Die besten Storylines 2012/2013
Alberts Krankheit (Treme)
"Treme" ist ein viel zu wenig beachtetes Serienjuwel, das seit drei Jahren leider ein relativ unspektakuläres Dasein auf HBO fristet und dabei eigentlich jede Aufmerksamkeit verdient, die es nur kriegen kann. Als großflächig angelegte Sozialstudie des Stadtteils Treme in New Orleans zeichnet die Serie einerseits ein akkurates und sehr authentisches Bild der Bewohner, ihrer Lebensumstände und des immer wieder versagenden Systems, als detailliert vorgehende Charakterstudie vereint sie andererseits verschiedene Geschichten der unterschiedlichsten Charaktere – unter ihnen Musiker, Lehrer, Reporter, Anwälte, Polizisten, Geschäftsleute, Köche und Politiker – und nimmt uns mit in ihre Lebenswelt. Wie schon in den ersten zwei Staffeln gab es auch in Season 3 einige großartige Storylines, für die hier stellvertretend eine stehen soll: Albert Lambreaux, der Häuptling eines Mardi-Gras-Indianerstammes, der für den Mardi Gras und die Musik lebt, erkrankt an Krebs. Und damit beginnt die Entwicklung einer Storyline, die mit außerordentlicher Behutsamkeit und ohne große Überdramatisierung ihren konsequenten Lauf nimmt.
"I got lymphoma. I'm telling you, but not your sisters."
Es ist wirklich enorm, wie "Treme" es schafft, trotz seiner zahlreichen Charaktere und Handlungsstränge, ein derart delikates Thema wie eine Krebserkrankung so zu thematisieren, dass der Schwere einer solchen Erkrankung Rechnung getragen wird und man als Zuschauer mit großer Anteilnahme die Auswirkungen, die diese auf den Kranken und seine Familie hat, verfolgt. Albert Lambreaux, der Big Chief, ist ein sturer Mann, der schon immer sein Ding durchgezogen hat und sich nur ungern helfen lässt. Mit seiner gesundheitlichen Situation muss er sich erstmal abfinden und lehnt natürlich von vornherein erstmal jede Hilfe ab. So erzählt er nur seinem Sohn Delmond von seiner Erkrankung, um seinen zwei anderen Töchern keine Sorge zu bereiten und sich nicht von ihnen bemuttern lassen zu müssen. Doch natürlich kann Delmond dies nicht lange für sich behalten und so muss Albert bald damit klarkommen, dass er nun die Hilfe, die er sonst immer so vehement ablehnte, akzeptieren muss.
Gleichzeitig lässt er sich seine Freiheiten aber auch nicht nehmen: Seiner Leidenschaft, dem Musizieren mit seiner Mardi-Gras-Crew, das enorme körperliche Kraft und Durchhaltevermögen verlangt, geht er weiterhin nach, und auch sein soziales Engagement für die Stadt, die er so liebt, zieht er mit aller Macht durch, und wenn dies bedeutet, lautstark zu demonstrieren und sich mit der Polizei anzulegen. Das geht so weit, dass er seine Chemotherapie erst nach Mardi Gras anfangen will und von den Cops mit Pfefferspray und Schlägen malträtiert wird. Doch auch wenn Alberts Sturheit gerade für seine Kinder, die sich um ihren Vater sorgen, oft unverständlich ist, so ist es interessanterweise Delmond, der das meiste Verständnis für seinen Vater aufbringen kann und diesen gegenüber seinen Schwestern verteidigt. Die Vater-Sohn-Beziehung bekommt durch Alberts Erkrankung eine Tiefe, die man anfangs nicht für möglich gehalten hätte, als Delmond immer wieder mit seinem Vater aneinandergeriet, da er seinen Sohn nie loben konnte und immer seinen Kopf durchsetzen musste. Nun aber hat Delmond einen Punkt erreicht, an dem er seinen Vater verstehen kann, an dem er erkannt hat, dass dieser stolz auf ihn ist, auch wenn er es nie zeigt, und so steht er an seiner Seite, während Albert mit seiner Erkrankung kämpft. Auch die Freundschaft, die sich im Verlauf der dritten Staffel zwischen Albert und LaDonna entwickelt, ist wunderbar gestaltet, ohne viel Pathos oder Drama, sondern angetrieben von einem aufrichtigen gegenseitigen Verständnis, aus dem gegenseitige Unterstützung wächst.
Wenn man Albert dann in der letzten Szene von Staffel 3 in seinem Stuhl im Krankenhaus sitzen sieht, angeschlossen an diverse Apparate und Kanülen, ohne Haare und mit einem erschöpften Gesichtsausdruck, und er mit dem Sticken für den nächsten Mardi Gras beginnt, so ist die Nachricht klar: Dieser Mann lässt sich nicht unterkriegen, nicht von einem Hurricane, nicht von finanziellen Problemen, nicht vom Krebs. Er steht sinnbildlich für ganz New Orleans, ein Mann wie diese Stadt, die sich niemals beugen wird: Won't Bow Don't Know How.
Maria Gruber - myFanbase
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