Die besten Staffeln 2013/2014
True Detective, Staffel 1

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Vermilion Parish, Louisiana. Der schier unlösbare Fall eines psychopathischen Frauenmörders. Zwei Detectives, die diesen lösen wollen. Bricht man die Prämisse von "True Detective" auf diese elementaren Versatzstücke herunter, klingt die Serie zunächst mal wie viele andere Copshows auch. Doch was HBO diese Season mit "True Detective" vorlegte, war keinesfalls ein 0815-Krimiformat. Drehbuchautor Nic Pizzolatto, der kreative Genius hinter dem Projekt, und Regisseur Cary Joji Fukunaga präsentierten mit dem acht Episoden umfassenden ersten Teil der wahrscheinlich mehrstaffeligen Krimianthologie eine Serie, die in Sachen Storytelling, Inszenierung und Schauspiel derart hohe Maßstäbe setzt, dass man fast schon von einer Revolutionierung des Krimigenres sprechen kann. Denn welche Copshow schafft es schon, zeitgleich einen hochspannenden Fall zu liefern, eine detaillierte Charakterstudie zweier Männer und ihrer Partner- bzw. Feindschaft über 17 Jahre hinweg zu betreiben, und existentielle Fragen über die Abgründe der menschlichen Seele und den Sinn des Lebens zu stellen?

"Touch darkness and darkness touches you back."

Foto: Matthew McConaughey, True Detective - Copyright: 2013 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Matthew McConaughey, True Detective
© 2013 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

Ironischerweise ist die Lösung des Falls – die Aufklärung von Dora Langes Mord und den vielen anderen Frauenmorden im Rahmen eines teuflischen Kults – eigentlich das unwichtigste Element in "True Detective". Der Mordfall dient als Grundlage für Pizzolattos philosophisches Kammerspiel, das sich zentral um die zwei Protagonisten Rustin Cohle (Matthew McConaughey) und Marty Hart (Woody Harrelson) dreht. Cohle und Hart sind das Herzstück der Serie, es sind deren Privatleben, deren Erlebnisse und deren Beziehung zueinander, auf die sich die Serie konzentriert und konzentrieren will. Nichts anderes. So ähnelt "True Detective" nicht selten einem regelrechten Theaterstück, wenn etwa Cohle und Hart tiefgründige Gespräche in ihrem Auto führen, oder wenn 17 Jahre später Cohle bzw. Hart mit den Detectives Gilbough und Papania den alten Mordfall durchgehen. Hier wird die Serie stellenweise so derart intellektuell, dass man sich in einer Philosophie-Vorlesung glaubt.

Und in diesen Momenten produziert "True Detective" regelrechte Poesie. Jeder Satz hat da Potential für die Zitatsammlung. Da geht es um Realität und Illusion, um Vergänglichkeit und Zeit, um Leben und Tod, und das alles aus dem Blickwinkel des Nihilisten Cohle und des nicht weniger dem Leben überdrüssigen Hart. Harts Storyline mag auf den ersten Blick etwas konventionell erscheinen – überforderter Kriminalbeamter, der seine Frau betrügt, und schließlich allein endet –, doch eigentlich ist seine Geschichte eine äußerst traurige, von viel Wut und Zorn geprägte, und von der Unfähigkeit, Gutes im Leben zu erkennen und zu erhalten. Harts einzige Konstante ist Cohle. Die zwei Kollegen sind in Hassliebe miteinander verbunden, können weder mit- noch ohne einander. Dabei ist Cohle ganz klar der enigmatischere, komplexere und faszinierendere Charakter des Duos, nicht zuletzt dank McConaughey, der hier die wahrscheinlich bis dato beste Leistung seiner Karriere abliefert. Die ganze Kaputtheit, all den durchlebten Schmerz, die innere Leere, weiß McConaughey mit sagenhaftem Feingefühl zu transportieren. "True Detective" zeigt mit Cohle und Hart vermeintliche Gesetzesmänner, deren eigenes moralisches Lot völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist, und die gerade deshalb so reizvolle Charaktere sind.

Doch so düster das ganze Setting von Pizzolattos Story auch ist, man wird als Zuschauer regelrecht hineingesogen in diese große Desolation, in diese verlorene Welt am Rande der Gesellschaft, die Cary Joji Fukunaga so hervorragend atmosphärisch inszeniert. "True Detective" erinnert nicht selten an einen David-Fincher-Film und ist sämtlichen handwerklichen Dingen über jeden Zweifel erhaben. Da wird etwa eine sechsminütige Verfolgungsjagd ohne einen einzigen Schnitt gefilmt, sodass man als Zuschauer am Ende einfach nur völlig fertig mit den Nerven ist, und bei einem Verhör geht die Kamera so nah ans Gesicht heran, dass man sich selbst in der Szene gefangen glaubt. Drehbuch und Inszenierung greifen so perfekt ineinander, dass sie sich gegenseitig verstärken und man von der ästhetischen Brillanz geradezu berauscht ist.

In Retrospektive könnte "True Detective" womöglich der Startschuss für eine neue Ära des Fernsehens sein: HBO hat bewiesen, dass es funktionieren kann, ja dass es sogar überaus hervorragend funktioniert, wenn man einem einzigen Drehbuchautor und einem einzigen Regisseur die Zügel in die Hand gibt, sie einfach arbeiten lässt, Top-Schauspieler an Bord holt und eine Story in einem abgesteckten Rahmen von acht Episoden fertig erzählt. Diese klaren Vorgaben haben zumindest bei "True Detective" ein kleines Meisterwerk ergeben, an das diese Season qualitativ kaum etwas herankommt. Hut ab vor allen Mitwirkenden für die Schaffung dieses erfrischend neuen, unglaublichen mitreißenden und in jeder Hinsicht hervorragend gestaltenen Formats, das einem noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Maria Gruber - myFanbase

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