Die besten Charaktere 2012/2013
Joe Carroll (The Following)

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Kevin Williamson hat mit seiner neuen Serie "The Following" mal wieder bewiesen, dass der Altmeister ein Händchen für vielschichtige Figuren hat. Viele der Charaktere in "The Following" sind wirklich überzeugend gut geschrieben, dazu zählen die Anhängerin Emma Hill (Valorie Curry) und der FBI-Agent Ryan Hardy (Kevin Bacon). Doch die überzeugendste und faszinierendste, wie zugleich abstoßendste Figur, ist Serienkiller Joe Carroll (James Purefoy).

"Is Carroll really that powerful?" - "He can inspire people – It's a gift."

Foto: James Purefoy, The Following - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Michael Lavine/FOX
James Purefoy, The Following
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Michael Lavine/FOX

Als perfekter Gegenspieler zu Ryan Hardy konstruiert, entwickelt Joe Carroll schnell eine Eigendynamik, die mich als Zuschauer fasziniert. Man weiß, dass Carroll schlecht ist und die Menschen für sich und seine Pläne ausnutzt, gleichzeitig schafft er es den Zuschauer immer mehr in seinen Bann zu ziehen. Es ist eine Gratwanderung zwischen absoluter Abneigung und vollkommener Faszination. Seine Art zu reden und aufzutreten, lenkt den Fokus sofort auf ihn, selbst wenn er mit Ryan Hardy auftritt. Es sträubt sich in mir alles, wenn ich daran denke, von was für einer Figur ich gerade fasziniert bin: einem Mörder, der keinerlei Probleme damit hat, andere Menschen auszunutzen. Ein Individuum, das vom Töten so fasziniert ist und gleichzeitig eine solche Ausstrahlung hat, dass dutzende Anhänger ihm nicht nur folgen, sondern auch für ihn sterben. Ein Mann, der sich seine eigene Welt schafft, in der jeder so handelt, wie es ihm gefällt, eine Welt, in der er die Regeln und das Handeln bestimmt – ganz wie ein Schriftsteller über sein Buch und dessen Verlauf. Und genau daran schreibt Carroll: sein neues Buch soll von genau dieser Jagd handeln, die er zur Zeit mit dem FBI spielt. Er kennt seine Hauptfigur Ryan Hardy sehr genau, denn ihn hat er die letzten Jahre ausführlichst analysiert. Es zeigt sich an dieser Stelle auch schnell, dass Carroll gut mit Variablen zurecht kommt. Der Schriftsteller kann nicht gewusst haben, welche Agenten auf ihn angesetzt werden, trotzdem finden sie schnell einen Weg in seine Story. Selbst als alles beginnt aus den Zeilen zu laufen, die er vorgegeben hat, meist aufgrund der Figuren, die er nicht jahrelang beobachtete und deren Verhalten er dem entsprechend nicht so genau kennt, weiß er wohin er die Figuren führt. Es ist Ryan, der am Ende so handelt, wie Carroll es vorhergesagt hat, zum Beispiel als es darum geht seine FBI-Kollegin zu retten, die Carrolls Anhänger lebendig begraben haben. Carroll weiß, dass Ryan zu spät kommen wird und er weiß, dass er alleine zu ihm kommen wird, wenn sie tot ist. Dieser Fokus auf Ryan und Carrolls Wissen über ihn, machen die Figur sowohl faszinierend, als auch auf gewisse Weise abstoßend. Er widmet sein ganzes Leben dem Leben eines anderen, nur um dieses zu zerstören.

Ich fühle mich auf gewisse Art an den Serienkiller Dexter Morgan erinnert, doch ist mir klar, dass Carroll, im Gegensatz zu Dexter, vollkommen böse ist. An dieser Stelle muss auch die schauspielerische Leistung des Briten James Purefoy genannt werden. Er schafft es Carroll so vielschichtig, aber alle Charakterzüge voneinander untrennbar, zu gestalten, dass sein Charakter komplex wirkt, auch wenn er sich überhaupt nicht verändert. Mit vielschichtig ist hier auf der einen Seite Carrolls Gabe gemeint charmant und nahbar zu wirken, Eigenschaften, welche ihm als Sektenführer von Vorteil sind, die ihn aber auch für seine Anhänger real werden lassen. Auf der anderen Seite ist er absolut böse und selbstverliebt – bis zum Schluss. Purefoy spielt fast zwei Personen in einer, was seinen Charakter umso komplexer und realistischer werden lässt, denn so entsteht eine Mehrdimensionalität, die Carrolls Handeln legitimiert. Es wird deutlich, warum er Ryan verfolgt und quält, und auch warum er seine Frau liebt und seine Anhänger ihn lieben. Ebenso wie in diesem Hass und dieser Liebe seine charmante und umgarnende Art zum Vorschein kommt, die immer dann existieren, wenn es um die beiden Menschen geht mit denen er diese starken Gefühle verbindet. So ist es auch zu erklären, dass er beispielsweise zu Emma nie eine so innige Beziehung pflegt, wie sie zu ihm. Er schafft es Emma so zu beeinflussen, dass sie ihn liebt, aber dennoch nicht sieht, dass er sie nur ausnutzt, um seinen eigenen Hass und seine eigene Liebe zu leben.

In der Figur selbst finden sich wundervolle Parallelen zu seinem Vorbild Edgar Allan Poe. Poe war ein trinkender, rachsüchtiger Mensch, der sich selbst für das Maß aller Dinge hielt. Poe regelte alles in seinem Leben, wie auch danach. Zwar ist bis heute nicht geklärt wie Poe genau starb, doch am Ende seiner Zeit war er oft betrunken, geistig verwirrt und körperlich stark angeschlagen. Poe gilt heute als wirklich brillant, wozu ihn aber erst seine späten Anhänger machten, zuvor war er ein verhöhnter Mensch. Wie auch Poe wird Carrolls Leben zu einem Höhepunkt gebracht, den ich als Zuschauer zum einen begrüße und zum anderen schwer bedaure. Mit seinem Tod ist nun die Mordserie Carrolls zu Ende und er muss seine perfiden Rachepläne an Ryan mit dem Leben bezahlen, was ich als rationaler Mensch nur begrüßen kann. Auf der anderen Seite sind aber auch seine Psychospiele mit Ryan und seiner Ex-Frau Claire (Natalie Zea) vorbei, worin die gesamte Spannung der ersten Staffel lag. Es wird schwierig sein James Purefoys Charakter in der kommenden Staffel zu ersetzen. Ein kleiner Teil von mir hofft, dass Carroll der Flammenbrunst entkommen konnte. Es würde zu seiner Figur passen, die bisher alle Steine, die ihm in den Weg gelegt wurden, wegräumen konnte.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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