ABC - Ist das Glas halbleer, oder halbvoll?

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ABC ist in einer interessanten Position, kurz vor den Upfronts 2013. Wirft man einen Blick zurück auf die vergangene Season und betrachtet lediglich die Zahlen, dann müsste der Sender eigentlich als der große Verlierer dastehen. Denn in der werberelevanten Zielgruppe bleibt man weiter auf dem vierten Platz (also defakto dem letzten, denn The CW spielt nun einmal in einer viel tieferen Quotenliga) stecken, noch hinter den eigentlichen Sorgenkindern FOX (welches in diesem Jahr mit stark rückläufigen Zahlen seiner Casting-Shows "American Idol" und "X-Factor" zu kämpfen hatte) und NBC, dass seit Jahren als Prügelknabe der Entertainment-Presse herhalten muss. Und wie alle Broadcast-Sender verliert man auch im direkten Vergleich zum Vorjahr schmerzlich an Zuschauer, bei ABC sind es ganze acht Prozent.

Dennoch kann man beim Alphabet-Network der Zukunft rosiger entgegen sehen, als mancher Konkurrenzsender. Denn im Vergleich zu NBC, dessen Erfolg wirklich nur auf den Erfolgsgaranten Football-Übertragungen (die richtig viel Geld kosten) und dem Megahit "The Voice" beruhen, hat ABC immer noch einige legitime Hits im Repertoire, die man eben auch gut nutzen kann, um neuen Serien die nötige Starthilfe zu geben. Zwar ist dies in dieser Season leider nicht so gut gelungen, wie man sich im Vorfeld sicher erhofft hatte, aber eine neue Saison bietet auch hier neue Chancen.

ABC ist zudem der einzige Sender, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Kolumne noch keine Verlängerungen bekannt gegeben hat. Wir können hier also auf alle Serien im Ganzen blicken und uns mit den deren Möglichkeiten auseinandersetzen.


abgesetztunklarverlängert
666 Park AvenueBody of Proof
Don't Trust the B---- in Apartment 23Castle
Last ResortGrey's Anatomy
Private PracticeHappy Endings
Zero HourHow To Live With Your Parents (For The Rest Of Your Life)
Last Man Standing
Malibu Country
The Middle
Modern Family
Nashville
The Neigbours
Once Upon a Time
Red Widow
Revenge
Scandal
Suburgatory

Stand: 6. Mai 2013

Foto: Terry O'Quinn, 666 Park Avenue - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Terry O'Quinn, 666 Park Avenue
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Eine der größten Enttäuschungen bei ABC war in diesem Jahr sicher der leider ausbleibende Erfolg am Sonntagabend. Dieses Programmumfeld ist natürlich eines mit besonderen Herausforderungen, laufen dort doch im Herbst Football im Gegenprogramm, im Winter kommt es immer wieder zu zahlreichen Ausfällen durch Awardshows, der entscheidende Faktor ist aber sicher die große Konkurrenz der Prestigekabelsender wie HBO und AMC, die hier ihre Perlen auffahren. Man konnte bei ABC mit "Once Upon a Time" und "Revenge" da nicht wirklich dagegen halten und die beiden Überraschungshit der Season zuvor mussten empfindliche Einbußen hinnehmen. Diese konnte man zwar über die sogenannten Live Plus 7 Zahlen (die auch die Zuschauerzahlen per Aufnahme innerhalb einer Woche nach der Ausstrahlung mit einbeziehen) wieder etwas ausgleichen. Dass zeigt also, dass die Zuschauer nicht komplett das Interesse verloren haben, sondern dass sie diese Serien eben dann im Laufe der Woche nachholen. Da sich diese Zahlen aber nicht in Werbedollar umsetzen lassen (die Kunden zahlen nur für Live Plus 3), gibt es hier für ABC durchaus Handlungsbedarf. So muss sich kein Fan der beiden Serien Sorgen um deren Fortbestand machen, aber es wird sicher eine neue Programmierung geben. Dazu kommt die Tatsache, dass keine der ausprobierten neuen Serien auf dem Sendeplatz nach "Revenge" Fuß fassen konnte, weder "666 Park Avenue" noch "Red Widow" (die beide sicher nicht zurückkommen werden).

Das Sorgenkind am Montag ist bei ABC sicher das einstige Zugpferd "Dancing With the Stars", welches auch in diesem Jahr weiter in der Zuschauergunst absank. Da kann es also gut sein, dass ABC hier für die nächste Season große Veränderungen einplant. Entweder nur im Ausstrahlungszyklus seiner Reality-Franchises (momentan laufen zwei Runden des Tanzwettbewerbs pro Season, mit einem Durchlauf "Bachelor" dazwischen), oder man wirft das Programm tiefer gehender um und verschiebt diese Entertainment-Shows gleich ganz auf einen neuen Sendeplatz. Das hätte allerdings einen Haken, denn "Castle" hat mittlerweile den schwierigen Termin montags um Zehn fest im Griff und kann sich dort oft sehr gut gegen die starke Konkurrenz behaupten. Eine weitere Staffel für "Castle" ist also definitiv sicher und die Serie würde wohl auch bei einem Umzug die meisten seiner Zuschauer mitnehmen. Aber damit würde man den Montag fast kampflos der Konkurrenz überlassen.

Der Dienstag war in dieser Season eine reinste Katastrophe für ABC, durchaus auch wieder stark begründet im schwachen Abschneiden von "Dancing With the Stars". Aber die Programmierung der beiden Nischencomedys "Happy Endings" und "Don't Trust the B---- in Apartment 23" war von Anfang an das Äquivalent zur ins Korn geworfenen Flinte. Das Ende der beiden von ihren wenigen Fans zwar innig geliebten, aber eben von der breiten Masse völlig ignorierten Shows scheint damit auch besiegelt zu sein. Das Bitch aus Apartment 23 ist schon Geschichte und "Happy Endings" hat nur noch eine Chance, sollte sich ein Kabelsender seiner erbarmen (wie im letzten Jahr TBS für "Cougar Town", in diesem Falle solle der USA Network Interesse signalisiert haben). Schwieriger wird für ABC sicher die Entscheidung, was aus "Body of Proof" wird. Die Serie mit Dana Delany läuft mit arg schwachen Quoten, allerdings bei den älteren Zuschauern ist sie doch recht beliebt. Zudem hat sie einen besseren Übergang aus dem vorherigen Programm vorzuweisen, als alles andere, was man hier in den letzten Jahren ausprobiert hat. Aber wird dies den Programmverantwortlichen reichen? Vielleicht klappt es ja wieder mit einer Berufung als Nachfüller für die Midseason, hoch sind diese Chancen allerdings nicht.

Foto: The Middle - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
The Middle
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Am Mittwoch läuft es für ABC wie gewohnt eigentlich sehr gut. "Modern Family" bleibt trotz ganz leichter Abnutzungserscheinungen (sprich, dem ersten Jahr ohne Quotenzuwachs) einer der Tophits des US-Fernsehen, die Serie gehört konstant zu den Top 3 der gescripteten Programme (neben "The Big Bang Theory" und "The Walking Dead") und wird diesen Status sicher noch eine ganze Weile halten können. Dazu kommt "The Middle", über dessen Erfolg zwar niemand viele Worte verliert, das aber erstaunlich konstante und eben sehr gute Zahlen aufzuweisen hat. Beide Serien sind also so sicher im nächsten Programm vertreten wie das Amen in der Kirche. "Suburgatory" muss sich ebenfalls keine wirklichen Sorgen machen, auch wenn die Serie in dieser Season etwas hinter den Erwartungen zurückblieb und auf einem mittelprächtigen Quotenniveau verharrte. Ein ganz neuen Comedyhit konnte man dieses Jahr zudem wieder nicht starten, "The Neighboors" lief OK und kann sich Hoffnung auf eine Verlängerung machen (wobei es dann wohl in Richtung Freitagabend umziehen wird), der Spätstarter "How To Live With Your Parents (For The Rest Of Your Life)" kam bisher auf solide, aber wenig berauschende Zahlen. Hier hat ABC die Qual der Wahl und viel wird davon abhängen, welche Serien sich gut (auch mit den zukünftigen Neustarts) kombinieren lassen und wie gut die Comedy-Entwicklung ausfällt. Das erst am 1. Mai gestartete "Family Tools" ist dagegen schon jetzt völlig chancenlos.

Mit "Nashville" hat ABC seinen einzigen halbwegs erfolgreichen Dramaneustart im Programm, der wohl aus diesem Grund auch ins nächste Jahr ziehen wird, aber so ein richtiger Hammer ist der auch wieder nicht. Da lief "Revenge" im letzten Jahr auf dem gleichen Sendeplatz bedeutend besser. "Nashville" hat allerdings den Bonus, über die Musik und dazugehörige Produktintegration auch neben den Quoten noch etwas Geld einbringen zu können. Dennoch muss es für ABC die oberste Priorität sein, im nächsten Jahr wieder einen richtigen Dramahit zu landen.

Foto: Last Resort
Last Resort

Wobei eine absolut märchenhafte Erfolgstory hat der Sender in dieser Season durchaus zu bieten. Denn im zweiten Jahr hat Shonda Rhimes "Scandal" langsam aber stetig eine immense Fangemeinde aufgebaut, die mittlerweile wirklich beachtliche Quoten mit sich bringt. Dank einer inhaltlich wirklich sehr guten zweiten Staffel, einer beispiellosen Social-Media-Kampagne, besonders bei Twitter und sicher auch der Tatsache, dass die Serie eine unterbediente Zielgruppe versorgt, hat sich "Scandal" zu einer der Erfolgsgeschichten der Season gemausert. Das stärkt den kompletten Programmblock, also eben auch "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte", das sich trotz seines recht stattlichen Alters immer noch äußerst vital zeigt. Man muss nur der Form halber erwähnen, dass beide ihre Verlängerung praktisch in der Tasche haben. Hier hat ABC eine sehr potente Waffe in der Hand, mit der man viel Gestaltungsspielraum hat. Man könnte "Scandal" langsam als Anker des Abends aufbauen, bevor "Grey's Anatomy" die Luft ausgeht oder dieses Potential für neue Serien nutzen. Da schmerzt es auch nicht zu sehr, dass der Acht-Uhr-Sendeplatz weiterhin brach liegt. Leider konnte dort "Last Resort" im Herbst nicht überzeugen, welches damals vor einer wirklich schweren Aufgabe stand. Auch "Zero Hour" ging sang und klanglos unter.

Bleibt noch der Freitag in unserer Betrachtung übrig, das ungeliebte Stiefkind der US-Sender. Bei ABC sieht das allerdings seit einiger Zeit etwas besser aus, mit der sehr gut laufenden Reality-Show "Shark Tank" und der Renaissance der Familiensitcoms rund um "Last Man Standing" hat man hier mittlerweile ein erfolgreiches Konzept vorzuweisen. Senderchef Paul Lee ist ein bekennender Fan dieser eher altmodischen Familienserien und betont immer wieder, dass er diese gerne weiter ausbauen möchte. Wenn der Sender also unter der Woche große Veränderungen angeht und damit vielleicht einen anderen guten Sendeplatz für "Shark Tank" schafft, stehen hier vielleicht nächstes Jahr vier anstatt zwei Comedyserien im Programm. Dann hat auch "Malibu Country" gute Chancen auf eine zweite Staffel, wenn nicht könnte die Serie dem Rotstift zum Opfer fallen. "Last Man Standing" wird es aber ganz sicher ins nächste Jahr schaffen.

Pilotbestellungen der Broadcast-Networks

Foto: Copyright: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
© Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Für die Zukunft hat ABC zudem auch einige heiße Eisen im Feuer. Im Dramabereich fürht sicher kein Weg am "Avengers"-Ableger "Agents of S.H.I.E.L.D." aus der Feder von Joss Whedon vorbei. Nicht nur hat man hier ein vitales Comic-Franchise im Hintergrund, man stützt sich auch auf den erfolgreichsten Kinofilm der letzten Jahre, spricht eine sehr breite Zielgruppe an (eben die ganze Familie) und kann sich auf viel Publicity durch die Presse im Vorfeld verlassen. Spannend ist dabei weniger, ob ABC die Serie bestellt, sondern wo man diese dann wirklich programmieren wird. Sie wäre jedenfalls einer der wenigen Neustarts, die von ganz allein einen ganzen Senderabend umkrempeln könnte.

Neben "S.H.I.E.L.D" hat wohl auch das geplante "Once Upon a Time"-Spin-Off sehr gute Chancen aufgenommen zu werden. Hier sieht ABC innerhalb der erschaffenen Serienwelt viel Potential und sollte die Umsetzung des Ablegers halbwegs solide sein, wird es sich wohl im neuen Programmplan wiederfinden.

Darüber hinaus ist das Einschätzen von Pilot-Chancen ja immer nicht viel wissenschaftlicher als Teeblätter-Lesen. Man ist auf Gerüchte aus dem Umfeld der Studios angewiesen, die durchaus auch von Insidern betroffener Shows gestreut werden, um so einen gewissen Druck auf die Programmplaner auszuüben. Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle darauf zu erwähnen, dass "The Goldbergs" rund um Wendi McLendon-Covey laut Insiderberichten einigen Buzz produziert haben soll, mehr über die wirklich georderten neuen Serien erfahrt ihr dann aber wie gewohnt nach der Verkündung des neuen Programms am 14. Mai.

Cindy Scholz - myFanbase

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