TV-Season 2015/2016 - Sonderkategorie
Stranger Things: Beste Staffel 2016/2017

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Seit Streaming-Anbieter selbst in das Seriengeschäft eingestiegen sind, gibt es kaum mehr richtige TV-Seasons. Natürlich kann man sich weiterhin am US-amerikanischen Network-Fernsehen orientieren, doch Netflix, Amazon, Hulu und Co bieten ihre Ware auch unterjährig an, zur Midseason, im Sommer oder immer dann, wenn es ihnen eben gerade passt. Und so kommt es, dass dieses Jahr mit "Stranger Things" auch eine Serie gewürdigt werden soll, die eigentlich nicht mehr zur TV-Season 2015/2016 zählt, im nächsten Jahr aber wird sich kaum mehr jemand an Details erinnern, denn das Binge Watching lädt natürlich dazu ein, die Serie schnellstmöglich am Stück zu konsumieren. Daher findet "Stranger Things" doch noch den Weg in den Rückblick des vergangenen Jahres.

"You shouldn't like things because people tell you you're supposed to."

Foto: Stranger Things - Copyright: Netflix. ® All Rights Reserved
Stranger Things
© Netflix. ® All Rights Reserved

"Stranger Things" ist eine herrliche Hommage an die Gruselstreifen der 1980er Jahre. Die Brüder Matt und Ross Duffer, die hinter der Serie stecken, bedienen sich an Filmen wie "Poltergeist", "Carrie" oder "A Nightmare on Elm Street" und verbinden sie mit "Stand by Me" und "E.T. - Der Außerirdische". Heraus gekommen ist dabei ein zitierfreudiger Streifen, den amerikanische Kritiker damit umrissen, dass er "wie der Film wirkt, den Stephen King und Steven Spielberg nie zusammen gemacht haben". Tatsächlich enthält er etliche Themen, die sich auch in Stephen King-Werken wiederfinden: die Gruppe Jugendlicher beispielsweise, die sich einer unbekannten Macht in den Weg stellen und dabei erkennen, wie tief ihre Freundschaft tatsächlich geht. Ihr Versuch, das 'Monster' mit einer Steinschleuder zu erledigen, erinnert beinahe schon an die legendäre Steinschlacht aus Stephen Kings "Es".

Auf diese Weise führt "Stranger Things" viele Elemente zusammen und schafft daraus am Ende doch einen eigenständigen, an manchen Stellen furchteinflößenden, an anderen Stellen aber auch wieder herrlich amüsanten Film über menschliche Ängste, (paranormale) Abgründe und das alltägliche Grauen, das hinter jeder Ecke lauern kann.

Dreh- und Angelpunkt ist das Vierergespann um Dustin, Lucas, Mike und Will. Letzterer stolpert in einer gewittrigen Nacht über ein grausames Monster, das ihn mit in seine fürchterliche Dimension zerrt, die unserer Welt so nah und doch so weit von ihr getrennt ist. Während für die Kleinstadt Hawkins schnell klar ist, dass Will davongelaufen und verunglückt sein muss, gibt die Gruppe der drei verbliebenen Freunde nicht auf, Will zu suchen. Als dann plötzlich ein mysteriöses, schweigsames Mädchen mit kurzgeschorenen Haaren und unglaublichen telekinetischen Kräften auftaucht, da ist klar, dass etwas gar nicht stimmt in der Kleinstadt.

Foto: Stranger Things - Copyright: Netflix. ® All Rights Reserved
Stranger Things
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Und während die Gruppe um Mike von Eleven (so der Name des Mädchens) erfährt, dass sie aus einem Labor geflohen ist, nimmt Mike mittels Elektrizität mit seiner Mutter Kontakt auf. Es entstehen atmosphärische, gruselige Szenen, die natürlich in den entscheidenden Momenten nicht ganz ohne CGI-Effekte auskommen, aber dennoch die Stimmung der 80er-Jahre-Vorbilder hervorragend einfangen und einige großartige Spannungsmomente inszenieren, die man so nur noch wenig in der heutigen Horror-Welt, in der Folter und Grausamkeit dominieren, findet.

Abseits des Horrors finden sich eine Menge kleiner, aber interessanter Nebenschauplätze. Winona Ryder überzeugt in ihrer Rolle als verzweifelte Mutter, die die Hoffnung, ihren Sohn lebend zu finden, nicht aufgeben will und sich dabei immer haarscharf am Rand des psychischen Zusammenbruchs befindet. Fast hätte man sie nicht wiedererkannt, denn nichts, aber auch gar nichts erinnert an ihre früheren Filme. Aber auch das nicht vorhandene Liebesdreieck zwischen Wills Bruder Jonathan, Mikes Schwester Nancy und dem Highschool-Liebling Steve kann überzeugen, eben weil es keine klassische Dreiecksgeschichte ist, die hier erzählt wird, sondern man sich am Ende voll und ganz auf die Freundschaft konzentriert, die sich zwischen Nancy und Jonathan entwickelt, obwohl beide aus gänzlich unterschiedlichen Familien und Weltanschauungen kommen.

Natürlich gibt es das ein oder andere Klischee, hier und da – der drogen- und alkoholabhänige gute Cop, der sich gegen die Obrigkeit stellt. Die verzweifelte Mutter, die nichts unversucht lässt, um ihren Sohn zu retten. Die bösen Wissenschaftler, die durch ihre sadistischen Experimente die Menschheit gefährden. Es ist aber nicht so sehr das Was, das überzeugt, sondern das Wie. Das Zusammenspiel der einzelnen Parteien, die melancholischen Grundtöne, der ungebremste Idealismus der Charaktere und der herrlich unbekümmerte Tatendrang der Jugendlichen, die selbst vor einem brutalen Monster keine Angst haben, machen "Stranger Things" zu einer unglaublich intensiven Serie, die trotz kleiner Ungereimtheiten hier und da durchgehend zu überzeugend weiß.

Für alle 80er-Fans oder für diejenigen, für die Horror nicht gleichzusetzen ist mit Blut, Gedärmen und aufgeschlitzten Teenagern ist "Stranger Things" ein herrlicher Ausflug in eine Zeit, in der Filme noch spannend und gruselig waren. In der Jungs noch begeistert Dungeons and Dragons spielten, bevor sie am Abend mit ihrem Walkie Talkie den Tag Revue passieren ließen. Und in der Technik noch etwas Abstraktes war, das faszinierte und erstaunte. Es ist ein Trip in die Vergangenheit mit einem großartigen Synthie-Soundtrack, tollen Kinderdarstellern, glaubwürdigen Figuren und spannenden Geschichten. Also eine rundum gelungene Serie, die leider nach acht Episoden viel zu früh endet und die die Hoffnung auf eine zweite Staffel fast ins unendliche steigert.

Melanie Wolff - myFanbase

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