Republic of Doyle - Review
Kanadische Serien haben es oft schwer zu überleben, weil Kanadas Fernsehindustrie im Vergleich zur gut geölten Hollywood-Maschinerie immer noch in den Kinderschuhen steckt und die Konkurrenz aus dem TV-affinen Nachbarland dementsprechend überwältigend ist. Umso überraschender ist, dass ausgerechnet "Republic of Doyle", eine auf der entlegenen Insel Neufundland spielende und dort auch produzierte Detektiv-Serie, seit ihrer Premiere Anfang 2010 derart erfolgreich ist, dass sie selbst den massiven Budgetkürzungen ihres öffentlich-rechtlichen Senders zu trotzen wusste und vor kurzem für eine vierte Staffel verlängert wurde. Weshalb der ganze Stolz der kanadischen Seeprovinz trotz teils schwer verständlichen Slangs sowie recht eigensinnigen Humors im gesamten Land solch beachtliche Quoten einfährt (von nicht einmal 35 Millionen Einwohnern schalten trotz massiver US-Konkurrenz durch "Modern Family" und "American Idol" regelmäßig mehr als eine Million ein), liegt schnell auf der Hand: Denn wenn man sich des wohl beliebtesten und zeitlosesten Genres der Fernsehgeschichte annimmt und diesem mithilfe einer schlicht atemberaubenden Kulisse sowie durch die Bank liebenswerten Charaktere seinen eigenen Stempel aufdrückt, ist grundsolide Unterhaltung für jedermann vorprogrammiert.
"I'm a private detective. Danger and intrigue follow me everywhere."
Die Inspirationsquellen für "Republic of Doyle" sind schnell ausgemacht: Allen Hawco, seines Zeichens nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Showrunner, Co-Creator, Chefautor und ausführender Produzent der Dramedy, nahm sich für sein langjähriges Traumprojekt kurzweilige Cop- und Detektivserien aus den 70ern und 80ern zum Vorbild und macht auch keine Sekunde einen Hehl daraus. So sehr Ton und Fokus der Sendung aber auch den nonchalanten Charme von "Detektiv Rockford", "Magnum" oder "Trio mit vier Fäusten" wieder aufleben lassen und das neckische Geplänkel zwischen den beiden Titelhelden an die frühen "Lethal Weapon"-Filme erinnert, ist und bleibt "Republic of Doyle" in erster Linie eine Familienserie – und zwar gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen bildet die Patchwork-Sippe der Doyles den unumstrittenen Dreh- und Angelpunkt der Serie, zum anderen schreibt der Schauplatz selbst, als eine der sichersten Gegenden Nordamerikas mit verhältnismäßig geringer Gewaltdelikt-Quote, Fälle der Woche vor, die mit der geballten Brutalität von klassischen Crime-Procedurals kaum etwas gemeinsam haben. So trägt die intrinsische Harmlosigkeit von Neufundland, gepaart mit dem weitestgehenden Verzicht der Autoren auf Kraftausdrücke jeglicher Art (das ein oder andere äußerst charmant ausgesprochene "arse" mal außen vor gelassen), maßgeblich zur generationenübergreifenden Familienfreundlichkeit der Serie bei.
"Whaddaya at?" – "Nuttin."
Dieser familiäre Fokus ist insofern von großem Vorteil, als dass er einem die einzelnen Figuren sehr schnell nahebringt und noch dazu episoden- sowie staffelübergreifende Handlungsstränge ermöglicht, die von der schwankenden Qualität der wöchentlich erzählten Detektivgeschichten unabhängig sind. Denn wie es bei Procedurals gemeinhin nun mal so ist, verlieren leider auch bei "Republic of Doyle" die jeweiligen Fälle der Woche aufgrund ihrer sehr schematischen Erzählstruktur mit der Zeit zunehmend an Reiz. Da können sich die Autoren auch noch so viel Mühe geben, für Überraschungen und möglichst viel Abwechslung zu sorgen, letztendlich steht und fällt der Unterhaltungswert eines neuen Detektivauftrags irgendwann im Grunde bloß noch mit dem Charisma der engagierten Gastdarsteller. So schlägt die Serie zwar großen Profit aus Auftritten von kanadischen Charakterschauspielern wie Nicholas Campbell ("Da Vinci's Inquest", "Haven"), Gordon Pinsent ("An ihrer Seite", "Schiffsmeldungen") und Victor Garber ("Alias", "Eli Stone") in wiederkehrenden Rollen und weiß selbst Hollywood-Stars wie den buchstäblich vom anderen Ende der Welt stammenden Russell Crowe gelungen ins Geschehen einer Episode zu integrieren, manchmal kann jedoch nicht einmal derartiges Stunt Casting etwas gegen die gellende Einförmigkeit ausrichten, die mit Fall-basierten Erzählungen leider meist zwangsläufig einhergeht.
"I'm Jake, and this is a senior citizen that I have in my care."
Genau in solchen Folgen, in denen die Formelhaftigkeit Überhand gewinnt und die große Auflösung am Schluss kaum noch interessiert, kommt der Serie ganz besonders der Umstand zugute, dass das "Doyle & Doyle"-Detektivbüro ein Familienbetrieb ist, dessen Spürnasen noch dazu immer mal wieder selbst Gegenstand der Ermittlungen werden. Denn die Doyles, seien sie nun gebürtige, angeheiratete oder stillschweigend adoptierte Mitglieder des Clans, sind allesamt derart liebenswert gezeichnete Figuren, dass es einfach unheimlich viel Spaß macht, Zeit mit ihnen zu verbringen. Da wäre zum einen natürlich der gewitzte Frauenheld Jake, der lediglich mit seinem Pontiac GTO eine intakte Liebesbeziehung zu führen fähig scheint und gerade mitten in einer hässlichen Scheidung steckt. Sein Vater Malachy bietet ihm zwar vorübergehend ein Dach über dem Kopf, nachdem seine Frau Nikki ihn rausgeschmissen hat, macht sich aber auch immer wieder über Jakes völlige Unfähigkeit in Liebesbelangen und anderen Lebenslagen lustig – und das, obwohl er insgeheim ganz genau weiß, was der Zuschauer erst allmählich im Laufe der Serie realisiert: nämlich, dass Jake wohl noch der am wenigsten verkorkste Sprössling von Malachy und dessen verstorbener Frau ist.
"So Dad, if you're trying to get on my nerves, it's working."
Vater und Sohn sind beide ehemalige Polizisten, die nun im Auftrag von Privatpersonen gemeinsam vermeintlichen Ehebrechern, Heiratsschwindlern oder anderen Ganoven auf die Spur und sich dabei gegenseitig natürlich permanent auf die Nerven gehen. Tatkräftig unterstützt werden sie bei ihren Ermittlungen von Malachys Lebensgefährtin Rose, die gewissermaßen das Herz und Hirn der gesamten Operation darstellt. Was in vielen anderen Ermittlerserien aber vermutlich schnell zu einem simplen Plot Device verkommen würde, zeigt hier durchaus Charakter. So hat Rose als die selbstbewusste und höchst eigenwillige Frau, die sie nun mal ist, auch über ihre Rolle als Informationsbeschafferin und Love Interest hinaus eine Daseinsberechtigung. Sie hat ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Geheimnisse, liebt Malachy und seine Familie über alles, schreckt aber auch nicht vor Konfrontationen zurück und macht offen ihren Unmut darüber kund, sich nicht nur mit ihrem Schwerenöter-Schwiegersohn das Haus teilen zu müssen, sondern auch noch mit einer rebellischen Teenagerin. Malachys 16jährige Enkelin Tinny ist nämlich ebenfalls mit von der Partie, nachdem ihre alleinerziehende Mutter, Jakes erst in Staffel 3 auftauchende Schwester Kathleen, berufsbedingt in den Westen gezogen ist und sie in der Obhut ihres Großvaters gelassen hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Serienfiguren ihres Alters, deren aufmüpfiges Verhalten viel zu häufig einzig und allein aus ihrer Pubertät heraus motiviert scheint, hat Tinny jedoch erfrischend guten Grund, sich trotzig zu zeigen. Denn sie fühlt sich von ihrer Mutter aufs Abstellgleis gestellt, von Onkel Jake und Großvater Malachy überfürsorglich bemuttert und von Rose missbilligt – und all das wohlgemerkt nicht ganz zu Unrecht.
"Des, can you try not to act like such a weirdo for five minutes?"
Zu dieser ohnehin schon kunterbunten Familie stößt bereits im Piloten auch noch ein Chaot der Sonderklasse hinzu: Zu Beginn der Serie wird Des Courtney noch als Graffiti-Sprayer eingeführt, der Jake ein massiver Dorn im Auge ist, weil er nicht nur die Stadt, sondern auch seinen geliebten Pontiac verunstaltet. Im Laufe der Zeit schleicht sich der sehnlichst nach Liebe und Anerkennung trachtende 19-Jährige jedoch trotz seiner extrem hibbeligen und daher etwas anstrengenden Art heimlich, still und leise in die Herzen der Doyles und ist aus deren turbulentem Berufs- und Privatleben schon bald einfach nicht mehr wegzudenken. Das realisierten offenbar auch die Macher und widmeten ihm 2012 eine eigene kleine Webserie.
"You're far too immature for a relationship."
Wegzudenken sind in einer solchen Serie natürlich auch romantische Verwicklungen nicht. Während man bei Malachy und Rose einen erfrischend authentischen, da angenehm unspektakulären Weg ohne künstliche Stolpersteine einschlägt, gehören sowohl Jake und Leslie als auch Des und Tinny zu den elendig klischeehaften "will-they-or-won't-they"-TV-Pärchen, bei denen aus unerfindlichen Gründen lieber durch unnötige Verzögerungstaktiken ewig umeinander herumscharwenzelt wird, anstatt endlich mal den doch eigentlich unvermeidlichen großen Schritt nach vorne zu wagen. Was in der Kennenlern- bzw. Annäherungsphase der Figuren zu Beginn der Serie noch durchaus seinen Reiz hat, entwickelt sich somit leider spätestens ab der dritten Staffel zu einem äußerst mühsam anzuschauenden Hin und Her, das zum Teil auch die an sich sehr sympathischen Charaktere in Mitleidenschaft zieht. So verkommt die ohnehin schon etwas eindimensional geratene Leslie mit der Zeit zu einer derart verbitterten Version ihrer selbst, der jeglicher Sinn für Ironie und Sarkasmus abhanden gekommen zu sein scheint, dass man sich als Zuschauer fast Jakes grelle und eigentlich viel zu überzogene, dafür aber unheimlich unterhaltsame Ex Nikki an seine Seite zurückwünscht.
"Newfoundland: the seafood seems passable and you speak something... like... English."
Die Liebes-Problematik außen vor gelassen, wartet "Republic of Doyle" aber ohne Frage mit einer höchst interessanten Figurenkonstellation und -Dynamik auf, in der so gut wie jeder Einzelne das Potential zum heimlichen Zuschauerliebling hat. Den größten Charme versprüht dabei aber weder Jake noch Des oder gar die wundervolle Rose, sondern vielmehr St. John's selbst, die Heimatstadt der Doyles. Mit ihren malerischen, knallbunten Häuserfassaden, dem tiefen Blau des Atlantiks in unmittelbarer Nähe und dem satten Grün der umgebenden Wiesen und Wälder bringt die Provinzhauptstadt Neufundlands im wahrsten Sinne des Wortes so viel Farbe in die Serie, dass man die kanadische Insel, verstärkt durch die so eigentümlichen Dialekte ihrer Bewohner, schon bald als gesonderten Hauptcharakter ansieht. Unabhängig davon, ob die Stadt gerade im Nebel versinkt oder die Sonne vom wolkenlosen Himmel lacht, hinterlassen die atemberaubenden Landschaften nämlich einen derart nachhaltig stimmungsvollen Eindruck, dass man das Gefühl bekommt, Szenerie und Geschehen wären stets aufeinander abgestimmt. Natürlich ist das eigentlich Blödsinn, weil sich die Witterungsbedingungen bei einer solchen geographischen Lage fast schneller ändern können, als ein Regisseur "Action!" rufen kann, aber allein die Tatsache, dass man sich als Zuschauer immer wieder die Frage stellt, ob bestimmte Szenen wohl mit Absicht an bestimmter Stelle, zu bestimmter Jahreszeit und bei bestimmtem Wetter gedreht wurden, zeugt von der außerordentlichen Rolle, die hier der äußerst beschauliche Schauplatz einnimmt.
"Why is it every time you talk, I get the urge to punch you in the face?"
In Sachen Optik steht "Republic of Doyle" amerikanischen High-Budget-Produktionen also kaum nach. Die Schwächen der Serie liegen vielmehr im Drehbuch. So leiden die Dialoge leider immer wieder am so frustrierenden "too-much-exposition"-Syndrom, das sich in dem Genre offenbar einfach nicht ausmerzen lässt. So wird im Zusammenhang mit den jeweiligen Fällen der Woche allzu oft übertrieben viel erklärt und noch dazu eigentlich Offensichtliches immer wieder explizit zur Sprache gebracht, anstatt dass man einfach mal die Bilder für sich sprechen lässt bzw. seinem Publikum etwas Vertrauen entgegenbringt und eine gewisse Fähigkeit zum Mitdenken attestiert. Als Zuschauer kann man sich angesichts des übermäßigen Händchenhaltens seitens der Autoren schon mal so fühlen, als wäre man drei Jahre alt. Oder 93. So gesehen ist diese enervierende Tendenz womöglich auch weniger dem Procedural-Charakter der Serie selbst als vielmehr den Ambitionen der Macher geschuldet, ein breitgefächertes und generationenübergreifendes Publikum anzusprechen. Wie dem auch sei, verschärft Sean McGinley diesen Umstand zu allem Übel auch noch. Denn durch seine teilweise recht hölzern wirkende Darstellung des Malachy, wirken die Dialoge oftmals noch ein wenig unausgereifter als ohnehin schon. Man könnte nun spekulieren, dass der irische Schauspieler sich vielleicht einfach nur zu sehr darauf konzentriert, den neufundländischen Akzent authentisch rüberzubringen. Andererseits wirkt so manch eine seiner Dialogzeilen aber auch an sich schon derart unnatürlich, dass sie ausgesprochen wohl zwangsläufig etwas gestelzt klingen muss. Im Endeffekt lässt sich die Wurzel des Problems nicht eindeutig festmachen, so dass man sich als Zuschauer gerne der Illusion hingibt, dass Malachys sonderbare Artikulation womöglich einfach nur auf sein fortgeschrittenes Alter zurückzuführen ist.
"Oh, yeah."
Von unnötigen romantischen Komplikationen, zum Teil etwas ungeschliffenen Dialogen sowie der restriktiven Erzählstruktur, die das Genre nun mal mit sich bringt, aber mal abgesehen, ist "Republic of Doyle" ohne Frage eine Serie, die unheimlich viel Spaß macht. Denn auch wenn sich die Autoren in mancherlei Hinsicht von ihren US-Kollegen, insbesondere der kurzlebigen FX-Serie "Terriers", eine Scheibe abschneiden könnten, wissen Allan Hawco und sein Team durch hingebungsvolle Charakterarbeit, starke Gastdarsteller, ihren ganz eigenen Humor sowie eine Fernweh weckende Hintergrundkulisse dennoch prächtig zu unterhalten. Im Grunde machen sie somit letztendlich also doch alles richtig, denn mehr als unterhalten will man hier gar nicht. Die Revolution der TV-Welt überlässt man bereitwillig den anderen und setzt stattdessen vielmehr auf unprätentiöse Schlichtheit. Genau hier liegt dann vielleicht auch der besondere Charme der Serie verborgen: in dem offensichtlichen Bestreben, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Und wer kann das schon besser als die Kanadier?
Paulina Banaszek - myFanbase
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