Orphan Black - Review, Staffel 1

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Eine kanadische Serie über Klone? Meine erste Reaktion darauf war sicherlich kein Kipp aus den Latschen. Sowohl meine Präferenz für US-Produktionen, als auch mein geringes Interesse an der Klonthematik haben mir den Blick auf "Orphan Black" zunächst völlig verstellt. Erst nach einer Weile ist auch zu mir die Kunde durchgedrungen, dass "Orphan Black" ein echter Geheimtipp sein soll. Dem kann ich inzwischen absolut zustimmen.

Ein Star ist geboren

Dass "Orphan Black" so wunderbar funktioniert, ist zu großen Teilen der Hauptdarstellerin Tatiana Maslany zu verdanken, die 2014 völlig zu Unrecht nicht für einen Emmy und im gleichen Jahr völlig zu Recht für einen Golden Globe nominiert war. Tatiana Maslany spielt ihre Rollen so überzeugend, dass man oft schlichtweg vergisst, dass alle Klone von ein und derselben Schauspielerin dargestellt werden und nicht von sechs oder sieben verschiedenen Miminnen, die sich nur zufällig verdammt ähnlich sehen. Auf sehr beeindruckende Art und Weise verleiht die kanadische Schauspielerin, die vor "Orphan Black" international ein unbeschriebenes Blatt war, jedem Klon eine eigene Persönlichkeit.

Besonders spektakulär sind natürlich die Szenen, in denen mehrere Klone miteinander agieren, sich sogar berühren. Mich hat es sehr interessiert zu erfahren, wie diese Szenen überhaupt gedreht werden, und was ich davon mitbekommen habe, hat meinen Respekt gegenüber Tatiana Maslanys Leistung noch verstärkt. Sie muss alle Szenen mehrmals spielen, einmal mit Body-Doubles, die dann die anderen Klone simulieren, und einmal ohne Doubles. Dabei müssen alle Bewegungen perfekt abgestimmt sein. Als wäre das nicht schon genug der Herausforderung, gibt es im Laufe der ersten Staffel mehrere Szenen, in denen ein Klon sich als ein anderer ausgibt. Hier spielt Tatiana Maslany dann also einen Klon, der einen anderen Klon spielt. Das ist für die Zuschauer immer wieder aufs Neue amüsant und spannend.

Wie viele bin ich?

Die wichtigste Bezugsperson der Zuschauer ist zunächst Sarah Manning, die als Waise aufwuchs und durch den Selbstmord der Polizistin Beth Childs herausfindet, dass sie ein Klon ist. Sarah lernt ihre Klonschwestern Allison und Cosima kennen, mit denen zusammen sie ergründen will, wer die Klone erschaffen hat und wer seit einiger Zeit versucht, die Klone zu töten. Sarah ist quasi die Faust dieses kleinen "Klonklubs". Sie geht die Gefahren ein, bekämpft die Feinde und beschützt Alison und Cosima. Sarah ist der einzige bisher bekannte Klon, der nicht unfruchtbar ist und ein leibliches Kind, die siebenjährige Kira (Skyler Wexler), hat. Sarah stellt somit eine Besonderheit dar, doch noch außergewöhnlicher ist Kira, die als Kind eines Klons etwas ganz Neues darstellt, für das es noch nicht einmal eine Bezeichnung gibt.

Cosima bildet das Gehirn des Klonklubs. Als Mikrobiologin besitzt sie sehr viele Kenntnisse und überdies Zugang zu Laboratorien. Doch Wissen schützt vor Dummheit nicht, denn obwohl sich Cosima im Klaren darüber ist, dass sie von ihrer Kollegin Delphine (Evelyne Brochu) ausspioniert wird, verliebt sie sich in sie und beginnt eine Romanze mit ihr. Dabei verliebt sich Delphine, die bis dahin keine homosexuellen Neigungen hatte, auch in Cosima, was die Sache nicht unkomplizierter macht. Cosima und Delphine ziehen als romantisches, kompliziertes, quasi-verbotenes und dazu auch noch gleichgeschlechtliches Paar natürlich schnell in ihren Bann und bescheren "Orphan Black" eine wachsende Shipper-Gemeinde.

Alison schließlich ist der finanzstärkste und angepassteste, aber auch psychisch labilste der drei Klone. Sie leidet sehr darunter, dass ihr normales, geregeltes Vorstadtleben mehr und mehr aus den Fugen gerät und ihrer Kontrolle entgleitet. Sie entwickelt zunehmende Paranoia, da sie unbedingt wissen will, wer ihr "Monitor", das heißt der auf sie angesetzte Beobachter, ist. Dass Alison eines Tages ihren eigenen Ehemann foltert, während sie eigentlich eine Nachbarschaftsparty geben soll, ist noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Gegen die Katastrophen, Geheimnisse und bösen Überraschungen in Alisons Leben waren viele Probleme der "Desperate Housewives" fast ein Kaffeekränzchen. Insgesamt ist Alison ein tragisch-komischer Charakter und fast das genaue Gegenteil von Sarah, was die Interaktionen der beiden und die Momente, in denen sich Sarah als Alison oder Alison als Sarah ausgibt, so sehenswert machen.

Als das Herz des Klonklubs erweist sich im Endeffekt Felix (Jordan Gavaris), obwohl er gar kein Klon ist. Felix ist Sarahs Pflegebruder und engster Vertrauter, der auch für Alison bald ein guter Freund wird, da sie nicht weiß, wem sie sonst noch vertrauen kann.

Neolution gegen Evolution

Es kristallisiert sich heraus, dass die Klone zwischen zwei Weltanschauungen stehen, dem Neolutionismus und der Prolethean-Bewegung. Vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich dabei um den ewigen Streit zwischen Wissenschaft und Glaube. Die Neolutionisten sind Wissenschaftler, die erreichen wollen, dass die Menschheit zukünftig selbst über ihre genetische Entwicklung bestimmen kann, statt wie seit Millionen von Jahren der natürlichen Evolution zu unterliegen. Die Mitglieder der Prolethean-Bewegung finden die Arbeit der Neolutionisten, zu denen auch die Klone gehören, abnormal und gottlos. Sie gehen mit Gewalt dagegen vor und setzen dafür sogar einen der Klone, die in einem Kloster aufgewachsene Helena, ein.

Neu ist die Idee von Wissenschaftlern, die sich jeder staatlichen Kontrolle entziehen und auf die Ethik pfeifen, absolut nicht. Diese Form der Bedrohung kennen wir ebenso umfassend aus Film und Fernsehen wie die Gefahr durch religiöse Fanatiker, die sich den Glauben passend zurechtschneiden, damit er auch Entführungen, Folter und Morde rechtfertigt. Die Klone bringen jedoch die Würze ins Spiel. Natürlich will man als Zuschauer unbedingt erfahren, zu welchem genauen Zweck die Klone erschaffen wurden, wer das Original ist und wie viele Klone es überhaupt gibt.

Fazit

"Orphan Black" ist der nächste gelungene Streich der kleinen kanadischen Fernsehindustrie. Dank einer überragenden Hauptdarstellerin und interessanten Charakteren kann "Orphan Black" wirklich überzeugen und als Geheimtipp punkten.

Maret Hosemann - myFanbase

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