV-Formats angeht. Das komplexe Konstrukt aus Flashbacks, Flashforwards und Flashsideways kann man getrost als revolutionär bezeichnen, schließlich war "Lost" so ziemlich die erste Serie, die ihren Zuschauern ein derart anspruchsvolles Storytelling zugetraut hat und darauf setzte, dass man das Publikum trotz aller Komplexität so sehr fesselt, dass es immer und immer wieder einschaltet. Das schaffte man nicht zuletzt dank einer Reihe sagenhafter Cliffhanger, die nicht nur während des Staffelverlaufs häufig eingestreut wurden, sondern vor allem am Ende einer jeden Staffel die Zuschauer mit offenem Mund dasitzen ließen.

Foto: Copyright: Buena Vista Home Entertainment, Inc. und Touchstone Television
© Buena Vista Home Entertainment, Inc. und Touchstone Television

Dabei bediente sich auch "Lost" einiger gängiger Mittel, um das Publikum bei Laune zu halten. Charaktere starben (Arzt (#1.24), Charlie (#3.23), Michael (#4.14), Jacob (#5.17)), es gab den ein oder anderen bedeutsamen Kuss und/oder ein Liebesgeständnis (Claire und Charlie (#1.24, #2.23), Jack und Juliet (#3.22), Nadia und Sayid, Kate und Sawyer, Desmond und Penny (#4.12), diverse Charaktere in #6.17 und #6.18), und es gab immer mindestens ein Rätsel, das offen gelassen wurde. So ist der Zuschauer im Finale der ersten Staffel gespannt, was sich in der Luke verbirgt, am Ende von Staffel 2 springen wir von der Insel urplötzlich zu zwei schachspielenden Portugiesen in einer Eislandschaft, im Finale von Staffel 3 präsentiert man uns das erste Flashforward eines verzweifelten Jacks, der die Insel verlassen hat, Staffel 4 endet mit dem toten John Locke in einem Sarg, und im Finale von Staffel 5 zündet Juliet eine Bombe, die alles in gleißendes Licht taucht. Sprengstoff kommt übrigens generell sehr häufig vor, denn eigentlich wird in fast jedem Staffelfinale von "Lost" etwas in die Luft gejagt: Sei es die Luke in Staffel 1 (und Leslie Arzt!), Ekos Sprengversuch in Staffel 2, Mikhails Granate in der Dharma-Unterwasserstation in Staffel 3, die Explosion der Kahana in Staffel 4 oder die durch Juliet gezündete Atombombe in Staffel 5 – bei "Lost" macht es sehr oft Wumm!

Doch genau das macht "Lost" eben auch so fulminant, denn kaum eine andere Serie schafft es, derart packende Cliffhanger in ihren Erzählverlauf und vor allem in ihren Staffelfinalen unterzubringen und so den Zuschauer fest im Griff zu haben, der vor lauter Spannung gar nicht mehr zur Ruhe kommt. In Sachen Cliffhangern, wie in vielen anderen Dingen auch, hat "Lost" also definitiv neue Maßstäbe gesetzt, an denen sich andere Serien eine Scheibe abschneiden können. | Maria Gruber

Cliffhanger in "Fringe"

Vor 30 Jahren polarisierte die Frage "Who shot J.R.?" eine ganze Nation. Nach der TV-Season 2010/2011 stand eine ähnliche Frage im Raum, die zwar bei weitem nicht solch eine Popularität erreichte, aber die betroffenen Fans nicht minder gespannt auf die kommende neue Staffel warten ließ: "Where is Peter Bishop?". Diese Frage stellten sich die Fans der Mysteryserie "Fringe", nachdem diese das Finale der dritten Staffel verblüffend beendete: Peter Bishop, einer der wichtigsten Charakteren der Serie, unterhält sich in der einen Sekunde noch mit seinem Vater, ehe er in der Sekunde darauf plötzlich einfach so verschwindet. Und das Merkwürdige: Keiner scheint sich zu wundern, dass er auf einmal weg ist. Schlimmer noch: Keiner scheint sich daran zu erinnern, dass er überhaupt existierte. Warum das so war? Die allerletzte Szene der dritten Staffel zeigte die berühmtberüchtigten Beobachter und endete in einem Schlüsselsatz: "How could they remember Peter? He never existed. He served his purpose."

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Ja, "Fringe" schaffte es damit zum dritten Mal, eine Staffel mit einem richtigen Knall enden zu lassen und für mich persönlich gehört dieser Cliffhanger mit zu den interessantesten, die ich je gesehen hatte. Dieser war nämlich nicht nur absolut unvorhersehbar, sondern warf gleichzeitig Unmengen an Fragen auf und stellte die bisherigen Geschehnisse der gesamten Serie von jetzt auf nachher gewaltig auf den Kopf – etwas, das nicht jede Serie innerhalb von wenigen Sekunden schaffen kann. Aber generell gehört "Fringe" mit zu den Serien, die ihre Staffeln besonders genial abschließen. Schon das Ende der ersten Staffel war ein absolut denkwürdiger Augenblick. Es war zwar vorhersehbar, dass die Staffel wohl mit dem lang erwarteten ersten Zusammentreffen zwischen Olivia Dunham und William Bell enden wird, weshalb man zunächst nicht wirklich an ein spektakuläres Ende dachte, als die beiden Charaktere in einem Büro aufeinandertreffen. Doch das sollte sich dann schnell ändern, als Olivia aus dem Fenster starrt, die Kamera zurückzoomt und man sieht, wo genau das Treffen stattfindet: nämlich in einem der Türme des World Trade Centers – Olivia befand sich somit das erste Mal im Paralleluniversum!

Auch Staffel 2 sorgte für ein Finale, das mich persönlich den ganzen Sommer lang beschäftigte und sogar noch gespannter auf die neue Staffel machte, als der Cliffhanger der ersten Staffel. Denn schien es auf den ersten Blick noch so, als hätten alle Beteiligten die Geschehnisse des Staffelfinals unbeschadet überlebt und Walter, Peter und Olivia wären heil aus der Parallelwelt zurückgekommen, wurde uns in der letzten Szene klar gemacht, das dem nicht so ist. Es war nämlich nicht Olivia, die mit den anderen zurückkehrte, sondern deren Doppelgängerin aus dem parallelen Universum. Damit schaffte man es erneut, mit lediglich einer einzigen Szene unfassbar spannende Weichen für die darauffolgende Staffel zu legen. Daher hoffe ich inständig, dass "Fringe", trotz der momentanen Quotensituation, doch noch eine fünfte Staffel erhalten wird. Ich würde nämlich zu gerne sehen, ob es die Autoren schaffen würden, die vierte Staffel mit einem genauso erstklassigen Cliffhanger enden zu lassen, wie bereits die drei Staffeln zuvor. | Manuel H.

Cliffhanger in "True Blood"

Kabelsender, wie HBO, sind dafür bekannt, dass die Staffeln ihrer Serien meistens nur aus der Hälfte der Episoden besteht, wie sie auf Network Sender zu finden sind. Somit kann in meistens zwölf Episoden mehr Qualität gesteckt werden, die man dann aber auch deutlich zu sehen bekommt. Dies ist bei "True Blood" nicht anders. In 50-60 Minuten wird uns eine Storylinge geboten, die oft fesselnd ist und am Ende mit einem Cliffhanger endet, sodass man ja nicht dazu kommt, die Episode zu vergessen. Schaut man sich "True Blood" am Stück an, kann das fast schon ein Fluch sein, denn plötzlich findet man sich mitten in der Nacht wieder, hellwach, begeistert, keine Lust zum Abschalten und doch ist man sich bewusst, dass man am nächsten Morgen wieder aufstehen muss. Alan Ball weiß genau, wie er die Zuschauer faszinieren muss. Doch bei so vielen Cliffhangern stellt sich die Frage, ob dann die Staffelfinale einfach einer normalen Episode entsprechen? Nicht ganz, denn hier muss man ein Jahr warten, um zu wissen, wie es weitergeht. Deshalb wird die Spannung erhört und man sitzt gebannt vor dem Bildschirm, weil es jeden Moment vorbei sein könnte und man sich dann auf eine Wartezeit von einem Jahr vorbereiten muss. Zugegebenermaßen muss ich sagen, dass ich mich beim Staffelfinale der ersten und dritten Staffel wie in einer normalen Episode gefühlt habe. Da war der Cliffhanger in Ordnung, aber jetzt nicht so, dass ich das Warten auf die kommende Folge so schlimm fand. Ganz anders erging es mir beim Staffelfinale der zweiten Staffel. Damals, als absoluter Fan von Sookie und Bill, war ich so froh über den Heiratsantrag von Bill, dass ich Sookie geschimpft habe, weil sie sich ins Bad verzieht. Doch der Schock war noch viel größer, als sie zurückkommt und kein Bill mehr vor sich sieht, sondern ein verwüstetes Zimmer. Da blieb mir die Luft weg, weil ich mir nicht vorstellen wollte, dass Bill etwas zustößt. Ebenso ergeht es mir momentan nach der vierten Staffel, in der Taras Kopf zerschossen wurde und sie in Sookies Armen auf dem Boden liegt. Tara hat mir zwar in der vierten Staffel nicht gefallen, doch dass sie am Ende sterben soll, damit hätte ich absolut nicht gerechnet. Für Sookie tut es mir wahnsinnig Leid und ich kann mir nicht vorstellen, was das mit ihr anstellen wird. Doch noch viel stärker als diese Story, interessiert mich die Geschichte von Eric und Bill. Wie wird das wohl weitergehen? Und wenn ich jetzt wieder darüber nachdenke, wünsche ich mir den Sommer 2012 her, und zwar sofort. | Alex Olejnik

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