Master of None - Review Staffel 1

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Wenn Kritiker sich nach der Veröffentlichung eines Formats vor Lob nur so überschlagen, dann kann man auf zwei verschiedene Arten an so ein Format herangehen: Entweder, man schraubt seine Erwartungen an besagte Serie so hoch, wie es die Kritiken zulassen und riskiert, enttäuscht zu werden. Oder man entwickelt trotz allem Hype eine gesunde Portion Skepsis, um möglichst neutral und mit offenen Augen und Ohren an die Serie heranzutreten.

Foto: Aziz Ansari, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Aziz Ansari, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

Bei "Master of None" war eine neutrale Herangehensweise schier unmöglich, priesen die Kritiker das halbstündige Comedyformat von Aziz Ansari und Alan Yang quasi einstimmig in höchsten Tönen und nannten die Serie direkt in einem Atemzug mit Genreperle "Louie". Doch nach dem Piloten wird schnell klar: An all den Lobeshymnen ist tatsächlich was dran. Und nach der zweiten und dritten Folge ist klar: "Master Of None" ist in der Tat ein großartiges kleines Format, das Serienfans einen weiteren Grund dafür gibt, dem lieben TV-Gott für die Existenz einer Plattform wie Netflix zu danken, da ein solch forsches, direktes und mutiges Projekt auf einem öffentlichen US-Sender wahrscheinlich nie zustande gekommen wäre.

In der Tat erklärte Serienmacher und Hauptdarsteller Ansari in einem Reddit AMA, dass Netflix für ein Format wie "Master Of None" ein wahrer Segen gewesen sei: Keine Probleme bezüglich des stellenweise prekären Inhalts, keine Notwendigkeit, die Episoden für Werbepausen zuzuschneiden, sofortige Direct-to-Series-Bestellung und die Möglichkeit für das Publikum, alle zehn Episoden von Staffel 1 am Stück zu sehen – zum Glück. Denn "Master Of None" verführt durchaus schnell zum Binge Watching. Die Serie erfüllt direkt drei wichtige Kriterien, um den Zuschauer um den Finger zu wickeln: Sie ist sympathisch, sie ist witzig und sie bietet enorm viel Identifikationspotential.

Foto: Eric Wareheim, Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Eric Wareheim, Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

Stichwort sympathisch. Ganz klar, eine der größten Stärken von "Master Of None" ist sein ratloser Meister, nämlich Aziz Ansari als Dev. Dev als 0815-Typ mit großer Klappe funktioniert als Protagonist wahnsinnig gut. Als orientierungsloser Schauspieler ist er dem Zuschauer augenblicklich sympathisch. Er ist zugänglich, er ist ein Kerl, dem man tatsächlich auf der Straße begegnen könnte, mit all seinen Stärken (Offenheit, Direktheit, große Klappe), seinen Schwächen (Empfindlichkeit, Unentschiedenheit, große Klappe) und seinen Eigenheiten (Ordnungsfimmel, Vorliebe für Pasta, große Klappe). Dev ist der Typ von nebenan, ohne langweilig zu sein. Er ist ein interessantes, vielschichtiges Beispiel für einen modernen US-Amerikaner Ende 20, ein Einwandererkind erster Generation, das sich mit vielen verschiedenen Problemen und Fragestellungen beschäftigt.

Foto: Aziz Ansari & Lena Waithe, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Aziz Ansari & Lena Waithe, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

Und hier ist es, wo "Master Of None" mit seinem Witz im doppeldeutigen Sinne aufzutrumpfen weiß: Zum einen ist die Serie teilweise einfach herrlich komisch. Sie punktet mit großartigen Dialogzeilen, sie punktet mit gut platzierter Situationskomik, sie punktet mit manchmal völlig abstrusen, lustigen Ideen. Zum anderen besitzt die Serie unwahrscheinlich viel Witz im Sinne von Scharfsinnigkeit, von Esprit. "Master Of Nine" seziert die heutige US-Gesellschaft, wie sie für einen Mitt- bis Endzwanziger oft ist: in all ihrer Kompliziertheit, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit. Sie zeigt, wie der Einzelne seine Rolle und seinen Platz in der Gesellschaft auszuhandeln versucht und beleuchtet dabei die unterschiedlichsten Facetten: Beziehung, Job, Familie, Freundschaft, Sexualität, gesellschaftliche Themen wie Herkunft, Ethnie, Akzeptanz, Toleranz, Political Correctness, Geschlechterrollen, persönliche Themen wie Zukunftsangst, Orientierungslosigkeit, Selbstfindung. Selten sieht man Comedyserien, die unter ihrer oberflächlichen Heiterkeit so tiefgründig und komplex sind, ja die es sogar problemlos bringen können, im Finale einfach mal eine Gedichtpassage von Sylvia Plaths "The Bell Jar" einzubauen und dabei voll ins Schwarze zu treffen.

Foto: Noël Wells & Aziz Ansari, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Noël Wells & Aziz Ansari, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

Indem "Master Of None" so viele unterschiedliche Themen so organisch einbaut, bietet sie dem Zuschauer viel Oberfläche für Identifikationssmomente. Man muss kein indischstämmiger New Yorker Ende 20 sein, um sich von Devs Story angesprochen zu fühlen. In jeder Episode, die ein anderes Thema beleuchtet, kann sich das Publikum irgendwo wiederfinden. Sei es der gelungene Pilot #1.01 Children, in dem Dev über den Sinn, die Schwierigkeit und das Glück eigener Kinder sinniert; der Nachfolger #1.02 Parents, der die gegenteilige Richtung einschlägt und Thematiken wie Herkunft und kulturelle Identität streift; oder #1.05 The Other Man, in dem Dev sich in der ungewöhnlichen Rolle eines geheimen Geliebten (von Claire Danes!) wiederfindet und sich fragt, wie verwerflich dies ist; oder etwa die wunderbare Folge #1.08 Old People, in der Dev sich über ältere Leute und deren Leben und Verbleib Gedanken macht; und natürlich nicht zu vergessen die beiden zentralen Beziehungsepisoden #1.06 Nashville, in der Dev für ein erstes Date mit Rachel gemeinsam mit ihr für eine Nacht nach Tennessee fliegt, sowie #1.09 Mornings, das auf phänomenale Weise die Phasen einer Beziehung in nur einer halben Stunde abhandelt. Überhaupt sind Dev und Rachel ein Kernstück der Serie, ein ungewöhnliches wie wundervolles Paar, das von der tollen Chemie zwischen Ansari und Noël Wells profitiert.

Foto: Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None - Copyright: K.C. Bailey/Netflix
Aziz Ansari & Noël Wells, Master of None
© K.C. Bailey/Netflix

Selbstverständlich profitiert "Master Of None" schlussendlich dann noch vor allem von einem: von der geistreichen Feder Ansaris und Yangs. In Kritikerkreisen fällt bei der Beschreibung von "Master Of None" oft das Adjektiv "hyperreal", was so viel heißt wie extrem authentisch. Tatsächlich sind die Dialoge von einer unglaublichen Authentizität und wirken so echt, so aus dem Leben gegriffen, dass man sich fast wie bei einer Live-Sendung fühlt. Da unterhalten sich die Charaktere tatsächlich einfach mal übers Wetter oder über Kaffee oder führen sinnlos-geniale Unterhaltungen über den Songtext von Eminems "Lose Yourself". Hier sprechen authentische Charaktere mit authentischen Worten in authentischen Situationen und dennoch – oder gerade deswegen – ist das alles enorm unterhaltsam.

"Master Of None" hat also tatsächlich jeden Hype verdient. Aziz Ansari brilliert als Drehbuchautor und Hauptdarsteller einer hervorragenden Comedyserie, die sympathisch, witzig und authentisch ist, und die in sagenhafter Leichtigkeit facettenreiche und tiefsinnige Themen beleuchtet. "Master Of None" ist eine Serie von und für Ausläufer der Generation Y und zeigt mit großer Scharfsinnigkeit und Beobachtungsgabe, aber vor allem mit viel Humor, die großen und kleinen Probleme, Herausforderungen und Fragestellungen, die einen jeden von uns beschäftigen.

Maria Gruber - myFanbase

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