Die besten Momente 2013/2014
#1.11 Tall Men with Feelings (Orange Is the New Black)

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Das Jahr 2013 stand in Sachen Fernsehen ganz im Zeichen des neuen Big Players Netflix, dem US-amerikanischen Streaminganbieter, der mit zahlreichen neuen und vor allem hochwertigen Produktionen auf sich aufmerksam machte. Das Politikdrama "House of Cards" und die Wiedergeburt der Kultcomedyserie "Arrested Development" zogen dabei im Vorfeld die meiste Aufmerksamkeit auf sich, aber am Ende sollte es die obskure Serie "Orange Is the New Black" sein, die bei den Kritikern und Zuschauern die wahre Leidenschaft auslöste. Es mag wohl auch weiterhin so sein, dass der gelegentliche TV-Serienschauer, der ab und an einmal eine Serie im sogenannten Binge-Verfahren verschlingt, zunächst auf das oberflächliche "House of Cards" stößt, aber die Kenner der TV-Szene nahmen "House of Cards" nur am Rande wahr, während "Orange Is the New Black" durch gute Mundpropaganda und danach durch überschwängliche Kritiken einen tiefen, bleibenden Eindruck hinterließ.

"They are just people. They are just women..."

Dabei baute die Serie über ein Frauengefängnis, das wir durch die Augen der privilegierten Piper Chapman kennenlernen, einen beeindruckenden Bogen im Rahmen seiner ersten Staffel auf, der in einem besonderen Moment während der elften Episode kulminiert und den Zuschauern vor Augen führt, mit welchen subtilen Mitteln man auf zahlreichen Ebenen eine Weiterentwicklung sowohl der Geschichte, als auch der Charaktere beobachten durfte. Glaubte man bis zu diesem Zeitpunkt noch, man verfolgt mehr oder weniger chronologisch Pipers Leben im Gefängnis, ihre alltäglichen Herausforderungen und wird so Zeuge vieler kleiner und großer Geschichten ihrer Mitinsassinnen, erkennt man, dass die Serie die ganze Zeit über mit unseren Eindrücken, Erwartungen und sicher auch Vorurteilen bewusst spielte und nun diese dazu nutzt, uns den Spiegel vorzuhalten. Aber nun wahrlich nicht, um ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, sondern man erkennt einfach, wie weit wir uns von dem oberflächlichen Bild der vielen Frauen verabschiedet haben, welches Piper und damit auch wir noch am Anfang der Serie hatten. Uns wird klar, dass wir neben Piper all die Frauen wie Suzanne, Alex, Red, Miss Claudette, Nicky und Morello so nah kennengelernt haben, dass es uns als Zuschauern wehtut, sie nun noch einmal als reine Archetypen zu sehen.

Dazu nutzt man geschickt Larry als Mittel zum Zweck, der in einem Radiointerview Pipers Worte aus ihrer Anfangszeit wiedergibt. Wir werden daran erinnert, wie sie noch nur wenige Episoden zuvor schienen, jetzt, wo wir so viel mehr über sie erfahren haben und all diese Frauen ganz individuelle Facetten und Hintergrundgeschichten erhielten. Besonders krass ist dieser Kontrast ausgerechnet an der bis dato noch als Crazy Eyes belächelten Suzanne. Kurz vor Larrys Interview teilt Piper einen überraschenden Moment mit Suzanne, in der die über die erschütternden Erfahrungen innerhalb der psychiatrischen Abteilung spricht, und in erschütternd ehrlicher Weise nachfragt, warum alle sie nur Crazy Eyes nennen. Dieser Moment bewirkt im Zuschauer, sie sofort nur noch als Suzanne zu bezeichnen, ihr menschliche Wärme und vor allem Würde einzuhauchen, so dass Larrys Worte, die ja indirekt nur Pipers wiedergeben, deshalb nur umso mehr schmerzen.

Die Szene, in der das gesamte Gefängnis Larry im Radio lauscht, und klar wird, dass er und Piper in dieser schwierigen Zeit zwei völlig getrennte Erfahrungen machen, dass die Piper von vor einigen Wochen eine völlig andere Frau war und die simple Botschaft deutlich wird, dass hinter jedem Klischee ein Mensch steckt, ist eine der beeindruckendsten Momente der vergangenen TV-Season. Mit einem Schlag wird die gesamte Entwicklung innerhalb der ersten Staffel der Serie verdeutlicht, die Serie nimmt alle zuvor sorgfältig vorbereiteten Puzzleteile behutsam in die Hand und setzt sie zu einem wunderschönen Bild zusammen. Letztendlich ist die gesamte erste Staffel absolut gelungen, dazu gehören aber auch gezielte Momente wie das Radiointerview von Larry, welches die Qualität der Serie noch einmal klar in den Fokus rücken. #1.11 Tall Men with Feelings ist eine großartige Episode, denn neben dem verbindenden Element von Larrys Interview gibt es wichtige Entwicklungen wie die Wahrheit über Pipers und Alex' Trennung in der Vergangenheit, die Nachwirkungen von Tricias Tod, die angesprochene Humanisierung von Suzanne und weitere wichtige Schritte in der Beziehung von Daya und Bennett. Aber im Moment des Interviews präsentiert sich "Orange Is the New Black" von seiner absolut besten Seite.

Cindy Scholz - myFanbase

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