Jedem seine Meinung
Ein Plädoyer für die objektive Subjektivität von Reviews

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Ein weiser Mann namens Homer Simpson hat bei der Betrachtung eines "Kunstwerks" einmal gesagt: "Well, to me, it looks like garbage salad. But that's the great thing about art. Everyone can have their own opinion about why it sucks." Kunst im weitesten Sinne, in unserem Fall die moderne Popkultur in Form von Serien, war und ist immer ein Auslöser für Diskussionen gewesen: Manche finden die eine Serie großartig, die andere schlecht, manche sind begeistert von diesem oder jenem Format, manche finden es langweilig und banal. So ist das eben mit der persönlichen Meinung: Sie ist persönlich, sie ist individuell und nicht umsonst gibt es den beliebten Ausdruck: Jedem seine Meinung.

Seit Einführung unserer Kommentarfunktion haben sich unter unseren Texten teilweise sehr interessante Diskussionen entwickelt, gerade zu kritischen Texten unserer Autorinnen und Autoren, die zeigen, mit welcher Leidenschaft unsere Leser ihre Serien schauen und unsere Reviews lesen. Das ist toll, denn gerade für uns Autoren ist es immer schön, Feedback zu unserer Arbeit zu bekommen und die Meinung anderer zu lesen, egal ob sie der eigenen gleicht oder sich von ihr unterscheidet. Besonders leidenschaftlich wird es dann natürlich, wenn eine Serie, die der Leser liebt und schätzt, in einen Verriss des Autors gerät, der in den Augen mancher mit sofortiger Wirkung zum Banausen erklärt wird, da er ja nur Schlechtes über diese Serie schreibe.

Doch ist ein Rezensent wirklich ein Banause, nur weil er seinen Job ausführt – ein Werk kritisch zu beurteilen? Zu dieser Frage sollten wir einmal fünf folgende Punkte betrachten, die bei solchen Diskussionen gerne immer und immer wieder angebracht werden, das Gespräch aber leider vom eigentlichen Punkt – der Diskussion über das Werk – abdriften lassen und stattdessen vielmehr ins Leere führen.

1. Deine Review ist doch total subjektiv!

Mein Favorit. Man finde den Widerspruch.

Hinter dem Anglizismus Review, zu Deutsch Rezension, steckt laut Duden folgende Definition: "kritische Besprechung eines Buches, einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, künstlerischen Darbietung o. Ä., besonders in einer Zeitung oder Zeitschrift". Entscheidend erscheint hier das Adjektiv kritisch, das wiederum als "nach präzisen wissenschaftlichen, künstlerischen o. ä. Maßstäben gewissenhaft, streng prüfend und beurteilend" definiert wird. Ergo: Es handelt sich bei einer Review um die begründete Beurteilung eines Werkes, in die immer auch die persönliche, individuelle, völlig subjektive eigene Meinung einfließt.

Ein Rezensent hat nun also folgende schwierige Aufgabe: Er soll sein Urteil über ein Kunstwerk – in unserem Fall über eine TV-Episode – darlegen, also seine subjektive Meinung ausdrücken. Als jemand, der dies öffentlich macht, kann er nun nicht einfach herkommen und irgendetwas aus dem Bauch heraus für absolut fantastisch oder furchtbar schlecht befinden – er sollte seine Meinung anhand objektiver Richtlinien begründen, geht hier natürlich aber auch wieder bis zu einem gewissen Grad subjektiv vor, ja kann gar nicht anders, denn er ist ja auch nur ein Mensch. Doch er tut sein Bestes, sieht sich bestimmte Kriterien an, analysiert und bewertet diese, und baut so ein Konstrukt zusammen, das sein Urteil untermauert. Kritisch zu sein liegt in der Natur der Kritik.

2. Wenn es dir nicht gefällt, dann hör doch auf zu schauen!

Mal ehrlich: Welcher einigermaßen seriöse Fan hört denn auf, eine Serie zu gucken, nur weil sie mal einen Durchhänger hat? Serien sind dazu da, um geschaut zu werden und zwar bis zum bitteren Ende. Egal, ob man es aus Guilty Pleasure tut, aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus oder wegen der nicht totzukriegenden Neugierde, wie sich das Ganze letztlich auflösen wird – es war noch nie ein Grund, mit dem Gucken aufzuhören, nur weil die Serie einem gerade nicht gefällt. Man geht ja normalerweise auch nicht aus dem Kino, bevor der Film zu Ende ist, und wenn er noch so grottig ist.

3. Wenn es dir nicht gefällt, dann schreib doch nicht drüber!

Noch kritischer als Punkt 2 ist dieser Punkt zu handhaben: Denn wenn man damit argumentiert, dass ein Autor nur über Dinge schreiben soll, die ihm gefallen, dann wird die Funktion einer Review – die kritische Auseinandersetzung – zur Farce. Wenn wir Episoden nur durch diejenigen Autoren rezensieren lassen würden, die sie großartig finden, würden wir uns in einer relativ undifferenzierten Punktesphäre von sagen wir mal 7/9 bis 9/9 bewegen – wozu denn dann überhaupt noch die Möglichkeit, Punkte zu vergeben, wenn ein Mittelmaß von 4/9 bzw. 5/9 oder eine unterdurchschnittliche Bewertung von bis zu 1/9 gar nicht mehr vorkommen soll?

Unsere Aufgabe als Kritiker ist es, zu kritisieren und damit geht einher, dass neben den positiven auch negative Aspekte zum Tragen kommen müssen, dass Dinge hinterfragt werden, dass man nicht alles kritiklos annimmt, dass man sich ernsthafte Gedanken darüber macht, wie innovativ/spannend/unterhaltsam/einfallsreich/bewegend/originell/... eine Episode eigentlich wirklich war. Das heißt natürlich nicht, dass ständig penibel nach dem Schlechten gesucht wird, nein. Aber ein Rezensent, der nicht auch mal die negativen Aspekte anspricht, kann unmöglich ernst genommen werden.

4. Du hast die Serie ganz offensichtlich nicht verstanden!

Ein ganz furchtbar plattes, hilfloses Argument. In unserem Autorenteam befinden sich ausschließlich Leute mit einer großen Liebe für Serien, sonst würden sie nicht in ihrer Freizeit Stunden damit verbringen, für unsere Seite Texte darüber zu verfassen. Wir sind eingefleischte Serienfans, regelrechte TV-Nerds und wir haben sehr wohl Ahnung von dem, worüber wir reden (Irrtümer vorbehalten, selbstverständlich). Vertraut uns.

5. Warum schreibt denn hier immer nur der/die gleiche Autor/in?

myFanbase ist ein Team aus einer begrenzten Anzahl von Autoren, übrigens immer auf der Suche nach Verstärkung, und wir haben für jedes Ressort unsere Stammleute. Mehr geben unsere Kapazitäten nicht her. Das mögen manche als negativ empfinden, weil sie den/die Autor/in ihrer Lieblingsserie überhaupt nicht verstehen bzw. mögen und er/sie ständig alle Reviews schreibt. Man kann – und sollte – das aber auch positiv sehen: Rezensiert eine Person über eine oder mehrere Staffeln einer Serie hinweg, ist das auch ein gewisser gemeinsamer Weg, den Kritiker und Leser miteinander durchlaufen. Man kennt als Leser den Schreibstil, die Einstellung, die Herangehensweise des Autors, kann mit ihm über eine Staffel hinweg in einen Dialog treten (Kommentarfunktion macht's möglich!) und sich austauschen. Das ist eine wunderbare Sache.

Man darf also nicht vergessen: Eine Kritik hat kritisch zu sein. Kritisch zu sein bedeutet immer ein Urteil abzugeben. Und ein Urteil ist im Falle der Kunst immer, immer, immer subjektiv. Ja, es sollte sich an nachvollziehbare Maßstäbe halten, gut begründet sein, in seiner Argumentationsführung stringent sein, aber es ist und bleibt subjektiv. Hat man das einmal verstanden, hat man gleich viel mehr Freude am Lesen von Reviews und am Verfassen von Kommentaren. Dann drehen sich die Diskussionen auch wieder um das, was eigentlich wichtig ist: den Inhalt der Rezension bzw. des rezensierten Objekts, und nicht um den Rezensent selbst.

Maria Gruber - myFanbase


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