Lights Out - Review des Piloten

"Wie ein wilder Stier", die diversen "Rocky"-Filme, "Das Comeback", "Ali" oder auch der in Kürze in den deutschen Kinos startende "The Fighter" – Boxerdramen haben weiterhin Hochkonjunktur. Es scheint fast so, als sei die Mischung aus menschlichem Drama, Comeback, Triumph und halbnackten Männern, die sich mit Handschuhen ausgestattet verprügeln, immer noch ein Publikumsmagnet. Mit "Lights Out" versucht nun der US-Kabelsender FX, das Phänomen Boxerdrama im Serienformat an den Mann zu bringen. Bei all den teils nicht nur prominenten, sondern schlichtweg überragenden filmischen Vorbildern fällt es natürlich schwer, etwas Eigenes zu erschaffen, das mit möglichst wenigen Klischees auskommt. Somit gibt es natürlich auch die Frau des Boxers (in dem Fall Lights' Angetraute Theresa), die dessen Passion nicht teilt und nicht möchte, dass er in den Ring steigt. Keine Frage, es ist mehr als verständlich, dass man sich nicht mit ansehen möchte, wie der geliebte Partner seine Gesundheit aufs Spiel setzt, während ihm dabei auch noch alle Leute zusehen können. Dennoch ist eine derart gestaltete Frauenfigur die Konstante eines jeden Boxfilmes und damit nur allzu vorhersehbar.
Andererseits sollte man allein aufgrund der Pilotepisode nicht bereits die Hoffnung aufgeben, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Theresa sowohl weiterhin auf diese stereotypische Rolle festgelegt wird, als auch nicht mehr als das keifende Hausweib abliefert. Dafür vermittelt "Lights Out" bereits im Piloten mit dem recht langsamen Erzähltempo und der damit schon fast unweigerlich einhergehenden Charakterzeichnung zu sehr den Eindruck, als möchte man mehr liefern als ein paar schön choreographierte Boxszenen. Außerdem ist mit Warren Leight jemand im Hintergrund, der bereits bei "In Treatment" unter Beweis stellte, wie man in kürzester Zeit und mit der nötigen Subtilität und Vielschichtigkeit Charaktere schafft, die in Erinnerung bleiben. Nein, die Serie geht vielen Klischees in der Tat nicht aus dem Weg, dafür gelingt es ihr jedoch, ihr mit ansprechenden darstellerischen Leistungen, realistischen Dialogen und einer tollen Inszenierung einen neuen Anstrich zu verpassen, ähnlich wie es "Friday Night Lights" seit einigen Jahren zu tun pflegt. Wichtig war zudem, dass man dem größten Boxfilmklischee überhaupt aus dem Weg geht – der Boxer als unschuldiges Opfer der Umstände, als Rüpel, der in einer von Armut und Kriminalität geprägten Gegend lebt. Lights hingegen ist ein gebildeter, freundlicher, geduldiger und nicht auf den Mund gefallener Mann, der mit seiner Familie, die er über alles liebt, in einem stattlichen Anwesen lebt.
Der Cast ist für Kabelserien mittlerweile erwartungsgemäß stark besetzt, angefangen bei Holt McCallany, dem es gelingt, mit der nötigen Zurückhaltung einen ehemaligen Schwergewichtsweltmeister realistisch darzustellen. Dafür wird er sich ähnlich wie James Badge Dale in "Rubicon" in absehbarer Zeit nicht für Schauspielerawards qualifizieren, aber darum geht es auch gar nicht. Der Zuschauer findet bereits in der ersten Episode genug sympathische Seiten an Lights, um mit ihm und seinem etwaigen Boxcomeback mitzufiebern, wirkt er doch als liebender Familienvater und Mann mit der nötigen Demut wie jemand, mit dem man Pferde stehlen möchte und mit dem man gleichzeitig nie Mitleid empfindet, weil er sich keinerlei Verzweiflung ob der täglichen Demütigungen anmerken lässt. Zu McCallany gesellen sich Pablo Schreiber als Lights' Bruder Johnny, der maßgeblich die zweite Staffel der Ausnahmeserie "The Wire" prägte, und die Britin Catherine McCormack, die den meisten wohl am ehesten durch ihr Engagement in Mel Gibsons "Braveheart" ein Begriff ist. Apropos "The Wire": Auf Reg E. Cathey als schmierigen Boxpromoter kann man sich bereits jetzt freuen, wo er doch bereits in David Simons von Kritikern geliebten Serie seine Fähigkeit bewiesen hat, gewitzte Charaktere zu mimen. Und als ob dies nicht schon genug wäre, spielt Stacy Keach (interessanterweise bereits 1972 mit der Hauptrolle in "Fat City", einem bis heute legendären und genreprägenden Boxfilm) Lights' Vater, der im Verlauf der Staffel eine wichtige Bezugsperson für ihn werden könnte.
"Lights Out" erinnert mit dem Setting – alternder Mann mit gesundheitlichen Problemen und Geheimnissen im Bezug auf sein Leben sowie mit Frau und Kindern, die ihm das Leben in New Jersey alles andere als leicht machen – überraschend oft an die Mafiaserie "Die Sopranos", sogar in einem Maße, dass sowohl die Learys als auch die Sopranos im selben Serienuniversum leben könnten. Zusätzlich erlaubt die Serie einen Blick hinter die Kulissen von zwei erbarmungslosen Geschäften (Mafia vs. Boxen). Dass die Mafia noch eine Spur bedrohlicher ist, steht außer Frage. Dennoch steht das Boxen wie kaum eine andere Sportart für die Destruktivität, der ihre Protagonisten ausgesetzt sind, denn letzten Endes setzen sie ihre Gesundheit für wenige Minuten Ruhm aufs Spiel und werden später, wenn Körper und/oder Psyche nicht mehr mitmachen, vom Buisiness ausgespuckt und am Boden liegen gelassen. Man darf daher gespannt sein, wie kritisch die Serie die Schattenseiten des Boxgeschäfts durchleuchten wird.
Fazit
Nein, die Pilotepisode ist keine Offenbarung. Dazu verfällt sie zu oft in die altbekannten Klischees der mittlerweile zahlreichen Boxfilmen. Nichtsdestotrotz verspricht das wohltuende langsame Erzähltempo eine vor allem im Bezug auf Lights eingehende Charakterzeichnung. Sollte FX mit der Serie mehr Geduld haben als mit dem kurzlebigen "Terriers", so könnte sich aus "Lights Out" ein richtig gutes Drama entwickeln. Die Möglichkeiten, dem viel zu oft bemühten Motiv des Boxers in einer mehrstündigen Serie neue Facetten zu geben, sind zumindest mannigfaltig.
Andreas K. - myFanbase
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