Die verstörendsten Momente 2012/2013
#3.16 Stirb und töte (The Walking Dead)

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Kenner des Comics dürften sich im Finale der zweiten Staffel voller Vorfreude die Hände gerieben haben, als die Kamera ganz am Ende der Episode hoch über die Köpfe der Protagonisten schwenkte und am Horizont das Gefängnis zu sehen war. Das Gefängnis spielte gerade zu Beginn der Comics eine unglaublich wichtige Rolle, denn es bot den Charakteren zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen gewissen Schutz und ein klein wenig Normalität nach der Zombie-Apokalypse. Doch das ist nicht das zentrale Element, auf das sich die meisten Comic-Kenner gefreut haben dürften. Vielmehr war dies das Auftauchen eines der schrägsten und brutalsten Charaktere des "The Walking Dead"-Universums, dem Governor.

"In this life now you kill or you die. Or you die and you kill."

Foto: David Morrissey, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
David Morrissey, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Ein wenig enttäuscht war der ein oder andere bestimmt, als der Governor endlich die Bühne betrat und so anders war als der Mann, den man in den Comcis kennen und hassen gelernt hatte. Keine Frage, David Morrisey ist ein unglaublich charismatischer Darsteller und auch die Geschichten, die Serienmacher Glen Mazarra um ihn aufgebaut hatte, waren durchaus interessant anzusehen. Doch er war nicht das kranke Arschloch, das manch einer sich erhofft hatte.

Viel zu brav wirkte dieser Philip Blake, der eine kleine Gemeinde um sich scharte und dort versuchte, die Moral und die Hoffnung für eine bessere Zukunft aufrecht zu halten. Er war beliebt in der kleinen Gruppe in Woodbury, hatte für alles und jeden Verständnis und war auch Fremden gegenüber immer nett und zuvorkommend. Kurzum, er war nur ein Schatten des Mannes, der in den Comics Angst, Schrecken und Fassungslosigkeit verbreitet hatte.

Hin und wieder blitzte durch, dass der Governor auch eine andere Seite hatte – er hielt sich seine zombifizierte Tochter in seiner Wohnung, starrte am Abend am liebsten auf abgetrennte Beißerköpfe und veranstaltet Zombiekämpfe, um seine Untertanen bei Laune zu halten. Dann, ganz plötzlich, zog der Governor mit ein paar seiner Männer los und knallte ein paar wehrlose Überlebende ab. Und das ohne mit der Wipmer zu zucken. Schon hier war man als Zuschauer ein klein wenig überrumpelt, denn der Mann, den wir hier erleben durften, war tatsächlich ein krankes, abgebrühtes Arschloch ohne jegliches Gewissen. Aber bei weitem noch nicht so angsteinflößend wie der Mann aus den Comics.

Der wirkliche Wendepunkt in der Charakterzeichnung des Governor findet jedoch in einer kleinen Szene des Winterfinales statt, in der Michonne (Danai Gurira) die zombifizierte Penny findet, hinrichtet und Philip dies tatenlos mitansehen muss. Alleine schon diese Szene, als er sich auf Michonne stürzt, kurz davor ist, sie zu töten und sie ihm eine Glasscherbe ins Auge sticht, hätte es verdient, hier als verstörendste Szene erwähnt zu werden, denn sie verschlägt einem dem Atem, gerade wegen ihrer Brutalität seitens beider Charaktere.

Diese Szene war ein Wendepunkt für den Governor, aber angesichts des Finales der Staffel nicht die Szene, die mich als Zuschauer am meisten verstört hat. Nachdem Philip seine Tochter verloren hat, will er nichts anderes als Rache an Michonne üben und verliert darüber sämtliche Moral. Er fordert von Rick (Andrew Lincoln) die Herausgabe von Michonne, nachdem er erfahren hat, dass diese mittlerweile bei ihm Unterschlupf gefunden hat und droht damit, seine gesamte Gruppe nieder zu metzeln, sollte er Michonne nicht an ihn ausliefern. Dies verunsichert nicht nur Rick, sondern auch den treuesten Gefährten, den Philip bislang um sich hatte, Milton Mamet (Dallas Roberts). Der muss mitansehen, wie der vernünftige, souveräne Mann immer mehr von seinem Gewissen verliert und irgendwann sogar einen ehemaligen guten Freund einfach so abschlachten will.

Doch nicht die Tatsache, dass er Milton am Ende niedersticht, weil dieser sich nicht mehr auf seine Seite stellt oder dass er Andrea (Laurie Holden), mit der er zuvor noch so etwas wie eine Liebesbeziehung aufgebaut hatte, auf einen Folterstuhl fesselt und von einem zombifizierten Milton töten lassen will, schockieren am Ende der Staffel.

Es ist vielmehr die kleine Szene, in der er ohne zu zögern sämtliche Mitglieder der Gemeinde von Woodbury hinrichtet, weil sie es vorziehen, am Leben zu bleiben, anstatt sich gegen eine Gruppe Menschen zu stellen, die ihnen selbst nichts getan hat. In dem Moment, als er sein Maschinengewehr erhebt und auf jeden feuert, der vor ihm steht, verliert er das letzte bisschen Menschlichkeit, das noch in ihm war. Am meisten verstört dabei jedoch, dass der Governor nicht einfach wahllos in die Menge schießt, sondern jeden einzelnen, der gerade noch an seiner Seite kämpfte, kaltblütig und gezielt hinrichtet. Und nicht nur Martinez (Jose Pablo Cantillo) und Shumpert (Travis Love), die letzten beiden noch verbleibenden Männer auf der Seite des Governor, müssen ihm dabei fassungslos zusehen. Auch der Zuschauer sitzt wie gelähmt von der unglaublichen Brutalität der Szene vor dem Fernseher. Man hat just in diesem Moment keine Möglichkeit überhaupt richtig zu erfassen was da gerade geschehen ist und sieht einfach nur mit an, wie der Governor am Ende dieser Szene in seinen Wagen steigt und gemeinsam mit den vollkommen überforderten Männern davon fährt. Diese Szene ist so unvorhersehbar, so brutal und so schockierend, dass sie alles andere in den Schatten stellt, den Governor tatsächlich zu einem kranken Arschloch werden lässt und mich als Zuschauer am Ende vollkommen verstört zurück lässt.

Melanie Wolff - myFanbase

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