Orphan Black - Review Staffel 2
Sarah rennt. Der zentralen Figur der Serie "Orphan Black" werden in dieser zweiten Staffel nur wenige Atempausen gegönnt. Sie sucht ihre Tochter, jagt totgeglaubten Wissenschaftlern hinterher, muss sich mit den Problemen ihrer Klonschwestern befassen, die immer zahlreicher werden (sowohl die Probleme als auch die Schwestern), wird selbst ständig verfolgt oder entführt und trifft auch noch den Vater ihrer Tochter wieder. So gilt auch für die Zuschauer: wer gerne mal durchschnauft, ist hier falsch. In der zweiten Staffel reihen sich Ereignisse, Enthüllungen und neue Fragen in hohem Tempo aneinander.
Der Wahnsinn der Wissenschaft
© polyband; Jan Thijs 2013
Als Mary Shelley 1818 ihren Roman "Frankenstein" veröffentlichte, gab sie der Welt eine eindringliche Warnung vor einer maßlosen Wissenschaft, die alle ethischen Grenzen sprengt und Gott spielt. Zwischen "Frankenstein" und "Orphan Black" liegen fast 200 Jahre und gefühlt mehrere Welten, aber vom Grundsatz her sind die Parallelen zwischen den beiden Geschichten unverkennbar. Sarah und die anderen Klone sind das Ergebnis ehrgeiziger Wissenschaftler, die sich anmaßen, die Naturgesetze umzuschreiben und in die tiefsten Grundrechte der menschlichen Existenz einzugreifen. Damit machen sie Dr. Frankenstein alle (Un-)Ehre. Letztlich erschaffen sie keine Monster, sie werden selbst zu welchen.
In dieser zweiten Staffel tauchen wir tiefer in das verzweigte Netz rund um das Dyad-Institut ein. Die Neolutionisten, wie sich diese Befürworter des Eingriffs in die genetische Entwicklung auch nennen, sind so etwas wie ein Geheimbund aus Wissenschaft, Wirtschaft, Militär und Politik. Nicht alle sind überzeugte Neolutionisten, denn letztlich hat jeder seine eigenen Motive. Das Dyad-Institut stellt als ausführendes Organ nur die Spitze eines Eisberges dar, den wir erst zur Hälfte, wenn überhaupt, erklommen haben. Sarah stößt bei ihren Nachforschungen auf die Anfänge des Neolutionismus, die ausgesprochen erschreckend waren. Wir sehen zwar nur einige wenige alte Fotos von entstellten Menschen und scheußlichen Apparaturen, aber gerade das lässt unsere Fantasie Amok laufen. Uns werden in der dritten Staffel zweifellos noch schockierende Enthüllungen erwarten.
Bei den Fischköpfen
Den Gegenpart zu den Wissenschaftlern und ihren Komplizen bilden die Proletheaner, eine religiöse Bewegung, die nicht weniger Leichen im Keller hat, nur dass sie diese christlich bestatten. Auch die Proletheaner, beziehungsweise eine auf einer Farm lebenden Proletheaner-Sekte mit dem Fisch als heiligem Symbol, lernen wir in dieser Staffel etwas besser kennen und werden Zeugen von Zwangshochzeiten, mittelalterlichen Erziehungsmethoden und einer sturen Abschottung vom Rest der Welt. Im Vergleich zum Szenario rund um das Dyad-Institut wirkt die Proletheaner-Geschichte noch etwas unausgegoren. Eine klassische Sekte mit ihren zweifellos erschreckenden Auswüchsen wird hier etwas zusammenhangslos mit der Klonthematik verbunden. Was wollen die Proletheaner genau? Besteht überhaupt eine gemeinsame Linie bei diesen Eiferern (der Mord an Helenas "Betreuer" durch seine eigenen Leute lässt etwas anderes vermuten) und wie finanzieren die Proletheaner sich eigentlich? Da Helena die Farm der Fischköpfe schließlich in Brand steckt und einen von deren Anführern (in einer freilich grotesk-genialen Szene) tötet, kann ich mir momentan kein rechtes Bild davon machen, wie die Proletheaner-Geschichte in der dritten Staffel weitergeführt wird.
Ein Klon kommt selten allein
Die Dynamik zwischen den Klonen Sarah, Alison, Cosima, Helena und Rachel hilft der zweiten Staffel von "Orphan Black" über jede drohende Gefahr von Mittelmäßigkeit hinweg. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich vor allem Sarah, Alison und Cosima immer mehr als Schwestern definieren und sich zwischen ihnen eine familiäre Struktur bildet. Helena als Sarahs "Twisted Twin" gehört auf ihre ganz eigene Art auch dazu und macht diese Familie noch schräger und einzigartiger. Allen Schwestern ist es sehr wichtig, Sarahs Tochter Kira zu beschützen, deren Einzigartigkeit sie zu einem Objekt der Begierde macht. Rachel wiederum stellt so etwas wie die böse Stiefschwester dar, die eigentlich mehr zu einer anderen Familie, dem Dyad-Institut, gehört und Sarah, Alison, Cosima und Helena das Leben zur Hölle macht.
Was die Interaktion zwischen den Klonen angeht, ist diese zweite Staffel wirklich gespickt mit sehr bemerkenswerten Momenten, die in Erinnerung bleiben, wie z.B. die gemeinsame Autofahrt von Sarah und Helena oder die Tanzeinlage von Sarah, Alison, Cosima und Helena. Tatiana Maslanys Leistung ist wie schon in der ersten Staffel einfach genial. Dass sie bis dato noch immer nicht mit einem der großen amerikanischen Fernsehpreise ausgezeichnet wurde, spricht nicht gegen sie, sondern gegen die amerikanischen Fernsehpreise, deren Jurys viel zu festgefahren sind und offenbar nicht den Mut haben, sich einer kleinen Sci-Fi-Serie aus Kanada zu widmen.
Apropos Mut. Dass in dieser Staffel mit Tony ein Transgender-Klon auftaucht, also ein weiblicher Klon, der als Mann lebt, ist schon ein gewagter Schritt, der auch nur deshalb funktioniert, weil Tatiana Maslany diese Herausforderung stemmen kann. Insgesamt wirkt Tony mit seinem Ein-Episoden-Auftritt aber eher wie ein Comic Relief und nicht wie ein ernstzunehmender Charakter, der etwas zur Handlung beiträgt. Das kann sich in der dritten Staffel freilich noch ändern.
Fazit
Es ist nicht so, dass "Orphan Black" absolut alles richtig macht, aber der fantastischen Hauptdarstellerin, der Interaktion der Klone und vieler guter Ideen ist es zu verdanken, dass die Serie auch in der zweiten Staffel fesselt.
Maret Hosemann - myFanbase
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