Jahresrückblick - unsere Top-Serien 2015


Top-Serien von Moritz Stock


Foto: Justin Theroux, The Leftovers - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Justin Theroux, The Leftovers
© 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

1. The Leftovers, Staffel 2

Das Schauen von "The Leftovers" glich einer physischen und psychischen Grenzerfahrung. Kaum ein fiktives Produkt der Populärkultur hat bei mir in den letzten Jahren eine ähnliche Reaktion ausgelöst. Die Serie vom "Lost"-Mastermind Damon Lindelof entführt einen in eine Zwischenwelt des Schmerzes, des Leidens, lässt einen dann aber nicht immer und immer weiter in die Dunkelheit abdriften, sondern spendet dem am Ende ausgelaugten Zuschauer doch Hoffnung und bietet somit einen Ausweg an. Die Gesamtästhetik der Serie, das Zusammenspiel von visueller Szenengestaltung, dem Einsatz der unterschiedlichsten Formen von Musik und der ausnahmslos beeindruckenden darstellerischen Leistungen macht aus dieser Serie eines der ganz großen Kunstwerke unserer Zeit und bot mit der achten Folge der zweiten Staffel "International Assassin" eine der besten Serienepisoden überhaupt.

Foto: Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

2. Master of None, Staffel 1

Die für mich nicht nur beste Netflix-Serie des Jahres, sondern eine der besten Serien überhaupt war die vom ehemaligen "Parks and Recreation"-Ensemblemitglied Aziz Ansari mitentwickelte Dramedy "Master of None", in der er in bester Louis C.K. Manier auch gleich die Hauptrolle übernahm. Die Serie ist ein gelungener Mix aus episodisch abgeschlossenen kleineren Kurzgeschichten über eine weite Bandbreite verschiedener alltäglicher und gesellschaftspolitischer Themenfelder, die von privaten Beziehungsproblem, über intergenerationale Kommunikation, bis zu Fragen von Diversität im Medienbusiness reicht und einer Staffel übergreifenden Handlung. Jede Episode ist voll von klugen Alltagsbeobachten, einem sympathisch und authentisch wirkenden leisen Humor und einem Hang zur ständigen neugierigen kritischen Reflexion verschiedener Alltagsphänomene. Ein echtes Serien-Juwel, welches hoffentlich nächstes Jahr in eine zweite Staffel gehen wird.

Foto: Aya Cash & Chris Geere, You're the Worst - Copyright: Byron Cohen/FX
Aya Cash & Chris Geere, You're the Worst
© Byron Cohen/FX

3. You're the Worst, Staffel 2

Nachdem die erste Staffel der FX-Comedy "You're the Worst" erst noch einen eigenen narrativen Stil und Ton finden musste, mauserte sich die zweite Staffel schnell zu einer der interessantesten und mutigsten Serien der heutigen so breit gefächerten Fernsehlandschaft. Der teilweise sehr vulgäre, aber nie geschmacklose Humor wurde in der zweiten Hälfte der Staffel erweitert durch eine zwar tragische, aber kaum melodramatische, sondern vielmehr ehrliche Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der klinischen Depression. Der Serie gelang es in diesem Kontext wie keiner anderen auf schwerwiegenden Momenten der Hilflosigkeit und Traurigkeit Humor folgen zu lassen, diese düsteren Momente dadurch aber nicht so konterkarieren, sondern diese für sich selbst stehen zu lassen. Das ergab schlussendlich einen eindringlichen Mix, der zeigt auf welche Weise mit nicht einfach darzustellende Problemlagen umgegangen werden kann.

Foto: Keri Russell & Matthew Rhys, The Americans - Copyright: James Minchin/FX
Keri Russell & Matthew Rhys, The Americans
© James Minchin/FX

4. The Americans, Staffel 3

Im reinen Dramabereich hat sich die FX-Kalte Kriegs Agentendramaserie bei mir sukzessive zu einer Lieblingsserie gemausert, bei der ich Woche für Woche eine Stunde lang den Atem anhalte, teilweise angewidert und entsetzt bin, aber gleichzeitig so gefesselt, wie bei fast keiner anderen Produktion. Der dritten Staffel, in der es im Kern um intergenerationale Problemstellungen und damit verbunden um die mögliche Rekrutierung von Elizabeth und Philips eigener Tochter Paige als Nachwuchsagentin ging, gelang es schlussendlich eine Atmosphäre purer Intensität zu kreieren, die angereichert wird mit leisem, sehr unterkühltem wirkenden Momenten dramatischer Sprengkraftt. Wenn die permanente Qualitätssteigerung sich mit der vierten Staffel fortsetzt, könnte die vierte Staffel eine der besten Serienstaffeln überhaupt werden, aber auch so führt im Dramabereich momentan kaum etwas an "The Americans" vorbei.

Foto: Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels III/AMC
Mad Men
© Frank Ockenfels III/AMC

5. Mad Men, Staffel 7

Mit "Mad Men" hat im Jahr 2015 einer der ganz großen Serien-Dinosaurier und ein Flaggschiff permanent hochklassiger serieller Erzählkunst die Bühne mit einem großen Paukenschlag verlassen. Auch wenn die Entscheidung, die letzte Staffel zu splitten und die Ausstrahlung dadurch zu strecken, der Dramaturgie nicht unbedingt geholfen hat, boten die letzten Folgen wieder allerhand Momente für die Ewigkeit und einen passenden Abschluss der über die Jahre komplex entwickelten Charaktere. Das Finale schloss schließlich mit einer denkwürdigen und für vielfältige Interpretationen offenen letzten Folge die Pforten für eine echte Ausnahmeserie, die eine schwer zu füllende Lücke hinterlässt.

6. Making a Murderer, Staffel 1

Hier sollte eigentlich das HBO-Dokudrama "The Jinx" seine Erwähnung finden, doch dann veröffentlichte Netflix kurz vor Weihnachten mit "Making a Murderer" eine weitere Doku-Serie, die sich um einen echten Kriminalfall dreht und einen komplett den Boden unter Füßen weg riss. Die Aufarbeitung des Steve Avery-Falls, indem ein Mann nach 18 Jahren unschuldiger Inhaftierung aus dem Gefängnis entlassen wird, um kurz danach für einen Mord erneut angeklagt zu werden, offenbart die teilweise kaum zu glaubenden Lücken und Problemlagen des amerikanischen Justizsystems auf eine nie dagewesene Art und Weise. Kaum eine Serie vermochte es mich so tief in Gefühle der Wut, Verzweiflung und Traurigkeit zu stürzen. Das bemerkenswerte ist, dass keinem noch so talentierten und intelligenten Drehbuchautor es wohl gelingen würde, sich die tatsächlich ereigneten Vorfälle auch nur ansatzweise auszumalen. Eine unfassbare Serie, die wohl noch hohe Wellen schlagen und hoffentlich auch reale Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Foto: Judith Light, Transparent - Copyright: 2014 Amazon.com Inc. or its affiliates
Judith Light, Transparent
© 2014 Amazon.com Inc. or its affiliates

7. Transparent, Staffel 2

Mit der zweiten Staffel von "Transparent" gelang es Serienschöpferin Jill Soloway die schon sehr ambitionierte und komplexe erste Staffel des Transgender-Familiendramas mit einem Hang zu zwar nicht immer sympathischen, aber sich trotzdem authentisch anfühlenden Figuren zu erweitern und dadurch qualitativ zu steigern. War in der ersten Staffel der Fokus noch stark auf das Familienoberhaupt des Pfefferman-Clans gerichtet, welches sich entschied offen als Frau zu leben, ist der Blick in der zweiten Staffel mehr gleichmäßig auf die drei Sprösslinge und ihre Mutter gerichtet. Zusätzlich verknüpft sich die Narration der Gegenwart noch mit der Fluchtgeschichte der Pfefferman-Familie, die ihren Anfang nimmt im Berlin der 30er Jahre. Dabei bleibt sich die Serie thematisch treu und erzählt mit psychologischem Feinsinn von Problematiken der Identitätssuche, dem Kampf mit sich selbst und der eigenen Herkunft.

Foto: Rachel Keller, Fargo - Copyright: Mathias Clamer/FX
Rachel Keller, Fargo
© Mathias Clamer/FX

8. Fargo, Staffel 2

Die erste Staffel der Anthologie-Serie "Fargo" bot für mich zwar gut gemachte Unterhaltung mit einigen erstklassigen darstellerischen Leistungen und vereinzelten netten inszenatorischen Ideen – so richtig fesseln konnte mich die Serie jedoch nicht. Das änderte sich mit der zweiten Staffel aber grundlegend, ist diese der ersten in Sachen Spannungsaufbau, Inszenierung und Ideenreichtum doch in allen Belangen überlegen. Auch wenn es Noah Hawley zum Ende hin mit den visuellen Spielereien etwas übertrieb und das Finale der Staffel qualitativ etwas abfiel, gehört die zweite Staffel "Fargo" sicherlich zu den innovativsten und eindringlichsten Serienerfahrungen des Jahres 2015.

9. Casual, Staffel 1

In der zunehmend feingliedriger ausdifferenzierten amerikanischen TV-Landschaft haben es kleine, ruhig erzählte und behutsam entwickelte Serien leichter ein passendes Publikum zu finden. Eine dieser kleinen Serienperlen ist die Produktion "Casual" der Streaming-Plattform Hulu, die auf einer schlichten, fast nicht existenten Prämisse beruht und sich grob gesprochen mit dem modernen Datingverhalten im Internetzeitalter beschäftigt. Im Kern ist die Serie aber eine Charakter getriebene Comedyserie mit großem dramatischen Anteil, in der es um die Problemlagen einer ungewöhnlichen Familienkonstellation geht. Ein waschechter Geheimtipp mit tollen Schauspielleistungen und einer perfekten Balance aus Witz und Tragik.

10. Nathan for You, Staffel 3

Ich habe lange überlegt welche reine Comedyserie ich noch in meine List aufnehmen soll und auch wenn ich die letzte Staffel von "Parks and Recreation" sehr genossen habe, mich jede Woche wieder auf "Brooklyn Nine-Nine" freue und die Comedy Central Produktionen "Review" und "Broad City" sehr schätze habe ich mich schlussendlich für eine sehr kleine Nischenproduktion entschieden. "Nathan for You" ist angelegt als Parodie auf klassische Reality Shows und zeigt den Comedian Nathan Fielder, wie er Woche für Woche versucht echten, mittelständischen Unternehmen mit wahnwitzigen Business-Vorschlägen zu helfen. Die Serie befindet sich nun bereits in der dritten Staffel und hat in dieser einen neuen Grad an Wahnsinn erreicht. Hier werden experimentelle Theaterstücke erfunden, um das Rauchverbot in Kneipen zu umgehen, ein Diät-Ratgeber verfasst, um einem Umzugsunternehmen kostenlose Mitarbeiter zu vermitteln und ein Reiseunternehmen kurzerhand in ein Bestattungsunternehmen verwandelt. Das ist irrsinnig kreativ, unterhaltsam und zu großen Teilen geradezu brillant.

Moritz Stock - myFanbase

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