Misfits - Review Staffel 1
Wenn man jemanden davon überzeugen will, "Misfits" anzuschauen, muss man ihm eigentlich nur die ersten fünf Minuten zeigen, denn darin steckt schon alles, was diese großartige Serie ausmacht: absolute Durchgeknalltheit, sowohl in den Charakteren als auch in der Story, gepaart mit schnoddrigen, pointierten Dialogen und einer herrlichen Situationskomik. Man kann allerdings auch (ganz langweilig, also überhaupt nicht in "Misifts"-Manier) mit dem Plot anfangen: fünf Jugendliche, die Sozialstunden aufgebrummt bekommen haben, werden am ersten Tag ihrer Sozialarbeitsstunden während eines mysteriösen Gewitters vom Blitz getroffen – und haben plötzlich übernatürliche Fähigkeiten.
"What if we are meant to be, like, superheroes?" – "No offense, but in what kind of fucked-up world would that be allowed to happen?"
Die erste Staffel von "Misfits" dreht sich in erster Linie darum: um das Entdecken und Ausprobieren der Superkräfte – doch wunderbarerweise wird dabei die Entwicklung der Charaktere keineswegs vernachlässigt. Ganz im Gegenteil: die Fähigkeiten der "ASBO 5" passen absolut zu ihrem jeweiligen Verhalten und wirken so mehr und mehr wie Verstärkungen ihrer Charaktereigenschaften und kaum wie etwas Übernatürliches. Ganz offensichtlich ist das bei Simon: derjenige, der sowieso von niemandem beachtet wird, kann nun plötzlich einfach komplett unsichtbar werden. Alisha, das promiskuitive Partymädel, kann nun Sex haben, mit wem sie will und Curtis, der seine Straftat am meisten bereut, kann plötzlich die Zeit zurückdrehen. Auch Kellys Fähigkeit, die Gedanken anderer zu lesen, erscheint mit jeder Folge sinnvoller: einerseits ist sie diejenige der Gruppe mit der größten Empathie und andererseits ist sie stets unsicher und fragt sich insgeheim ständig, was andere über sie denken. Und auch Nathans Superkraft passt zu seinem unbeschwerten und selbstsicheren Verhalten – aber dazu später.
Die Charaktere, die in der ersten Staffel am meisten hervorstechen, sind Simon, Nathan und Kelly. Diese drei haben in jeder Zweier-Kombination eine grandiose Chemie, aber auch die einzelnen Charaktere bestechen durch eine unwahrscheinliche Komik, die vor allem ihren wunderbaren Darstellern zu verdanken ist: Lauren Sochas Mimik ist einfach nur großartig und bringt Kellys Attitüde perfekt auf den Punkt, Robert Sheehan mimt den absoluten Klassenkasper und schafft es trotzdem, Nathan die nötige Komplexität zu bewahren und Iwan Rheon gibt den sympathischsten und niedlichsten Creep, den die Serienwelt gesehen hat. Daneben können Curtis und Alisha leider nur blass wirken, zumal ihre Beziehung auch nicht gerade beeindruckend erzählt wird – und dazu kommt, dass Alishas Kraft, auch wenn es die originellste und ungewöhnlichste ist, doch leider wenig Spannendes mit sich bringt und schnell langweilt. Allerdings muss man sagen, dass die beiden nur im Doppelpack zum Gähnen sind, sobald Alisha mit Kelly interagiert oder Curtis mit den Jungs, bieten auch diese Charaktere wenig Grund zur Beschwerde.
Sehr schön ist natürlich insgesamt die Entwicklung, wie diese fünf (um es mal krass auszudrücken) asozialen Jugendlichen aufgrund einer verrückten Extremsituation immer engere Bande knüpfen. Sie als Freunde zu bezeichnen wäre am Ende der ersten Staffel doch noch etwas verfrüht, aber gerade die Art und Weise, wie behutsam die Beziehungen zwischen ihnen geknüpft werden und wie unterschiedlich stark die einzelnen Figuren sich darauf einlassen, wird sehr charaktertreu und feinfühlig erzählt. Im Finale ist dieses Beziehungsgeflecht schließlich gerade so weit entwickelt, dass es eine wunderbare Ausgangsbasis für die zweite Staffel schafft, sodass man es kaum erwarten kann, die Geschichte der fünf weiter zu verfolgen.
"What if there's loads of people like us all over town?" – "No, that kind of thing only happens in America."
Um allerdings etwas Spannung und vor allem viel schwarzen, teilweise bitterbösen Humor in die Geschichte zu bringen, sind die fünf nicht die einzigen, die das Gewitter verwandelt hat. Das zeigt sich schon in der Pilotfolge an ihrem Bewährungshelfer, doch das ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von interessanten, komischen und merkwürdigen Gestalten, die in den sechs Folgen der ersten Staffel in der Stadt auftauchen. Man kann nicht direkt sagen, dass es sich hier um "weird persons of the week" handelt, denn dazu sind sie nicht zentriert genug. Aber sie bereichern zweifelsohne das Geschehen, bringen mal mehr, mal weniger Sinn in die Story und sorgen ganz allgemein dafür, dass sich die Hauptcharaktere mit sich und ihren neuen Fähigkeiten auseinandersetzen müssen. Die Grenze des guten Geschmacks wird dabei das ein oder andere Mal extrem ausgereizt, zum Beispiel mit Nathans "granny sex", doch irgendwie schaffen die Autoren es dennoch, jeder Storyline einen versöhnlichen Schluss zu geben. Die Tatsache, dass es für die übernatürlichen Fähigkeiten keinerlei Logik-Hindernisse oder sonstige Regeln zu geben scheint, birgt auf jeden Fall extrem viel Potenzial für allerlei merkwürdige Gestalten, die auch in der zweiten Staffel die einzelnen Folgen bereichern können.
"They were the last people to see him, they know something!"
Natürlich gibt es aber auch noch eine folgenübergreifende Handlung in Form von Sally, der zweiten Bewährungshelferin der Truppe, nachdem sie Tony umgebracht haben. Was die fünf und auch die Zuschauer zuerst nicht wissen: Sally war nicht nur Tonys Kollegin, sondern seine Verlobte, die nicht glaubt, dass Tony einfach verschwunden ist und die ganze Angelegenheit aufklären will. Diese Storyline ist natürlich allein schon dadurch interessant, dass Sallys Untersuchungen die Jugendlichen ständig unter Druck setzt und noch mehr zusammenschweißt. Ihren besonderen Drive erhält sie allerdings dann, als Sally anfängt, sich verstärkt um Simon zu bemühen, um durch ihn das Geheimnis der fünf Jugendlichen zu lüften. Der Fokus, der dadurch insgesamt auf Simon fällt, gibt der ersten Staffel in den Schlussfolgen eine unheimliche Intensität, die letztlich in der unabsichtlichen Ermordung von Sally endet und Simons Charakter eine besondere Tiefe verleiht. Man schwankt zwischen Mitleid und Verständnis für ihn, komischerweise aber kaum mit Ablehnung aufgrund seines immer wieder doch verstörenden Verhaltens. Diese Sichtweise zieht sich allerdings durch die gesamte Serie: egal wie asozial die fünf Hauptcharaktere sich verhalten sind sie doch irgendwie so liebenswert geschrieben, dass man als Zuschauer immer auf ihrer Seite ist.
"I was there, right? I should have one of these bullshit powers."
Und was würde besser zu dieser verrückten, wahnsinnigen und tiefschwarzen Serie passen als ein Staffelfinale mit einer Beerdigung und einem großartigen Cliffhanger? Nur die Auflösung des Running Gags wegen Nathans nicht vorhandenen Superkräften – und ja, "Misfits" schafft es, alle drei Elemente wunderbar verpackt im Finale zu servieren. In den Schlussminuten der letzten Folge zeigt sich ebenso wie am Anfang der ersten Folge die ganze Bandbreite dieses TV-Juwels: von Nathans episch inszenierter Rede über die Verpflichtung seiner Generation zur Verantwortungslosigkeit (nur Nathan ist in der Lage, das so in Worte zu fassen, dass es tatsächlich Sinn macht) über seinen schockierenden Tod und die wunderbar intime, freundschaftliche Szene in der Bar, die die Entwicklungen der fünf untereinander schön versinnbildlicht, bis hin zu Nathans bittersüßer Entdeckung, dass er unsterblich ist, aber drei Meter unter der Erde liegt – das ist im wahrsten Sinn des Wortes großes Kino und lässt nur einen Wunsch übrig: mehr davon!
Fazit
Es ist absolut kein Wunder, dass "Misfits" gleich nach der ersten Staffel einen BAFTA-Award für die beste Dramaserie abgeräumt hat – diese Serie erobert Kritiker wie Zuschauer einfach im Sturm. Man kann sich den herrlich abgedrehten und doch authentischen Charakteren nicht entziehen und sechs Folgen sind genau die richtige Länge, um komplett in die Story gesogen zu werden, ohne dass das Konzept seine Frische verliert. "Misfits" ist ein hervorragend gelungener Genre-Mix, eine Mystery-Dramedy mit beeindruckender Ästhetik – oder einfach nur Entertainment at its best!
Lena Stadelmann - myFanbase
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