Die besten Storylines 2013/2014
Das Ehedrama der Scullys (Masters of Sex)

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Die neue Showtime-Serie "Masters of Sex", die die Geschichte der Sexualwissenschaftler William Masters und Virginia E. Johnson erzählt und damit zusammenhängend den auf wahren Ereignissen basierten Beginn der modernen Sexualwissenschaft thematisiert, mutete in diversen Vorankündigungen und vom Stil der in den 50er-Jahren angesiedelten Geschichte zunächst wie eine "Mad Men"-Kopie mit mehr Sex an, entwickelte sich dann aber doch recht schnell zu etwas ganz eigenem und nahm den Kontext der experimentellen Erkundung der menschlichen Sexualität für eine vielseitige und behutsam erzählte Auseinandersetzung mit der Komplexität menschlicher Gefühle. Ganz und gar nicht effekthascherisch ist "Masters of Sex" in der ersten Staffel vor allem ein erstklassiges Charakterdrama mit ausgezeichneter Besetzung und Momenten voll subtiler Rührung. Im Zentrum der ersten Staffel standen natürlich die von Michael Sheen und Lizzy Caplan so gegensätzlichen Figuren William Masters und Virginia E. Johnson, aber auch abseits dieser zentralen Hauptfiguren bot die Serie im erweiterten Ensemble ein Arsenal spannender Nebenfiguren und Nebengeschichten, die sich thematisch aber immer perfekt mit der eigentlichen Haupthandlung ergänzten und diese teilweise sogar übertrumpften.

"It's not enough"

Foto: Masters of Sex - Copyright: 2013 Sony Pictures Television, Inc. and Showtime Networks Inc. All Rights Reserved. Erwin Olaf/SHOWTIME
Masters of Sex
© 2013 Sony Pictures Television, Inc. and Showtime Networks Inc. All Rights Reserved. Erwin Olaf/SHOWTIME

Die am meisten zu Herzen gehende und emotional aufwühlendste Storyline der ersten Staffel und eine der am besten erzählten Storylines der vergangenen Season war dabei zweifelsfrei die von Provost Barton Scully und seiner Frau Margaret, großartig verkörpert von den gestandenen Charakterschauspielern Beau Bridges und Allison Janney. Barton Scully ist der Leiter des Lehr-Krankenhauses, in dem William Masters arbeitet und forscht und lebt im Heimlichen seine Homosexualität aus, in dem er sich für Geld mit jungen Männern trifft. Die Darstellung des zweiten Lebens dieses Mannes, der es karrieretechnisch nach ganz oben gebracht hat und seine Frau über alles liebt, ihr aber nicht die Form von Zuneigung geben kann, nach der sie sich sehnt, ist mit seiner solch emotionalen Tiefe und so vielen ambivalenten Zwischentönen erzählt, die einen ehrlich auf verschiedenen Ebenen mitnimmt.

Es geht in dieser Storyline ganz stark um die Auseinandersetzung mit verschiedenen Gefühls- und Zuneigungsebenen. Barton liebt seine Frau ganz offensichtlich, er sorgt sich um sie, er kümmert sich um sie, er will, dass sie ein gutes und schönes Leben hat und er ist schlussendlich auch gerne mit ihr verheiratet, kann aber aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung ihr nicht die Art von Liebe und Zärtlichkeit geben, nach der sie sich sehnt. Es bleibt eine unterkühlte Liebe, die eher auf freundschaftlicher Ebene operiert und da schlussendlich stehen bleibt. Margaret flüchtet sich dann in eine Affäre mit einem jungen Arzt und Lebemann, der diese Affäre aber eher als aufregendes kleines Abenteuer begreift und ansonsten nicht so viele Gefühle darin investiert, wie Margaret, die schon im fortgeschrittenen Alter, das erste Mal die wahre Schönheit menschlicher Sexualität kennenlernt und sich in diesem vorher nicht gekannten Glück förmlich verliert, dabei aber nicht merkt, dass der junge Arzt Austin Langham ganz andere Vorstellungen von der Art der Beziehung hat.

Die Storyline gipfelt schließlich in einer Dialogsequenz von ungeheurer Sprengkraft, in der Margaret ihren Mann mit all ihren aufgestauten Emotionen und der verlorenen gegangen oder nie wirklich vorhandenen Leidenschaft in ihrer langen Ehe konfrontiert. Margaret begibt sich in dieser Szene in eine Bar, wo sie auf einen jungen Mann trifft, mit dem sie ein kurzes Gespräch führt. Kurz danach taucht ihr Mann plötzlich in der Bar auf und ihr wird klar, dass ihr Mann in dieser Bar ist, um den jungen Mann zu treffen und plötzlich wird ihr endgültig bewusst, in welch traurige Richtung sich ihr Leben entwickelt hat. Allison Janney zeigt hier eine Performance, die körperlich weh tut. Margaret sagt dem jungen Mann, dass alle Menschen in jungen Jahren, wenn sie glauben wirklich verliebt zu sein, denken, dass sie eine glückliche Ausnahme darstellen, dass ihre Liebe bestand haben wird, dass sie ein glückliches und erfüllendes Leben führen werden und nicht so enden werden, wie die alten, traurigen Ehepaare, die man so oft auf der Straße sieht, die sich nichts mehr zu sagen haben, wo die vielleicht irgendwann mal vorhanden gewesen Leidenschaft komplett verblasst ist. Und sie dreht sich dann zu ihrem Mann um und sagt ihm direkt ins Gesicht, wie sehr es schmerzt, dass man sich irgendwann in einer lieblos gewordenen Ehe plötzlich selbst wie eine Versagerin vorkommt, wie man sich selbst dafür verantwortlich macht und sich selbst dafür quält und sich fragt, ob man überhaupt nochmal mit voller Zärtlichkeit in den Arm genommen wird.

Eine Szene voll grausamer Tragik, die einen auch beim erneuten Schauen die Tränen in die Augen treibt und eine anhaltende Gänsehaut verursacht. Die große Tragik hier ist aber nicht, dass diese Ehe wie viele bloß immer liebloser geworden ist, sondern, dass Barton seine Frau auf einer bestimmten Ebene aufrichtig liebt, ihr aber diese Liebe nicht so zeigen kann, wie sie es sich wünscht. Die Darstellung dieser Ehe, dieser zwei so ungeheuer komplexen Figuren, mündet in dieser grausamen Szene, in der in einer einzigen Sequenz soviel über die Entwicklung von Liebe, die Last der Einsamkeit und der Sehnsucht nach dem Gefühl von Geborgenheit ausgesagt wird. Wie sehr Barton seine Frau liebt zeigt sich dann in einer späteren Szene, als er seine Frau in ein Autokino ausführt und dort versucht alte Leidenschaften wieder heraufzubeschwören. Die Szene gipfelt schließlich in einem flüchtigen Kuss und einem Gespräch, in dem es um die Affären der beiden geht und Margaret geht in diesem Moment immer noch davon aus, dass ihr Mann sich seit geraumer Zeit schon mit weiblichen Prostituierten vergnügt hat, was natürlich umso mehr schmerzt, wirft dies doch die Frage auf, warum ihr Mann sie selbst und ihren Körper nicht mehr begehrt. Schließlich teilt sie ihm mit, dass sie die Scheidung will.

An diesem Punkt beginnt Barton um seine Ehe und seine Frau zu kämpfen und beendet die Affäre mit dem Prostituierten Dale, eine Affäre, die weit über reine Körperlichkeit hinausging. Das traurige hierbei ist die Fortsetzung einer traurigen Lebenslüge, von der er sich nicht befreien kann und die seiner Frau, die er liebt, auch mehr schadet, die zu einer Ehe ohne sexuelle Leidenschaft und echter körperlicher Anziehung geführt hat. Die ganze Darstellung dieser Ehe, die Auseinandersetzung mit der nicht ausgelebten Homosexualität ist so vertrackt und schmerzhaft, zeigt aber auch so viele Facetten von Liebe und sagt viel über die Bedeutung von Sexualität und Körperlichkeit auf der einen und der weiten Bandbreite von Gefühlen auf der anderen Seite aus. Das ist ganz starkes Fernsehen und eine brillant erzählte Storyline einer starken Auftaktstaffel.

In den letzten Folgen der Staffel erfährt Margaret dann von den homosexuellen Neigungen ihres Mannes, was ihr Leben dann endgültig in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt und viele entwickelte Selbstverständlichkeiten und Vorstellungen der eigenen Ehe grundlegend verändert und schließlich auch die ganze individuelle Lebensführung in Frage stellt. In der letzten Folge der ersten Staffel kommt es dann zur Konfrontation, in der Barton seine Homosexualität als Scham und Fehler bezeichnet und verspricht mit Hilfe einer Elektroschocktherapie die eigenen sexuellen Neigungen zu "beseitigen". Der Kampf mit der eigenen Sexualität, die Betrachtung und der Umgang mit Homosexualität in einer Zeit, in der über die eigene Sexualität oder die verschiedenen Formen von Sexualität schlichtweg nicht gesprochen wurde, ist ein weiterer zentraler Teil dieser Storyline, aber auch der ganzen Serie, in der gezeigt wird, wie die Grundsteine für einen offeneren und liberaleren Umgang mit der eigenen Sexualität gelegt werden. Diese Aspekte der Storyline fügen sich deshalb auch ganz organisch in die übergreifenden Themen der ersten Staffel ein und machen diese Storyline zu einem zentralen Teilaspekt der ersten Staffel. Am Ende entscheiden sich Barton und Margaret dafür um ihre Ehe und auch ihre Liebe zu kämpfen, einer außergewöhnlichen, aber auch zerstörerischen und beide wohl nie wirklich ganz erfüllenden.

Moritz Stock - myFanbase

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