Die besten Storylines 2015/2016
Verarbeitung von Dereks Tod (Grey's Anatomy, Staffel 12)

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Trauer ist so eine Sache in "Grey´s Anatomy". Während man zu Beginn der Serie die Ärzte durchaus Verluste verarbeiten ließ (insbesondere bei Denny), versuchte man später die Tode der Hauptcharaktere George O'Malley, Mark Sloan und Lexie Grey in ein paar wenigen Folgen abzuhandeln, um die Ärzte danach weiterziehen zu lassen. Zwar wurden die Figuren immer wieder mit einem Seufzer erwähnt, doch eine wirkliche Aufarbeitung gab es nicht, was stets eine Enttäuschung zurückließ.

Daher war es nicht überraschend, dass man ähnlich bei Derek Shepard verfuhr. Sein Tod war einerseits eine Folge von schlecht geschriebenen Zufällen und hätte für mich vor einem Jahr sogar noch zu enttäuschendsten Momenten gehört. Andererseits ließ man seine Frau und Protagonistin Meredith Grey Seattle für ein Jahr verlassen, sodass wir kaum etwas von ihrer Trauer zu sehen bekamen und stattdessen eine Flashback-Folge serviert bekamen. Zugegeben, man konnte das vor allem mit Szenen von Amelia Shepard, Dereks kleiner Schwester, auf großartige Weise ausgleichen, dennoch hinterließ der Tod von Derek bei mir eine große Welle der Enttäuschung und ich war mir ziemlich sicher, dass Derek in Staffel 12 kein allzu großes Thema mehr sein würde.

Und jetzt taucht (ausgerechnet!) die Verarbeitung von Dereks Tod als beste Storyline der TV-Season 2015/2016 auf. Ich bin, um ehrlich zu sein, genauso davon überrascht. Vor allem, da es Anfang der 12. Staffel so aussah, als würde man sich eher auf Merediths Weg als alleinerziehende Mutter, ihre Beziehung zu ihren Schwestern Maggie und Amelia und ihre Karriere als Ärztin konzentrieren. Doch spätestens als Meredith den Anfängern beibrachte, die Nachricht des Todes an Angehörige zu übermitteln, wurde deutlich, dass Dereks Tod doch nicht unterschlagen wird. Und damit heißt es jetzt: Auftritt, Penny.

"Perfect Penny killed my husband"

Foto: Patrick Dempsey, Grey's Anatomy - Copyright: 2013 ABC Studios
Patrick Dempsey, Grey's Anatomy
© 2013 ABC Studios

Dr. Penny Blake gehörte zu den Ärzten, die Derek nach seinem Unfall behandelten. Sie hatte auch eigentlich die zündende Idee, um Dereks Leben zu retten, wurde jedoch als Assistenzärztin überhört. Nach Dereks Tod hatte sie enorme Schuldgefühle, die sie Meredith auch offenbarte. Kein Zuschauer hat wohl noch groß einen Gedanken an diese junge Ärztin verschwendet, doch bei einer Dinnerparty von Meredith, Amelia und Maggie taucht sie urplötzlich als Callies neue Freundin auf. Bei dieser Dinnerparty kochen die Emotionen nur so hoch und es entsteht eine wahnsinnig intensive Folge, die zu den besten der Serie zählt: Merediths Reaktionen, als sie Penny wiederbegegnet, werden von Ellen Pompeo emmywürdig verkörpert und ihre wutentbrannte Reaktion, als sie von Pennys neuer Arbeitsstelle am Sloan Grey Memorial erfährt, unterbricht die gesellige Stimmung im Raum. Auch Amelias verstörte und hochemotionale Handlungen gegenüber Penny können berühren und haben mir von dem Moment an bewiesen, wie großartig diese Storyline wird. Denn es kommt, wie es kommen muss: Penny beginnt am Krankenhaus zu arbeiten.

Die Figur Penny ist im Prinzip reiner Plot Device – sie stößt Konflikte, wie zwischen Meredith und Callie und später auch zwischen Callie und Arizona, an, aber als Figur und vor allem in der Beziehung zu Callie bleibt sie eher blass. Das schadet dieser Storyline hier allerdings keineswegs, da somit Merediths und Amelias Trauer in den Fokus gerückt werden. Denn durch Pennys stetige Anwesenheit müssen sich Meredith und Amelia mit Dereks Tod dauerhaft auseinandersetzen.

Dies erfolgt vor allem nach der Attacke auf Meredith, in deren Folge Meredith nicht nur physisch, sondern psychisch Fortschritte macht: Webber zeigt ihr auf, dass sie Penny für ihr Handeln, Amelia für ihre Existenz als Dereks Schwester und Derek selbst für sein Sterben verzeihen muss, wodurch Meredith Penny endgültig akzeptiert und sie sogar ihre Mentorin und Lehrerin wird.

Auch Amelia gerät in diese Position, als sie realisiert, wie begabt Penny in der Neurochirurgie ist: Sie beginnt sie ebenfalls zu unterrichten und zu fördern und kann somit Penny verzeihen. Penny dient dabei als Katalysator um Merediths und Amelias Entwicklung voranzutreiben. Meredith beginnt sich wieder für Verabredungen zu interessieren, während Amelia in die Beziehung zu Owen investiert und ihn schließlich sogar heiratet.

Penny sorgt allerdings auch dafür, dass der Konflikt zwischen den Schwägerinnen Meredith und Amelia neu entfacht wird. Diese Beziehung der beiden ist im Grunde genommen die zentralste Storyline dieser Staffel. Schon mit dem Staffelbeginn wurde hier eine dynamische und vor allem spannende Kombination aufgezeigt: Die vor Gefühlen übersprudelnde und impulsive Amelia und unsere dark und twisty Meredith, die gemeinsam versuchen müssen, sich gegenseitig zu akzeptieren und eine Familie zu werden.

Das Hin und Her zwischen den beiden Frauen hängt natürlich vor allem mit Derek zusammen, sorgte sein Tod bereits im Finale der elften Staffel für einen ersten Streit. Doch durch Pennys Auftauchen, sprudeln diese Gefühle wieder und die beiden machen sich immer wieder bittere Vorwürfe: So wirft Amelia einmal Meredith vor, Penny nur zu unterrichten, um damit Dereks Erinnerung am Leben zu erhalten und sie selbst nur wegen ihm zu hassen. Später verlangt Meredith von Amelia, sich ein eigenes Leben zu suchen und nicht Dereks Leben zu leben. Die Beziehung der beiden Frauen zerreißt einem das Herz, überzeugt jedoch durch ihren Verlust von Derek immer wieder, da sie sich so auch einander annähern. Wenn Meredith Amelia im Staffelfinale offenbart, dass diese sie an sich erinnert und sie ihr anbietet, ihre Twisted Sister für den Tag zu sein, dann ist man sich sicher, dass sie beide Dereks Tod endlich akzeptiert haben und zu einer Familie geworden sind. Genau das, was sich Derek eigentlich stets gewünscht hat.

Was mir ebenfalls an dieser Storyline gefällt, ist die Art, wie Derek immer wieder thematisiert wird und dies auch in den kleinsten Szenen. Eine Decke von Derek kann Meredith beruhigen, als diese sich durch ihre neuen romantischen Gefühle für Dr. Will Thorpe verstört fühlt. Ein gemeinsamer Patient, der Dereks Schicksal teilt, sorgt für einen Moment der Nähe zwischen Meredith und Amelia. Der Verkauf von Dereks Wohnwagen sorgt bei Meredith für einen Kurzschluss und für eine gemeine, passiv-aggressive Art, die sie an alle anderen auslässt. Die Tatsache, dass Derek sie nicht zum Altar führen wird, löst bei Amelia erneut Unsicherheit und Trauer aus.

Die Trauer um Derek wird in dieser 12. Staffel in allen Formen und Arten gezeigt. Es wird geweint, einander angeschrien, aber es kommt auch zu Annäherung und zur Entwicklung der beiden Figuren Meredith und Amelia. Dafür sorgt auch die Einführung von Dr. Penny Blake, die dafür sorgt, dass die beiden Frauen sich mit Dereks Tod auseinandersetzen. Auf großartige Weise wird gezeigt, wie Verlust Menschen weiterhin beschäftigt und welche Folgen Verlust nach sich ziehen kann. Dies ist eine wirklich große Stärke dieser Staffel, da so eine ungemein emotionale Wucht erzeugt wird, was die Darstellerinnen Ellen Pompeo und Caterina Scorsone zu Höchstleistungen bringt.

Lux H. - myFanbase

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