Die besten Staffeln 2012/2013
Homeland, Staffel 2

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In der vergangenen TV-Saison zählte "Homeland" sicher zu den spannendsten und aufregendsten TV-Neustarts, avancierte schnell zum Kritiker- und Publikumsliebling und triumphierte schlussendlich auch bei der Emmy-Verleihung. Die zweite Staffel wurde dementsprechend zwar sehnsüchtig, aber auch mit einer gehörigen Skepsis erwartet, hegten doch viele Zweifel daran, ob die Prämisse der Serie auch eine zweite, qualitativ ebenso hochwertige Staffel hergeben würde. Im Verlauf der zweiten Staffel sahen sich viele Kritiker und auch ein großer Teil des Publikums dann in ihren Zweifeln bestätigt: Die Serie werde immer hanebüchener, unglaubhafter, sei viel zu hastig und ohne jede erzählerische Eleganz erzählt, die Nebenhandlung funktionieren nicht und die immer mehr im Zentrum stehende Liebesgeschichte zwischen der zentralen handelnden Figuren wird immer abenteuerlicher und abstruser und im Allgemeinen konnte kaum an die famose erste Staffel angeschlossen werden. Viele Kritikpunkte sind sicherlich diskussionswürdig und können schlussendlich auch nicht ganz so leicht unter den Teppich gekehrt werden. Fest steht aber auch, dass in der TV-Saison 2012/2013 kaum eine Serie einen dermaßen vor dem Bildschirm fesseln konnte und das lag größtenteils nicht an den in "24"-Manier immer wilder werdenden Plot-Wendungen, sondern an den zwei starken, ungeheuer ambivalenten und spannenden Hauptfiguren, die „Homeland“ in seiner zweiten Staffel zwar nicht zu einer wirklich guten Polit-Thriller-Serie, dafür aber zu einem umso besseren, glaubhaft erzählten und berührenden Charakterdrama werden ließen.

"I'm more alone than I was in the bottom of that hole in Iraq."

Viele waren sicher davon ausgegangen, dass sich die zweite Staffel im Kern um Brodys doppeltes Spiel und die Jagd auf Abu Nazir drehen wird. Teilweise ist dies zwar auch eingetreten, doch das bereits am Ende der zweiten Folge Brodys Kooperation mit Nazir aufgedeckt wird, war doch eine handfeste Überraschung, mit der keinesfalls gerechnet werden konnte und die viele Erwartungen direkt mal über den Haufen warf. Im Rückblick stellt sich dieser erzählerische Kniff aber als durchaus richtig heraus, lieferte Brodys frühe Enttarnung doch den Grundstein für eine der intensivsten, schauspielerisch stärksten und mitreißendsten televisionären Momente der letzten Jahre: Die schon jetzt legendäre Verhörszene, in der Carrie Brody mit seinen Taten konfrontiert und ihn emotional bricht. Hier liefern die "Homeland"-Verantwortlichen die bisher beste Folge der noch recht jungen Seriengeschichte und schicken den Zuschauer in ein enorm aufwühlendes Wechselbad der Gefühle. Hier sitzt jede Geste, jedes Mienenspiel und jeder Satz. Liebe, Enttäuschung, Verrat, Wut und Hoffnung geben sich hier die Klinke in die Hand und erzeugen so eine Sternstunde des nun abgelaufenen Fernsehjahres. Schon allein für diese Szene, die auch insgesamt in eine enorm starke Gesamtfolge eingebettet ist, gehört "Homeland" eigentlich schon in diese Kategorie. Doch auch die Hinführung zu dieser Szene, in der die geschasste, in eine Elektroschocktherapie getriebene Carrie ihre ganz persönliche Auferstehung feiert, ist erzählerisch äußerst gelungen. So knüpfen die ersten fünf Folgen insgesamt sehr gut an die erste Staffel an und führt die Story konsequent, überraschend und spannend weiter.

Danach steigert sich die Serie auf erzählerischer Ebene leider ein wenig zu sehr in seine waghalsigen und überkonstruierten Plotdrehungen- und Wendungen hinein und verliert so ein wenig die konzentrierte, gut ausgelotete und durchdachte erzählerischer Linie der ersten Staffel. Nimmt man aber ein wenig Abstand von dieser rein narrativen Ebene und rückt den Fokus mehr auf die Charakterentwicklungen, so gehört "Homeland" auch in der zweiten Staffel immer noch zu dem besten, was das amerikanische Fernsehen momentan zu bieten hat. Insbesondere die innere Zerrissenheit des Nicholas Brody, der zwischen verschiedenen Loyalitäten, Verpflichtungen und Überzeugungen permanent hin und her schwankenden und in eine Sackgasse nach der nächsten getrieben wird, ist sehr überzeugend und packend dargestellt. Auch seine Beziehung zu Carrie und die Gesamtdarstellung dieser alle Regeln brechenden Beziehungen, bei der man als Zuschauer selten wirklich weiß, welche Gefühle echt oder nur gespielt sind und was der eine wirklich bereit ist für den anderen schlussendlich zu tun, macht den Reiz dieser Staffel aus. Dazu kommen die weiterhin außergewöhnlich starken schauspielerischen Leistungen von Claire Danes und Damian Lewis, die ihre Leistungen aus der ersten Staffel teilweise sogar noch toppen und einen so auch spielend leicht über die eine oder andere Plotlücke hinweghelfen. Gerade die Ambivalenz dieser Beiden handlungstragenden Charaktere, aber auch der moralische Rückhalt der Serie in Person des weiterhin so sympathischen Saul Berenson, tragen zum Erfolg dieser Staffel bei, die dann in einem Staffelfinale endet, dass einen wieder einmal vom Hocker reißt und mit einem extrem mutigen Storydreher die Weichen stellt für eine dritte Staffel, die zwangsläufig eine ganze neue Richtung einschlagen wird.

Nimmt man einige Unglaubwürdigkeiten und vereinzelte unausgereifte erzählerische Momente bei Seite und verliert sich nicht zu sehr im Suchen von Logikfehlern, so bietet die zweite Staffel "Homeland" weiterhin extrem gute, spannende Unterhaltung, verpackt im Gewand eines ambivalenten, mit diversen Erwartungen leicht spielenden und emotional mitreißenden Charakterdrama, bei dem weniger die politische Botschaft, als vielmehr das Ausloten von inneren Charakterdynamiken zentral ist. So gehört "Homeland" auch in seiner zweiten Staffel zu den momentan besten amerikanischen Fernsehserien und auch wenn noch nicht wirklich zu erahnen ist, in welche Richtung die dritte Staffel gehen wird, sollte man durchaus Vertrauen in die Autoren haben, die mit der zweiten zwar nicht ganz die Brillanz der ersten erreicht haben, trotzdem aber das Entwickeln von guter televisionärer Unterhaltung definitiv nicht verlernt haben.

Moritz Stock - myFanbase

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