Picnic at Hanging Rock - Review des Piloten

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"Picnic at Hanging Rock" kann man durchaus als australisches Kulturgut bezeichnen. Der Roman, aus der Feder von Joan Lindsay und 1967 publiziert, gilt unter Kritikern als einer der besten, den Australien je hervorgebracht hat. Nicht anders ist es mit der Verfilmung 1975 durch Peter Weir ("The Truman Show"), die sowohl kommerziell erfolgreich war als auch die Kritiker verzückte. Aufgrund des eigenwilligen Endes üben sowohl Buch als auch Film bis heute eine zeitlose Faszination aus. Nebenher ranken sich bis heute einige hartnäckige Gerüchte um die Geschichte, die viele bis heute als tatsächlich geschehen missverstehen und so auch jetzt, mehr als 40 Jahre später, den titelgebenden "Hanging Rock" zu einem beliebten Ausflugsziel für Australienurlauber macht.

Foto: Natalie Dormer, Picnic at Hanging Rock - Copyright: EntertainTV; FMA; Ben King
Natalie Dormer, Picnic at Hanging Rock
© EntertainTV; FMA; Ben King

Nun also der Versuch, mit einer sechsteiligen Mini-Serie, die aktuell im australischen Pay-TV und nahezu zeitlich in Deutschland bei EntertainTV ausgestrahlt wird, den beiden wahrlich mächtigen Vorbildern gerecht zu werden. Ob dies gelingen mag, kann nach der Pilotfolge freilich noch nicht beantwortet werden. Eines jedoch kann festgestellt werden: Man gibt sich alle Mühe, aus der Serie einen ähnlichen Kultklassiker zu machen.

Dies beginnt beim Casting, bei dem man mit Natalie Dormer ("Game of Thrones") eine der wohl einprägsamsten Serienschauspielerinnen der vergangenen Jahre gewinnen konnte. Die Rolle der mysteriösen Hester Appleyard, die das Mädchenpensionat leitet, passt gut zu ihr. Gleich bei der Eröffnungsszene, in der die Kamera immer sehr nah an Dormers Hinterkopf und Gesicht ist, sie aber nie so recht greifen kann, wird eine geheimnisvolle Aura um sie herum aufgebaut - auf der einen Seite geradezu unnatürlich und karikaturenhaft streng, auf der anderen aber auch mit verletzlichen Szenen. Man darf gespannt sein, wo die Reise von Mrs. Appleyard hinführt.

Foto: Lily Sullivan, Picnic at Hanging Rock - Copyright: EntertainTV; FMA; Narelle Portanier
Lily Sullivan, Picnic at Hanging Rock
© EntertainTV; FMA; Narelle Portanier

Die drei Mädchen Miranda, Irma und Marion stehen während des Piloten im Fokus. Insbesondere die bisher eher unbekannte Lily Sullivan als Miranda ist derart überzeugend, dass man die nächsten Episoden gar nicht erwarten kann. Vom Freiheitsdrang und allerlei Rebellion, zu liebevoller Fürsorge für ihre Freundinnen über eine nicht für möglich ahnende Verwundbarkeit in einer der schockierendsten Szenen der ersten Episode, hat Miranda das Zeug zu einer extrem starken Frauenfigur, ein Eindruck, der durch das eindringliche Schauspiel Lily Sullivans noch verstärkt wird. Hier scheint ein neuer Star geboren zu sein. Zumindest kann man es ihr nur wünschen.

Gerade aus inszenatorischer Sicht bedient man sich einiger Kniffe, um bloß nicht in dem Wust an Historiendramen, die seit einigen Jahren den Film- und Serienmarkt oft mit minderer Qualität fluten, unterzugehen. In der gerade mal gut 50-minütigen Pilotfolge gibt es eigenwillige Kameraeinstellungen, dass einem schon fast schwindlig werden kann, einen bedrohlich anmutenden und alles umklammernden elektronischen Soundtrack oder auch Traumsequenzen, bei denen man manchmal nicht sicher sein kann, ob sie nicht vielleicht doch Realität sind. Bereits nach einer Episode kommt man nicht umhin, so manches Geschehen auf dem Bildschirm kritisch nach dem Wahrheitsgehalt zu überprüfen, weil nichts so zu sein scheint, wie es ist. Was hier inszenatorisch in die Waagschale geworfen wird, ist schlichtweg beeindruckend.

Die Geschichte im Piloten endet mit dem schicksalhaften Verschwinden der Schülerinnen mitsamt Lehrerin und ist bis dahin vergleichsweise stringent. Bis dahin tut man sein Bestes, mit Rückblenden und kleinen Nebenplots den wichtigsten Figuren Profil zu verschaffen. Bei der Größe des Casts (nebenbei hat sich noch die aus "Orange Is the New Black" bekannte Yael Stone als optisch kaum wiedererkennbare Bibel-Lehrerin hineingeschlichen) ist dies eine wichtige Aufgabe, um dem Zuschauer den notwendigen Überblick zu schaffen. Nichtsdestotrotz wird sich in den nächsten fünf Episoden zeigen, ob der stärkere Fokus auf Nebenfiguren im Vergleich zu Buch- und Filmvorlage auch funktioniert, ohne das Ganze unnötig kompliziert zu machen.

Fazit

In der Pilotfolge unternimmt "Picnic at Hanging Rock" sehr viel, um im Gedächtnis zu bleiben, bleibt dabei aber stets glaubwürdig und kann mit starken Darstellerleistungen punkten, allen voran die überragende Lily Sullivan als Miranda. Ob sich die Mini-Serie letztlich an den zwei großen Vorbildern messen kann, wird sich noch zeigen. Die Fußstapfen sind unermesslich groß und bei allzu großen Erwartungen besteht die Gefahr, enttäuscht zu werden. Nach mehr als 40 Jahren, in denen sich bis auf Theateraufführungen und eine Radiosendung niemand an den Stoff um ein verhängnisvolles Picknick herangetraut hat, zeigt die Serie vielversprechende Ansätze, letztendlich zumindest auf jeden Fall gut zu unterhalten.

Andreas K. - myFanbase

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