Mr. Robot - Review Staffel 1

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"This is the postmodern desert inhabited by people who are, in effect, consuming themselves in the form of images and abstractions through which their desires, sense of identity, and memories are replicated and then sold back to them as products." ― Larry McCaffrey

Foto: Rami Malek & Christian Slater, Mr. Robot - Copyright: David Giesbrecht/USA Network
Rami Malek & Christian Slater, Mr. Robot
© David Giesbrecht/USA Network

In einer der ersten Szenen von "Mr. Robot" stellt sich Elliot Alderson, der Protagonist der Serie, mit folgenden bescheidenen Worten vor: "Elliot, just a tech." Dass Elliot keinesfalls "nur" ein IT-Techniker ist, der ein bisschen am Computer herumtippt, wird dem Zuschauer allerdings ziemlich schnell klar. Zeitgleich wird ihm auch ziemlich schnell klar, dass "Mr. Robot" keinesfalls "nur" irgendeine weitere USA-Network-Serie ist. "Mr. Robot" ist nicht einfach irgendein neues Drama. "Mr. Robot" ist ein enorm mitreißendes, visuell großartig gestaltetes und erzählerisch komplexes Drama, das einen schlichtweg von den Socken haut.

Auf dem Papier sähe eine Beschreibung von "Mr. Robot" in etwa so aus: Elliot (Rami Malek) ist ein unscheinbarer junger Mann, der als IT-Techniker bei der Sicherheitsfirma AllSafe arbeitet. In seiner Freizeit hackt er sich in die Daten anderer Leute und zieht diese, wenn nötig, zur Rechenschaft. Seine einzige wirkliche Freundin ist Angela (Portia Doubleday), ansonsten ist Elliot sehr zurückgezogen, mental labil und neigt zu Depressionen. Sein Leben wird komplett auf den Kopf gestellt, als er plötzlich den mysteriösen Mr. Robot (Christian Slater) kennenlernt, der ihn für die anarchistische Hackergruppe Fsociety rekrutieren will, die mit einem großen Hack plant, den globalen Konzern E-Corp zu zerstören und so die Gesellschaft zu verändern...

Foto: Rami Malek, Mr. Robot - Copyright: David Giesbrecht/USA Network
Rami Malek, Mr. Robot
© David Giesbrecht/USA Network

Man könnte "Mr. Robot" also prinzipiell als Hackerdrama klassifizieren, doch wird diese Kategorisierung dem Facettenreichtum und der Vielzahl der angesprochenen Themen nicht wirklich gerecht. Elliots nächtliches Treiben als Hacker dient nur als storytechnische Rahmenhandlung für das, was Serienmacher Sam Esmail eigentlich ansprechen will: nämlich die Dekonstruktion der postmodernen Gesellschaft. Er seziert auf der ersten Ebene die herrschende Gesellschaftsstruktur, Kapitalismus und Kommerz, die Hierarchien, den Einfluss der Medien, die Technologien, die unser Leben fest im Griff haben, die alles durchdringende Virtualität des Systems, in dem alles reproduzierbar ist und nichts echt. Auf einer zweiten Ebene zeigt er anhand von Elliot (und weiteren Protagonisten) auf, welche Auswirkungen all dies auf das einzelne Individuum haben kann: Elliot ist ein seelisch kaputter, gespaltener Mensch, der dieser falschen Gesellschaft und diesem virtuellen System nichts mehr entgegenzusetzen hat und sich in seiner Einsamkeit verliert.

"Is any of it real? I mean, look at this. Look at it! A world built on fantasy. Synthetic emotions in the form of pills. Psychological warfare in the form of advertising. Mind-altering chemicals in the form of... food! Brainwashing seminars in the form of media. Controlled isolated bubbles in the form of social networks. Real? You want to talk about reality? We haven't lived in anything remotely close to it since the turn of the century. We turned it off, took out the batteries, snacked on a bag of GMOs while we tossed the remnants in the ever-expanding Dumpster of the human condition. We live in branded houses trademarked by corporations built on bipolar numbers jumping up and down on digital displays, hypnotizing us into the biggest slumber mankind has ever seen. You have to dig pretty deep, kiddo, before you can find anything real. We live in a kingdom of bullshit. A kingdom you've lived in for far too long. So don't tell me about not being real. I'm no less real than the fucking beef patty in your Big Mac."

Foto: Rami Malek & Carly Chaikin, Mr. Robot - Copyright: David Giesbrecht/USA Network
Rami Malek & Carly Chaikin, Mr. Robot
© David Giesbrecht/USA Network

Das Ausspielen von Realität und Virtualität beherrscht "Mr. Robot" meisterhaft. Zum einen hinterfragt die Serie, wie echt unsere Welt aus medialer Manipulation, virtuellem Geld und Facebook-Timelines eigentlich noch ist. Zum anderen lässt die Serie den Zuschauer immer wieder in Frage stellen, wie wahr eigentlich das ist, was Elliot uns gerade erzählt. Elliot wendet sich in seiner Erzählung nämlich direkt an den Zuschauer, den er als "imaginären Freund" bezeichnet. Indem die vierte Mauer somit immer wieder durchbrochen wird, erhält der Zuschauer direkten Einblick in Elliots Gedanken, fühlt sich fast so, als wäre er mitten im Geschehen. Doch ist alles, was Elliot sagt, mit Vorsicht zu genießen: Elliot ist mental alles andere als stabil, hat große psychologische Probleme und besitzt eine verzerrte Wahrnehmung. Die Dekonstruktion des Individuums führt also konsequent weiter zur Dekonstruktion des gesamten Narrativs: Elliot ist ein höchst unzuverlässiger Erzähler. Man sieht alles durch seine Augen, doch was ist wahr und was ist Elliots subjektiver Wahrnehmung zuzuschreiben? Den von ihm verabscheuten Konzern E-Corp beispielsweise hat Elliot für sich "Evil-Corp" getauft – und in seiner Sicht benutzen alle anderen diesen Namen auch, sodass auch wir Zuschauer selbst den Nachrichtensprecher "Evil-Corp" sagen hören, doch nur, weil Elliot es sich so einbildet.

Und so spielt die Serie auf ganz hervorragende Weise mit der Informationsvergabe, lässt den Zuschauer in dem Glauben, Elliot voraus zu sein, nur um ihm dann falsche Fährten zu legen und ihn zu überraschen. Lange stellt sich die Frage, ob Elliots neuer Freund Mr. Robot (und die Hackergruppe Fsociety) tatsächlich existiert oder nur seiner Fantasie – oder bessergesagt seiner Psychose – entsprungen ist ("Fight Club" lässt selbstverständlich grüßen). Das macht die ganze Angelegenheit unheimlich spannend und unvorhersehbar, und Elliot zu einem höchst interessanten und vielschichtigen Charakter – dies vor allem auch dank des begnadeten Rami Malek, der in dieser Rolle eine reine Offenbarung ist.

Foto: Mr. Robot - Copyright: David Giesbrecht/USA Network
Mr. Robot
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Elliot ist als Erzähler natürlich der Dreh- und Angelpunkt von "Mr. Robot", doch beschränkt sich die Serie nicht nur auf ihn. Seine Jugendfreundin Angela entwickelt sich von einer zunächst etwas naiven zu einer selbstbewussten jungen Frau, die es sich zur Aufgabe macht, E-Corp mit eigenen Mitteln niederzustrecken. Eine ganz wunderbar-seltsame Beziehung entwickelt sich zudem zwischen Elliot und seiner Nachbarin Shayla (Frankie Shaw). Auch die Mitglieder von Fsociety bekommen allesamt ein Profil und können im Rahmen ihrer begrenzten Screentime als Nebencharaktere vollends überzeugen. Hier ist natürlich vor allem Mr. Robot selbst zu erwähnen, der von Christian Slater herrlich schräg, irgendwo zwischen charmant, nervig und ominös dargestellt wird. Hervorragend eingewoben wird zudem die Storyline rund um den E-Corp-Mitarbeiter Tyrell Wellick (Martin Wallström), der in bester "American Psycho"-Manier die andere Seite des pathologischen Spektrums repräsentiert.

Zahlreich sind diejenigen, die unsere heutige Zeit und das in ihr lebende Individuum als krank, als defekt, als zersplittert bezeichnen. In einer Gesellschaft, in der Kapitalismus und Konsum herrschen, verliert der postmoderne Protagonist zusehends an Kontrolle, wird einverleibt in die Mechanismen von Kommerz und endloser (Re)Produktion, und wird zu einem Rädchen, unwichtig, allein und leer, wie Elliot, wie Angela, wie Tyrell. Und letztlich will "Mr. Robot" genau das aufzeigen und hinterfragen: Wie viel Kontrolle über unser Leben und unsere Realität haben wir wirklich? Wie tief hat die Konsumgesellschaft uns schon durchdrungen, als dass wir uns von ihr wirklich noch unterscheiden könnten? Wo hört die eigene Identität auf und wo fängt die kollektive an? Was ist überhaupt Identität?

"How do we know if we're in control? That we're not just making the best of what comes at us and that's it? And trying to constantly pick between two shitty options. Like your two paintings in the waiting room. Or Coke and Pepsi. McDonald's or Burger King? Hyundai or Honda?"

"Mr. Robot" ist somit prinzipiell die Serie, auf die alle, die sich in irgendeiner Weise mit der Thematik der (postmodernen) Identitätsfindung beschäftigen, gewartet haben. Okay, brechen wir das ganze runter. Einfach ausgedrückt: Es ist eine Serie am Puls der Zeit. Eine Serie, die den Puls unserer technologisierten, immer virtueller und flüchtiger werdenden Welt fühlt. Eine Serie, die hinterfragt, was Identität überhaupt ist und wie wir sie konstruieren. Eine Serie, die hochbrisant und komplex ist. Eine Serie, die ganz gezielt mit ihrer eigenen Intertextualität spielt und dabei diverse Elemente ("Fight Club" meets "American Psycho" meets "V wie Vendetta" meets "Verblendung") miteinander vereint, woraus sich etwas Neues kreiert. Eine Serie, deren erste Staffel sich sehr bald zu einer elektrisierenden, hochspannenden Angelegenheit entwickelt. Eine Serie, die einfach absolut sehenswert ist.

Maria Gruber - myFanbase

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