Die besten Momente 2012/2013
#1.07 Behold a Pale Rider (Banshee)

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In "Banshee" saß ein zunächst mal namenlos bleibender, ehemaliger Meisterdieb (Antony Starr) 15 Jahre im Gefängnis. Bei seiner Entlassung macht er sich sofort auf die Suche nach seiner großen Liebe, der ukrainischen Gangstertochter Anastasia (Ivana Milicevic). Er findet sie in der Kleinstadt namens Banshee und nimmt dort die Identität des neuen Sheriffs Lucas Hood an. Bei dem Raub vor 15 Jahren, bei dem er geschnappt wurde, hatte er ihr zur Flucht verholfen. Die beiden hatten einander heimlich geliebt und wollten aus den Fängen ihres übermächtigen und sadistischen Gangsterbossvaters Mr. Rabbit (Ben Cross) ausbrechen. Ana war zu dem Zeitpunkt mit Lucas' Kind schwanger, was er aber nicht wusste. Sie verließ die Stadt, um dem Kind ein Leben fern von der ukrainischen Mafia zu ermöglichen. Indessen saß er im Gefängnis und verstand nicht, warum sie ihn im Stich ließ.

"You will suffer. Every. Single. Day."

Foto: Antony Starr, Banshee - Copyright: 2013 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Antony Starr, Banshee
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Die Liebe zu Ana war Lucas' Anker, der ihn 15 lange Jahre davor bewahrt hat, sich selbst aufzugeben. Und das wurde ihm wahrlich nicht leicht gemacht, denn zu Beginn seiner Haft stattete niemand anders als Rabbit ihm einen inoffiziellen Besuch im Kreise einiger käuflicher, gewaltbereiter Mithäftlinge ab, und da Lucas ihm nicht sagen konnte, wo Ana sich befand, versprach er ihm, ihm jeden Tag seiner Haft zur Hölle zu machen. Und Lucas erhält sofort einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet: körperliche, lebensgefährliche Gewalt, gepaart mit der Aussicht auf sexuelle Unterwerfung durch den innerhalb der Gefängnismauern herrschenden Mithäftling. Lucas, der vorher nichts anderes war als ein Dieb, muss sich also damit auseinandersetzen, dem irgendwie körperlich standzuhalten oder besser noch, sich in die Lage zu bringen, sich widersetzen zu können, um die Haft überhaupt lebendig zu überstehen. Damit aber nicht genug, auch für Lucas' seelische Qual hat Rabbit gesorgt, indem er eine Person einschleust, die erst behutsam Lucas' Vertrauen gewinnt, nur um ihm dann plötzlich den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Mit einer derart gequälten Seele, aber gezwungenermaßen zu einem knallharten Mann geworden, kommt Lucas also nach 15 Jahren aus dem Gefängnis mit nur einem Ziel, in die Arme seiner Ana sinken zu können. Er findet sie jedoch unter einem falschen Namen in einem geruhsamen neuen Leben als Ehefrau eines netten, achtbaren Mannes und Mutter zweier Kinder wieder und muss feststellen, dass es in ihrem Leben keinen Platz für ihn gibt und sie seine Anwesenheit als Bedrohung ansieht, da niemand von ihrer wahren Identität weiß. Er aber kann sich nicht entfernen, und nach und nach schimmert durch ihre distanzierte Ablehnungshaltung ein wenig von ihren alten Gefühlen für ihn durch, so dass in ihm immer wieder Hoffnung aufkeimt. Letztlich aber empfindet sie seine Nähe als zu riskant für ihre Familie und nutzt sein bedingungsloses Vertrauen ihr gegenüber aus, um ihn Rabbit auszuliefern. Dem Mann, dem er den Horror der letzten 15 Jahre zu verdanken hat. Sie lässt ihn wehrlos, mit Handschellen an ein Bett gefesselt in einem Motel zurück. Er aber kann sich gerade noch befreien, bevor Rabbits Leute auftauchen, und ist zudem noch rechtzeitig zur Stelle, um Anas Tochter (Ryanne Shane) zu retten, von der Ana ihm noch vorenthält, dass sie auch seine Tochter ist.

Als Lucas an dem Abend in sein Apartment kommt, wartet Ana dort bereits im Dunkeln auf ihn. Und von diesem Moment an hält man für die nächsten viereinhalb Minuten den Atem an. Hier entlädt sich die gesamte Spannung, die sich die bisherige Staffel über zwischen diesen beiden Figuren aufgestaut hat, und genau wie Lucas weiß man nicht, was Ana tun wird. Im ersten Moment richtet er seine Waffe auf sie und kann kaum atmen, die Hand, die die Waffe hält, zittert, in seinen Augen liegt Angst, Schmerz, Enttäuschung, aber auch die Absicht, sich irgendwie zu beherrschen. Sie geht auf ihn zu, er schleudert sie gegen einen Pfosten, sie nimmt ihm die Waffe aus der Hand, bittet ihn um Verzeihung und küsst die Schrammen, die seine Befreiung aus den Handschellen hinterlassen haben. Er ringt um Luft, kann nicht glauben, dass sie es ernst meint. Als sie ihn küssen will, stößt er sich von ihr ab und sucht in ihrem Ausdruck verzweifelt nach etwas, das ihm Sicherheit gibt. Kann es wirklich wahr sein, dass sie nach diesen 15 Jahren und ihrem erst wenige Stunden zurückliegenden Verrat nun bei ihm ist, weil sie ihn noch liebt? Oder wird sie seine Verwundbarkeit ausnutzen, wenn er sich jetzt fallen lässt? Er lässt sich von seiner Liebe zu ihr überwältigen und erst da merkt man als Zuschauer, dass man genauso nach Luft schnappt wie er.

Die ganze Szene lebt und entfaltet ihre Intensität allein durch die Blicke und Mimik der beiden Hauptfiguren und das Wissen des Zuschauers um die unmenschlich grausamen Qualen, die Lucas durchlitten hat, um diese Nähe Anas nach unvorstellbar langen 15 Jahren nochmal erleben zu dürfen. Sein innerer Kampf spiegelt sich deutlich auf seinem Gesicht und in seinen Augen wider, von Furcht und Misstrauen ganz langsam zu Hoffnung und Leidenschaft bis er schließlich seinen Widerstand aufgibt. Selten haben Schauspieler soviel Raum und Zeit für eine solch tief emotionale Darstellung beinahe gänzlich ohne Dialog. Mit einem weniger talentierten Hauptdarsteller wäre eine solche Szene nicht machbar. Hier aber wird auf eine derart ausdrucksstarke Weise die Seele eines Menschen entblößt, dass man sich der Wirkung nicht entziehen kann.

Nicole Oebel - myFanbase

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