Die besten Storylines 2011/2012
Suche nach Sophia (The Walking Dead)

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Welche Storylines sind die besten? Die, die sich um etwas drehen, das gar wirklich präsent in der Serie ist, und trotzdem alles beeinflussen, was in dieser passiert. Storylines, die auf jeden Charakter Einfluss nehmen, ihnen mehr Tiefe verleihen oder gar verändern. In der ersten Hälfte der zweiten Staffel der AMC-Serie "The Walking Dead" gibt es eine solche Storyline. Die kleine Sophia flüchtet in der ersten Episode vor einem Zombie in den Wald. Rick läuft ihr hinterher, kann sie an einem Flussbett abfangen und sagt ihr, sie solle sich dort unter einer Wurzel verstecken. Er würde kommen, um sie zu holen, wenn er die Beißer erledigt habe. Als er zurückkehrt ist Sophia verschwunden und die Suche nach ihr beginnt. Die Gruppe um Rick hatte eigentlich geplant nach Fort Benning zu ziehen, um heraus zu finden, ob man dort Hilfe findet. Doch nun ist sie erst einmal auf offener Straße gefangen, um im Wald neben dem Freeway nach Sophia zu suchen. Diese Suche zieht einen Rattenschwanz hinter sich her, der länger nicht sein könnte.

"That's not my little girl. It's some other... thing. My Sophia was lost in the woods. All this time, I thought. But she didn't go hungry. She didn't cry herself to sleep. She didn't try to find her way back. Sophia died a long time ago."

Foto: Madison Lintz, The Walking Dead - Copyright: Matthew Welch/AMC
Madison Lintz, The Walking Dead
© Matthew Welch/AMC

Nach der ersten Nacht auf den Freeway macht sich die Gruppe zusammen auf den Weg, um nach Sophia zu suchen, wobei zwei Leute zurück bleiben, um an der Straße auf sie zu warten. Im Wald hören sie Kirchenglocken läuten und finden eine kleine Kapelle auf einer Lichtung. Doch auch dort kann Sophia nicht gefunden werden, aber Rick gesteht seine Zweifel, die Gruppe leiten zu können. Er zweifelt an sich selbst und versucht im Gespräch mit Gott, mit sich selbst, Antworten zu finden. Er findet keine, aber man beschließt sich aufzuteilen. Die größere Gruppe geht mit Daryl auf einem anderen Weg zurück zum Freeway, während Rick mit seinem Sohn Carl und seinem besten Freund Shane noch eine Weile weiter suchen wird. Dabei wird Carl von einem Fremden angeschossen. Sein Leben steht auf dem Spiel und Rick läuft zu der Farm des Fremden, wo Hershel Carl wieder zusammenflicken soll. Dabei stirbt der Mann, der aus Versehen auf Carl schoss. Doch er stirbt nicht einfach so. Sondern Shane schießt ihm absichtlich ins Bein, um nicht von Zombies gefressen zu werden, die auf die beiden Jagd machen, als sie Utensilien besorgen, die Hershel braucht, um Carl zu retten. Der Junge überlebt, doch schon hat Sophias Verschwinden den ersten Verlust nach sich gezogen. Es ist keinesfalls der Tod des Mannes, denn den kannte man kaum, sondern Shanes Unschuld. Bisher hatte niemand in der Gruppe einen Lebenden getötet, doch nun ist diese Hemmschwelle gefallen. Die überschrittene Grenze ist für Shane der erste Schritt in sein Verderben.

Die größten Veränderungen macht Daryl durch die Suche nach Sophia durch. Er ist der einzige, der nicht einen Moment daran zweifelt, dass die Zwölfjährige gefunden wird, lebendig. Er steht Sophias Mutter, Carol, bei und tröstet sie, wo er nur kann. Er erzählt ihr eine Geschichte über die Cherokee Rose, um Carol Hoffnung zu geben. Es werden ganz neue Seiten an Daryl deutlich. War er zuvor der verschwiegene Bruder eines Rassisten und Menschenhassers, wird deutlich, wie sehr Daryl das Herz der Gruppe ist. Er findet immer die richtigen Worte, ob bei seiner selbst auferlegten Aufgabe, Carol beizustehen oder einfach in einem sehr persönlichen Gespräch mit Andrea. Er sagt sich in einer Halluzination sogar von seinem Bruder und seinem schlechten Einfluss los und wird zum eigenständigen Menschen. Er will Mitglied der Gruppe sein und wird es auch. Er verrät niemandem, dass er Hinweise gefunden hat, dass Sophia noch leben könnte, denn er befürchtet so Hoffnungen zu wecken, die vielleicht nicht gestillt werden. Er hofft nicht, er weiß, dass er Sophia finden wird. Es ist die Leine, die ihn beisammen hält und dafür sorgt, dass er Teil der Gruppe bleibt. Umso schwerwiegender sind die Folgen, als sich herausstellt, dass Sophia die ganze Zeit über in der Scheune der Farm eingesperrt war, wo die Bewohner Beißer gefangen halten, weil sie glauben, dass man ihre "Krankheit" heilen kann.

Daryl zieht sich von der Gruppe zurück und kommt erst gegen Ende mit dem Verlust Sophias zurecht. Doch letztendlich kommt er zurück zur Gruppe und kann seinen Platz wieder einnehmen. Er ist nach dem Verlust Sophias verschwiegen, weiß aber genau, wann der rechte Zeitpunkt ist, seine Meinung zu sagen oder zu handeln.

Die Suche nach Sophia macht noch etwas anderes ganz deutlich, nämlich die verzweifelte Suche nach Schutz. In dieser Welt kann also ein kleiner, nenne ich es einmal, Ausflug in den Wald tödlich enden. Rick will seine schwangere Frau beschützen und beginnt bei Hershel gar zu betteln, dass er mit seiner Gruppe, zumindest über den kommenden Winter, bleiben darf. Doch er stößt erst auf fruchtbaren Boden, als Sophia schon tot ist. Während die Suche in der Luft hing, konnte sich Hershel nicht entscheiden, ob er den dahergelaufenen Haufen überhaupt noch auf seiner Farm haben will, wenn sie Sophia wiedergefunden haben. Erst durch ihren Tod realisiert Hershel selbst die aussichtslose Lage, in der sich ein jeder Mensch befindet, der in dieser Welt noch einen Puls hat.

Nachdem Carol in der ersten Staffel ihren Mann verlor und dadurch für sich und ihre Tochter zum ersten Mal Freiheit gewann, muss sie mit den Gefühlen klarkommen, die sich ihr aufdrängen, als Sophia verschwindet. Sie fühlt sich wieder hilflos und verlassen, findet aber in Daryl einen Menschen, dem sie vertrauen kann. Der Verlust ihrer Tochter treibt sie an Daryls Seite. Man hat oft das Gefühl, dass es zwischen den beiden zumindest auf Carols Seite knistert. Doch als ihre Tochter dann wirklich tot ist, reißt sie sich von Daryl los, der sie davon abhalten will zur zombifizierten Sophia zu rennen. Sie beschließt für sich nicht zur Beerdigung von Beißer-Sophia zu gehen, da für sie ihre Tochter schon vor Tagen gestorben ist. Sie kommt danach mit dem Verlust erstaunlich gut zurecht. Wer aber ebenfalls mit Konsequenzen, die mit Sophias Verschwinden erst in ihrem Kopf auftauchen, zurechtkommen muss, ist Ricks Frau Lori. Sie ist schwanger und weiß nicht, was sie tun soll. Sie fürchtet, dass ihr Sohn Carl schon kein gutes Leben haben wird, und kann sich kaum vorstellen noch ein Kind in diese Welt zu setzen. Sie ist hin- und hergerissen zwischen dem, was sie sich an Horrorszenarien ausmalt und, was sie tief in ihrem Herzen, für das Richtige hält.

Schlussendlich besteht die erste Hälfte der zweiten Staffel "The Walking Dead" aus der Suche nach Sophia. Jede Handlung, die passiert, hat damit zu tun, dass das Mädchen überhaupt verschwunden ist. Dabei ist es nicht ihre Schuld, dass sich die Dinge entwickelt haben, wie sie es taten. Bei genauem Hinsehen, ist Sophia nur ein kleines Mädchen gewesen, das eine Dummheit beging, woraufhin die Gruppe gezwungen wurde, Veränderungen durchzumachen. Deutlich ist hier vor allem die Tiefe, die die Figur von Daryl bekommt. Er ist es, der als einziger nie an Sophias Überleben zweifelt und so viel mehr über sich bei der Suche preisgibt, als der Zuschauer jemals ohne sie erfahren hätte. Natürlich ist es traurig, dass Sophia am Ende der Suche tot ist. Es war ein Schock zu sehen, dass sie in der Scheune verrottete, obwohl andere ihr Leben riskierten, auf der Suche nach ihr. Die Suche hat also ein schlimmes Ende genommen, trotzdem brachte sie der Gruppe positive Veränderungen. Der Nachklang der Suche nach Sophia, ihres Todes und des damit verbundenen Endes der Suche nach ihr, schlägt Wellen durch die komplette Staffel. Eine kleine Handlung, ein winziger Griff in die Tasche der Storylines, brachte ein Grundgerüst hervor, dass aus der zweiten Staffel "The Walking Dead" eine schlüssige und vor allem spannende Story machte. Immer stand hinter jedem Ereignis beim Zuschauer die Frage: Wäre das auch passiert, wäre Sophia am Anfang nicht fortgelaufen? Diese Fragen stellen sich zwar vorwiegend erst, als schon klar ist, dass sie tot ist und doch ist sie dadurch dauerhaft präsent. Durch die Suche nach Sophia entstand ein Handlungsbogen nach dem anderen, der die Geschichten der zweiten Staffel miteinander verband und überhaupt erst möglich machte. Eine extrem tolle Storyline, die mit wenigen Handgriffen vollbracht war und Sophia so sehr ins Herz der Zuschauer setzte, dass sie dort noch lange bleiben wird, auch wenn sie schon lange aus dem Cast der Serie ausgeschieden ist.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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