Die enttäuschendsten Staffeln 2012/2013
American Horror Story, Staffel 2
Ganz klar, "American Horror Story" ist eine Serie, bei der sich die Geister scheiden. So provokant, so kontrovers und so gewagt kann man nur sein, wenn man gewisse kreative Risiken eingeht, die das Publikum entweder akzeptiert oder nicht. Nachdem Staffel 1, trotz einiger Schwächen, sehr innovative und spannende TV-Unterhaltung parat hatte, war die Vorfreude und Neugier auf Staffel 2 natürlich groß, vor allem da im Vorfeld der Ausstrahlung von "American Horror Story: Asylum" eine ganze Reihe an grandiosen Teasern herausgegeben und ein sehr vielversprechendes Ensemble aus talentierten Schauspielern (darunter Altstars wie James Cromwell und Ian McShane) zusammengetrommelt wurde. Doch letztlich verpuffte all das Potential von "Asylum" im Nichts.
"The cruelest thing of all is false hope."
© Frank Ockenfels/FX
Eigentlich war die Idee, den Schauplatz des Geschehens in eine Irrenanstalt zu verlegen, prinzipiell eine sehr gute. Kaum ein Ort ist so unheimlich wie eine alte Irrenanstalt voller dunkler Keller und schattigen Winkeln und kaputten Menschen, die einen selbst am eigenen Verstand zweifeln lassen. Doch im Laufe der Staffel entwickelte sich Briarcliff von einem wirklich gruseligen und spannenden Ort zu einem kreativen Kerker, da die ewige Tristesse irgendwann einfach zu eintönig war. Der ständige Kreis aus horrenden Taten, die vor einem Hintergrund grauer Depression abgespielt wurden, stumpfte den Zuschauer bald total ab. Elektroschocktherapien am laufenden Band, sinnlose Gewalt, Verstümmelungen und Kastrierungen – irgendwann war der Versuch, so schockierend wie nur möglich zu sein, einfach nicht mehr glaubwürdig.
Ja, die Glaubwürdigkeit. Das war eindeutig das große Problem dieser Staffel. Wie soll eine Geschichte auch nur ansatzweise glaubwürdig sein, wenn darin Spielbergsche Außerirdische, zombiehafte Waldmonster, fiese Nazis UND der Teufel höchstpersönlich vorkommen? Wie soll man auch nur ansatzweise eine Art von Authentizität und Substanz in einer Geschichte finden, die selbst überhaupt keine Ahnung davon hat, welche Richtung sie einschlagen will? "Asylum" litt vor allem daran, dass man einen roten Faden quasi vergeblich suchte, dass viel zu viele verschiedene Elemente aus solch unterschiedlichen Genres wie Science Fiction und American Gothic, aus metafiktionaler Historie (in diesem Fall der Nationalsozialismus) und Religion einfach zusammengewürfelt wurden. Dann noch das Mysterium rund um Bloody Face mit Zeitsprüngen in die Zukunft und die Flashbacks in die Vergangenheit der Protagonisten. Nicht zuletzt dieser Mischmasch aus Tropen machte den Versuch, interessante Fragen bezüglich sozialer Devianz, der Relativität von Verrücktheit und Normalität oder dem Einfluss des Katholizismus näher und vor allem differenziert zu beleuchten, zunichte. Man wollte viel zu viel und verlor dabei das Ziel aus den Augen.
Und daher mussten letztlich auch die Charaktere an Glaubwürdigkeit einbüßen. Vergeblich suchte man in der breiten Palette an Protagonisten auch nur einen, den man ansatzweise als vielschichtig und real bezeichnen könnte. Schwester Jude war letztlich ein viel zu plakativer und klischeebehafteter Charakter, aus Dr. Arden wurde man nie wirklich schlau, Thredson war ein Psychokiller, Mary Eunice war die Hälfte der Zeit vom Teufel besessen, Kit war langweilig, Grace war mindestens genauso langweilig und Monsignore Timothy war die Dämlichkeit in Person. Einzig Lana, die tragischste Figur von allen, schaffte es ansatzweise, eine Art Mitgefühl und wirkliches Interesse beim Zuschauer zu evozieren. Der Rest der Charaktere konnte nie genug profiliert werden und wurde teilweise viel zu oft für die Story instrumentalisiert. "Asylum" konnte da wirklich nur von Glück reden, solch fähige Darsteller wie eine Jessica Lange, einen Zachary Quinto, eine Lily Rabe oder eine Sarah Paulson zu haben.
Man sollte natürlich nicht alles schlecht reden. Neben dem fast durch die Bank hervorragend spielenden Cast wurde gerade in inszenatorischer Hinsicht ganz tolle Arbeit geleistet, auch wenn in Sachen Schockermomenten/Splatter manchmal ein wenig mehr Subtilität nicht geschadet hätte. Zudem konnte die Staffel – und das ist sehr ungewöhnlich – gerade zum Ende hin nochmal eine deutliche Qualitätsverbesserung erzielen und tatsächlich mit einem recht gelungenen Finale abschließen. Doch insgesamt entpuppte sich "American Horror Story: Asylum" leider als eine ziemliche Enttäuschung. Enttäuschung deshalb, weil es fast über die gesamte Staffel an erzählerischer Kohärenz mangelte, weil die Figurenzeichnung nicht überzeugend genug war und weil der Horror durch die Überfülle an übernatürlichen Monstern irgendwann total absurd und damit unglaubwürdig wurde. Bleibt zu hoffen, dass Ryan Murphy und Brad Falchuk bei "American Horror Story: Coven", dem dritten Teil der Horroranthologie, wieder mit ein bisschen mehr Stringenz und Feingefühl arbeiten.
Maria Gruber - myFanbase
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