Die besten Staffeln 2014/2015
Orange is the New Black, Staffel 2
"Orange Is the New Black" war eine der Entdeckungen des Streamingdienstes Netflix. Die Serie um die priviligierte Piper Chapman, die sich wegen einer Jugendsünde für 15 Monate hinter den Gittern eines Frauengefängnisses wiederfindet, konnte in der ersten Staffel mit tollen zwischenmenschlichen Momenten aufwarten, die die anfangs recht stereotyp wirkenden Charaktere alsbald zu Figuren evolvieren ließen, mit denen die Zuschauer mitfiebern und mitleiden konnten. Staffel 2 knüpft nahtlos an die Ereignisse aus der ersten Staffel an, setzt den Fokus jedoch noch stärker auf den Mikrokosmos des Litchfield-Gefängnisses und platziert im Laufe der Staffel dann sogar eine handfeste Antagonistin.
"God. This is the loneliest place I've ever been and I lived in a tree for eight months."
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Während wir Litchfield und seine Insassinnen während der ersten Staffel hauptsächlich durch Piper Chapman kennenlernen durften, überrascht es etwas, dass sie in der zweiten Staffel nunmehr nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Piper ist nicht länger Dreh- und Angelpunkt der Serie, die mittlerweile so viele interessante Charaktere hervorgebracht hat, dass es schier unmöglich ist, ihnen allen gerecht zu werden. Zwar konzentriert sich der Staffelauftakt noch ganz auf das Beziehungsdrama zwischen Piper und Alex, doch mit dem (wenn auch nur temporären) Ausstieg von Laura Prepon verlagert sich der Schwerpunkt der Serie etwas. Besonders deutlich wird dies in der dem Auftakt folgenden Episode, in der Taylor Schilling nur mehr in den Credits auftaucht. Hier wird deutlich, wie wenig die Serie noch mit der eigentlichen Hauptdarstellerin steht und fällt.
Piper und ihr Kampf mit dem Alltag des Gefängnisses tritt in der Staffel hinter anderen Geschichten stark zurück, auch wenn man hin und wieder dem Zuschauer vor Augen führen will, dass sie noch immer einen besonderen Status genießt. Immerhin ist sie die erste Insassin, der Healy in der Mitte der Staffel Freigang verschafft, weil ihre Großmutter im Sterben liegt. Dies lässt kurzzeitig den Neid in den anderen Frauen hochkochen, die sich darüber ärgern, dass die gut betuchte Piper scheinbar mal wieder den Vorzug vor ihnen allen bekommt, doch als Zuschauer weiß man, dass dies nur der Kompensationsversuch von Healy ist, sein schlechtes Gewissen im Hinblick auf sein unterlassenes Eingreifen zwischen Pennsatucky und Piper zu beruhigen. Healy bleibt leider weiterhin eine sehr ambivalente Person – man nimmt ihm zwar ab, dass er sich um das Schicksal der Frauen in seiner Obhut sorgt, aber seine Möglichkeiten und seine Ideen, wie man ihnen helfen könnte, sind so beschränkt, dass es manchmal fast schon grausam ist, ihn scheitern zu sehen, weil er einfach nicht weiß, wie er seine Hilfe anbieten soll. Immerhin versucht er bei Piper, wie auch bei Pennsatucky sein Fehlverhalten zu rehabilitieren, scheitert jedoch daran, dass er zu den anderen Frauen einfach keinen Zugang findet.
Die anderen Wärter machen in dieser Hinsicht auch keine bessere Figur und so ist es nicht verwunderlich, dass niemandem so recht aufzufallen scheint, dass mit dem Neuankömmling Vee eine Person im Gefängnis Einzug hält, die den Alltag dort um einiges gefährlicher werden lässt. Die Idee, eine echte Antagonistin einzuführen, die nicht nur charismatisch, sondern auch noch ruchlos ist, ist interessant und durch ihre Verbindung zu Taystee, wie auch Red entfaltet sich über die gesamte Staffel hinweg eine spannende Geschichte, die am Ende ein dramatisches Ende nimmt. Leider versäumt man es, Vee ein wenig mehr Profil zu geben, doch man wird das Gefühl nicht los, dass sie es nicht ist, die im Zentrum stehen soll. Vielmehr ist sie nur Mittel zum Zweck, um anderen Frauen die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu entwickeln. Vee wird zum Mittelpunkt der schwarzen Gemeinschaft in Litchfield, die sich dem Neuankömmling ohne zu Zögern anschließen. Als erste ist es Poussey, die merkt, dass Vee nichts als ihr eigenes Auskommen im Sinn hat, was die anderen jedoch erst erkennen, als es bereits zu spät ist. Die Entwicklung in der Freundschaft zwischen Poussey und Taystee, sowie die Verwandlung von Suzanne hin zu einer Anhängerin, die blind jegliche Anweisungen befolgt, die Vee ihr gibt, sind wahnsinnig intensiv.
Auch der Konflikt zwischen Vee und Red, der sich von Episode zu Episode immer mehr zuspitzt, nachdem klar wird, dass die beiden nicht nur eine Geschichte miteinander haben, ist interessant inszeniert. Es kommt zu einem wahren Kräftemessen zwischen den beiden 'alten Hasen', bei dem Vee ihre Skrupellosigkeit und ihren Egoismus zeigt, der so ganz gegen das Bild steht, das sie ihren Mädchen gegenüber sorgsam aufgebaut hat.
Es sind jedoch nicht nur die großen, staffelübergreifenden Entwicklungen, die in der zweiten Staffel überzeugen können. Es sind auch die kleinen Offenbarungen über andere Charaktere. So rührt mich beispielsweise noch immer die Geschichte um Miss Rosa und ihre Krebserkrankung, mich überrascht Lornas Hintergrundgeschichte und der Zusammenbruch eines Lügengebildes, sowie Nickys Reaktion darauf. Mich fasziniert Pousseys Kampf um ihre Freundin und Reds Art, sich aus der Lethargie zu befreien, nachdem man ihr die Küche weggenommen hat.
Das alles klingt jetzt furchtbar dramatisch, doch die Autoren schaffen es, die schweren und dunklen Momente der Serie immer wieder durch witzige Situationen aufzulockern, in denen man aus dem Lachen nicht herauskommt (wie beispielsweise die Jobbörse). Oder sie überraschen mit Momenten, in denen man kurz sprachlos ist, wie Miss Rosas Entscheidung, Vee am Ende nach ihrer Flucht einfach nieder zu mähen, einfach weil sie hin und wieder nicht nett zu ihr war. Auch der Hungerstreik sorgt vor allem dank der immer wieder recht dämlich reagierenden Methheads Leanne und Angie, sowie den plötzlich auftauchenden Nonnen für den ein oder anderen witzigen Moment, während die Geschichte um die anfangs mehr als nervige Aktivistin Brook Soso am Ende eine unerwartete Wendung nimmt.
Die zweite Staffel "Orange is the New Black" bietet so viele Nuancen, so viele gelungene Momente, dass es schier unmöglich ist, diese in diesem Rahmen alle gebührend zu würdigen. Man schafft es, das Momentum der ersten Staffel hinüber zu transportieren und zeigt gleichzeitig, dass die Serie noch so viel Überraschendes in petto hat, dass es ein Graus ist, dass nach 13 Episoden schon wieder Schluss ist. Natürlich ist in Staffel 2 nicht alles perfekt, doch angesichts der vielen Dinge, die "Orange is the New Black" richtig macht, sind kleinere Ausfälle durchaus zu verschmerzen.
Melanie Wolff - myFanbase
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