Die enttäuschendsten Staffeln 2013/2014
Reign, Staffel 1

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Zu den positiven Überraschungen des Serienherbstes 2013 zählte für mich auf jeden Fall "Reign": Zwischen all den Mystery- und SciFi-Serien auf The CW stach das historische Setting mit originell-moderner Umsetzung angenehm hervor und das Period-Drama konnte mit emotionsgeladenen, intensiven Szenen, starken Charakteren und einer außergewöhnlich fesselnden Chemie zwischen den Schauspielern punkten. Über die eine oder andere Logiklücke oder etwas unausgegorene Storyentwicklung sah man dabei großzügig hinweg – immerhin war es eine tolle Guilty-Pleasure-Serie, die einem schnell ans Herz wuchs. Bis zur Winterpause war ich fest davon überzeugt, einen Text über "Reign" für die Kategorie der besten Staffeln der vergangenen Season zu schreiben. Doch dann kam die zweite Hälfte der ersten Staffel – und mit jeder Folge wuchs die Verzweiflung.

Monty Python meets GZSZ

Foto: Torrance Coombs, Reign - Copyright: The CW
Torrance Coombs, Reign
© The CW

Im Nachhinein wünsche ich mir wirklich, die Serie hätte keine Back-Nine-Order bekommen und wäre erst im Herbst weitererzählt worden – der Verzicht auf Mary, Francis und co. im Frühjahr 2014 wäre zwar kaum auszuhalten gewesen, aber vielleicht hätten es die Autoren mit mehr Zeit für die Ausarbeitung eines weiterführenden Konzepts geschafft, die Qualität von "Reign" in der zweiten Staffel zu steigern. Denn man kann sich einfach nicht des Eindrucks erwehren, dass die kreativen Verantwortlichen gar nicht so recht wussten, was sie noch alles in der ersten Staffel unterbringen wollten. Anders kann man sich kaum erklären, wie eine gut funktionierende Story so furchtbar aus dem Ruder laufen kann, dass sie statt emotionalem Mitfiebern nur noch fassungsloses bis resignierendes Kopfschütteln auslöst.

Alles, aber auch wirklich alles, was die erste Staffelhälfte so gut gemacht hatte, wurde plötzlich auf die skurrilste Art und Weise ins Gegenteil verkehrt: Clarissa, das angenehm-gruslige Mysterium, wurde zu einer lächerlichen Karikatur, die als uneheliche Tochter, entstelltes Monster und schließlich wiederauferstandene Tote völlig überladen war. König Henry, der furchteinflößende und doch charismatische Patriarch, bekam kurzerhand und aus dem Nichts eine geistige Verwirrung und Religiosität angedichtet, die den Charakter völlig verwässerte. Marys Hofdamen, zu Beginn zwar naiv, aber unerschrocken und fast schon emanzipiert, wurden zu willenlosen Spielbällen des Hoflebens, deren einziger Lebensinhalt eine standesgemäße Hochzeit ist. Und selbst das Herzstück der Serie, die wunderbare Romanze von Mary und Francis, verkümmerte zu einem nervigen Hin und Her inklusive halbherzigem Love Triangle mit Bash.

Aber nicht nur die Entwicklung der Charaktere und der Story blieben in der zweiten Staffelhälfte meilenweit hinter den Erwartungen zurück – die komplette Atmosphäre der Serie war plötzlich ganz anders. Die Fülle an grotesken Momenten gab einem das Gefühl, kein historisches Drama, sondern eine Slapstick-Parodie à la Monty Python's "Ritter der Kokosnuss" anzuschauen: König Henry, der seine Affäre aus dem Fenster vögelt; Olivia, die nach ihrem Verschwinden mit keinem Wort von jemandem erwähnt wurde und plötzlich mit verstrubbelten Haaren und Bisswunden aus dem Gebüsch gekrabbelt kommt; Mary, die ganz nebenbei dafür sorgt, dass Catherines Cousine geköpft wird, und noch so viel mehr, was ich schnell wieder verdrängt habe. Es war, als hätten die Autoren mitten im wildesten Drogentrip ein Brainstorming gemacht und aus den verrücktesten Ideen eine unmotivierte Geschichte zusammen gebastelt – aber es funktioniert nun mal leider nicht, aus einem Historiendrama kurzerhand eine Dramedy zu machen. Zumal die nicht-skurrilen Handlungsstränge quasi ausschließlich aus Klischees bestanden (ich sage nur: Lolas Schwangerschaft), sodass das fassungslose Kopfschütteln nur noch von genervtem Augenverdrehen abgelöst wurde.

Zwar blitzte auch in der zweiten Staffelhälfte etwas davon auf, was in den ersten Folgen so begeisterte, aber diese wenigen Momente (von Episoden kann man leider nicht mal sprechen) wurden durch die vielen negativen Aspekte so sehr getrübt, dass der ganze Spaß an der Serie sich immer mehr verflüchtigte. Durch völlig konfuse Handlungsstränge, eine irritierende Absurdität und viel zu viel Handlung, die für drei Staffeln ausgereicht hätte, enttäuschte "Reign" leider auf ganzer Linie. Bleibt nur zu hoffen, dass die Autoren es irgendwie schaffen, den Karren in der zweiten Staffel wieder aus dem Dreck zu ziehen, denn es wäre wirklich schade, das anfängliche Potenzial so fahrlässig zu verschenken.

Lena Stadelmann - myFanbase

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