Die enttäuschendsten Momente 2012/2013
#4.12 Im Angesicht des Todes (Vampire Diaries)

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Die Mikaelsons sind in "Vampire Diaries" die Urvampire. Über 1000 Jahre alte Vampire, die eine ungeheure Macht haben. Sie wurden von ihrer Mutter, der ursprünglichen Hexe Esther, durch einen Zauber und das Blut der ursprünglichen Doppelgängerin Tatia zu Vampiren gemacht und haben seither unzählige Menschen in Vampire verwandelt. Sie unterscheiden sich von den nächsten Generationen aber zum einen dadurch, dass sie ausschließlich mit einem Pfahl der ausgestorbenen Weißeiche getötet werden können, und zum anderen sind sie ungleich stärker als all ihre Abkömmlinge, da sie die ursprünglichen und somit ältesten Vampire sind. Sowohl Elijah als auch Klaus wurden jeweils eine halbe Staffel lang angekündigt und beide feierten einen imposanten Einstand. Sie wurden zu entscheidenden Handlungsträgern und bekamen ihre eigene Geschichte. Legenden wurden erzählt und eine Erwartungshaltung geschaffen. Die Urvampire wurden zu zentralen Figuren gemacht, die geachtet und gefürchtet werden, selbst die mehrere Jahrhunderte alten und damit auch durchaus mächtigen Vampirinnen Rose und Katherine fliehen seit 500 Jahren vor ihnen, weil sie wissen, dass sie bei einer Konfrontation keinerlei Chance hätten.

"This cure has ruined us."

Foto: Nathaniel Buzolic, Insurgence Germany 2013 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Nathaniel Buzolic, Insurgence Germany 2013
© myFanbase/Nicole Oebel

Kol ist einer der Mikaelson-Geschwister, er ist der jüngere Bruder von Elijah und Klaus, und er wird in Staffel 3 mit einem Dolch im Herzen in einem Sarg liegend eingeführt, wie auch andere seiner Geschwister, die Klaus auf diese Weise verwahrt. Das erste, was wir über ihn hören, deutet darauf hin, dass er ein draufgängerischer und skrupelloser Vampir ist, mit dessen Wankelmut sich nichtmal Klaus auseinandersetzen möchte. Angesichts der hohen Erwartungshaltung allen Urvampiren gegenüber rechnet man hier also mit einer richtig unbeherrschten und spannenden jüngeren Version von Klaus. Sobald Kol in den wachen Zustand versetzt wird, schwächt sich das Ganze aber schon ein wenig ab, denn er ist zwar frech und skrupellos, bringt aber - trotz seines Verlangens danach - zunächst mal keinen einzigen Mord zustande, sondern wird vielmehr durch den vergleichsweise jungen Vampir Damon durch einen Genickbruch außer Gefecht gesetzt. Während in Staffel 1 Damon noch gegen die ein paar Jahrhunderte ältere Pearl wehrlos war, als diese ihm per Machtdemonstration beinahe die Augen ausstach, geht es mit dem Ausschalten des Urvampirs Kol unglaublich leicht vonstatten. Sowohl Alaric als auch Damon pflöcken ihn in kurzen Abständen.

Bei seiner Rückkehr in Staffel 4 erleben wir zum ersten Mal einen Kol, vor dem man sich fürchten müsste. Er tötet eine ganze Gruppe junger Vampire, um damit ein Ritual zu verhindern, er beeinflusst Damon, sich selber zu foltern, und beauftragt ihn anschließend, Jeremy Gilbert zu töten. Dafür gibt es allerdings einen Grund. Kol will damit um jeden Preis verhindern, dass Klaus, Elena und die anderen auf der Suche nach dem Heilmittel gegen Vampirismus eine mystische Figur namens Silas wiederbeleben. Kol ist der einzige, der über viele Jahrhunderte von Hexen gelernt hat, welche Gefahr Silas bedeutet, aber niemand will ihm glauben oder auch nur zuhören, obwohl es eigentlich richtig vernünftig ist, was er zu sagen hat. Schließlich hatten Elena und ihre Freunde einmal genügend Moral, um das Wohl einer einzigen Person, die das Heilmittel nehmen kann, nicht über das Wohl aller anderen zu stellen, die durch das Wiederbeleben Silas' in Gefahr wären.

Natürlich aber soll Kol nun sterben. Er bedroht Elenas jüngeren Bruder und er steht ihr im Weg. Die logische Konsequenz für unsere ehemals moralische Hauptfigur lautet da nicht Auseinandersetzung, sondern Mord. Als Zuschauer, der aufgrund von Kols fundierter Argumentation nun echtes Interesse für Erlebnisse und Hintergründe dieses Charakters entwickelt, fühlt man sich allerdings relativ sicher. Schließlich kann ein Urvampir nicht mal eben von ein paar jungen Leuten getötet werden. Wäre das so einfach, dann hätten all die Mikaelson-Geschwister sicher nicht über 1.000 Jahre überlebt, in denen sie sogar von ihrem extrem gerissenen Vater gejagt wurden.

Aber es kommt, wie es kommen musste. Elena und Jeremy fordern Kol zum Kampf heraus, und während Elijah in #2.08 Rose noch mit einem glatten Schlag mit der Hand problemlos Trevors Kopf abschlagen konnte, verletzt Kol die beiden Gilbert-Geschwister natürlich nicht auf eine Art und Weise, die sie außer Gefecht setzen würde. Ganz im Gegenteil, es gelingt einem Babyvampir wie Elena nicht nur, ihren Bruder vor Kols Augen von seinen Fesseln zu befreien, sondern Kol gleichzeitig auch noch mit einem Messer zu verletzen. Und er, der nicht nur über Superkraft sondern auch Supergeschwindigkeit verfügt, ist davon so überwältigt, dass er sich von Jeremy auch noch mit Eisenkrautwasser derartig außer Gefecht setzen lässt, dass Elena ihn mit seinem eigenen Weißeichenpfahl töten kann.

Kol hatte diesen Weißeichenpfahl kurz zuvor erst Rebekah abgenommen und ihr damit demonstriert, wie leichtsinnig sie war, diesen nicht besser zu verstecken. Die Urvampire leben seit über 1.000 Jahren und wissen, dass der Weißeichenpfahl das einzige ist, was sie töten kann. Und Kol trägt diesen offen und locker in seiner Jackentasche herum, wenn er zu seinem Feind ins Haus geht? Und Eisenkraut entkräftet ihn so sehr, während Elijah die Eisenkrautbombe in #2.08 innerhalb von nicht einer Sekunde weggesteckt hat? Und Kol, der Pfahlgeschosse aus einer Armbrust mit bloßen Händen fangen kann, ist nicht schnell genug, Elena in Schach zu halten? Man kann als Zuschauer in diesem Moment gar nicht fassen, wie unlogisch die Szene ist, die sich vor den eigenen Augen abspielt. Kol wird von diesen jungen, völlig unerfahrenen Teenies wirklich, wahrhaftig und endgültig getötet ...und das einzig Gute daran ist die Reaktion von Klaus, der alles mit ansieht. Joseph Morgan rettet hier mit seiner grandiosen Darstellung von Klaus' Schmerz so einiges.

Aber man kann nicht umhin, sich zu ärgern, wie leicht hier Potenzial verschenkt und verschwenderisch mit vielversprechenden Figuren umgegangen wurde. Klaus, Elijah und Rebekah wurden allesamt mit einer Vergangenheit und eigenen Geschichten ausstaffiert. Jeder von ihnen bildet in der Gegenwart einen interessanten Charakter, der mitreißende Storylines motiviert. Kol blieb das verwehrt, obwohl sich diverse lohnenswerte Möglichkeiten anboten, wie zum Beispiel eine echte Freundschaft mit Jeremy oder eine neue Verbindung zu den Hexen, von denen er sprach. Laut Serienmacher Julie Plec war seine Geschichte zu Ende erzählt. Da muss man sich doch fragen: welche Geschichte? Die Angst vor Silas kann doch wohl kaum den gesamten 1.000 Jahre alten Charakter ausgemacht haben.

Zu der absolut lächerlichen Tötung und dem missachteten Potenzial kommt noch hinzu, dass mit Finn bereits einer der Urvampire getötet und damit demonstriert worden war, dass die gesamte Blutlinie mit den Urvampir stirbt. Dass Elena Kol hier ganz bewusst auch deshalb tötet, weil dadurch seine Abkömmlinge mit ihm sterben, ist mehr als erschreckend. Es handelt sich dabei um unzählige Vampire, die irgendwo ein bewegtes Leben führen wie sie selbst. Und Elena opfert diese ohne mit der Wimper zu zucken? Das ist sicherlich als Entwicklung im Charakter der Elena zu bezeichnen, aber eine die nicht nachvollziehbar ist, und an den Punkt zu gelangen, an dem der zentrale Hauptcharakter auf nicht mehr nachvollziehbare Weise handelt, ist extrem kritisch.

Kurz bevor das Spinoff "The Originals" an den Start geht, noch einen dieser "Originals" und damit eine in der neuen Serie ausbaufähige Figur zu töten, ist mehr als fragwürdig, besonders wenn man berücksichtig, wie beliebt Kol-Darsteller Nathaniel Buzolic in der Fangemeinde ist. Für die vierte Staffel von "Vampire Diaries" war der Mord an Kol ein wahnsinnig enttäuschender Moment, da erstens eine der Grundfeste der hier verwendeten Vampirmythologie ins Wanken gerät, nämlich die Übermacht der Urvampire, weil zweitens wiedermal eine Figur, noch bevor sie sich entwickeln konnte, einfach mal eben rausgeschrieben wird, und weil es drittens ein sehr sehr schlechtes Licht auf Elena wirft, die eigentlich die Sympathieträgerin sein sollte.

Nicole Oebel - myFanbase

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