Die besten Momente 2011/2012
#1.09 Baelor (Game of Thrones)
Eigentlich soll bei unserer Season-Rückblick-Kolumne immer nur die letzte Staffel einer Serie berücksichtigt werden. Deshalb wird nun vermutlich der ein oder andere etwas irritiert zum Banner dieser Seite schauen, auf dem ein Moment aus einer "Game of Thrones"-Folge der ersten Staffel angekündigt wird. Und nein, das ist kein Tippfehler. Denn da die letzten beiden Folgen der ersten Staffel nicht mehr im Zeitraum für unseren letzten Rückblick lagen, können wir im jetzigen Rückblick diesen berührenden, schockierenden und wahrhaft cineastischen Moment aus #1.09 Baelor würdigen.
"Ser Ilyn, bring me his head!"
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Es mag etwas morbide sein, eine Hinrichtung zu den besten Momenten zu zählen und vielleicht wäre dieser Text bei den verstörendsten Momenten besser aufgehoben gewesen. Aber so verstörend der Tod von Ned Stark zweifellos ist, so wäre es meiner Meinung nach fast schon vermessen, die epische Genialität dieser Szene allein auf diese Komponente zu reduzieren. Denn es ist nicht nur Ned Stark bzw. Sean Bean, der diesen Moment großartig macht, sondern er wird tatkräftig unterstützt von seinen Schauspielkollegen, allen voran Jack Gleeson, der in dieser Szene bereits sein Talent unter Beweis stellt, eine der besten Antipathie-Figuren überhaupt zu verkörpern. Denn dies ist der Moment, in dem Sansa und selbst Cersei das wahre Wesen von Joffrey erkennen müssen – gnadenlos, sadistisch und eiskalt. Aber gut, auch das würde eher zu verstörend passen, kommen wir also zu den Punkten, die diese Szene für mich so unglaublich gut machen.
Vor allem anderen MUSS hier Neds Rede stehen, die diesen Charakter in seinen letzten Minuten so wunderbar widerspiegelt. Ned Stark, der moralische Fels der gesamten Serie, der absolut im Recht ist mit allem, was er getan hat, stellt sich selbst als Verräter hin – nicht, damit er seinem eigenen Tod entgeht, sondern um seine Töchter zu schützen, die Cersei, Joffrey und deren Handlangern ausgeliefert sind. Obwohl sich ganz offensichtlich jede Faser seines Körpers dagegen sträubt, einen Deal mit den Lannisters einzugehen und gegen seine eigene Überzeugungen und vor allem sein Wissen zu handeln, proklamiert er Joffrey als wahren Erben von Robert und es ist quasi spürbar, wie dieser tatsächliche Verrat an seinem verstorbenen Freund ihn zerstört. Aber selbst seine eigentlich unerschütterliche Moral ist nicht stärker als die Liebe zu seinen Töchtern – und umso furchtbarer ist es, dass diese seinen Tod hautnah miterleben müssen, obwohl Ned genau das mit seiner Falschaussage verhindern wollte.
Die zweite Komponente, die diese Szene so grandios macht, ist der geniale Spannungsaufbau: zuerst das atmosphärische Build-up durch Arya, die unwissend und doch in unheilvoller Vorahnung der Menge zur Sept von Baelor folgt. Die Kamera folgt ihr durch enge Gassen und durch die Menschenmenge bis zur Statue von Baelor, von der Arya und mit ihr der Zuschauer das gesamte Geschehnis überblicken kann. Es folgt die bereits erwähnte Meisterleistung von Sean Bean, der vermutlich nie wieder so perfekt eine Rolle verkörpern wird wie die des Ned Stark und der das tiefe Dilemma dieses Charakters wunderbar herausarbeitet. Und dann, nach diesem ruhigen Aufbau, dieser langsamen Spannungssteigerung, nach dem kurzen Hoffen von Sansa und Arya und der Selbstzufriedenheit von Cersei, Littlefinger und Varys, löst Joffrey mit seinem Todesurteil eine Reaktionslawine aus, die man als Zuschauer kaum verarbeiten kann: Arya, die sich durch die tobende Menschenmenge kämpft und von Yoren abgefangen wird, Sansa, die wie von Sinnen schreit und vom Hound zurückgehalten werden muss, Varys und Cersei, die sofort und vergeblich versuchen, Joffrey eines Besseren zu belehren und dazwischen natürlich Ser Ilyn Payne, der ohne mit der Wimper zu zucken seine Henkersmaske aufsetzt und sein Schwert zieht. Und dann, mitten in diesem Chaos, folgt die völlige Zurücknahme – das Geschrei der Menge wird ausgeblendet und der Fokus geht komplett auf Ned, der sich in seinem letzten Moment vergewissert, dass Arya nicht mehr auf der Statue sitzt und dann, sich seinem Schicksal ergebend, den Kopf senkt. Ein wahnsinnig emotionaler Gänsehautmoment, der durch die auffliegenden Vögel und Aryas verzweifelten Blick perfekt abgerundet wird.
Und zu guter Letzt gibt es für mich noch einen ausschlaggebenden Punkt, wieso dieser Moment zu den besten und nicht zu den verstörendsten gehört: Ich als Kenner der Buchvorlage wusste genau wie jeder andere Buchleser schon durch den Titel der Folge, was in dieser Episode passieren wird. Und ich wusste genau, wie es passieren wird. Es gab für mich an dieser Szene inhaltlich nichts Überraschendes und trotzdem hat sich mich völlig umgehauen. Traurig, schockierend, berührend, ästhetisch und kongenial unterlegt mit Ramin Djawadis gefühlvoller Komposition – dieser Moment ist einfach ganz großes Kino!
Lena Stadelmann - myFanbase
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