Rubicon - Review des Piloten
Den immens hohen Erwartungen von Zuschauern und Kritikern gleichermaßen gerecht zu werden, wenn ein Sender zuvor mit seinen zwei ersten Eigenproduktionen im Bereich von Fernsehserien die momentan besten Dramaserien überhaupt geschaffen hatte, ist alles andere als einfach. Wenn nach "Mad Men" und "Breaking Bad" mit "The Prisoner" dann auch noch ein heißersehntes Remake eines absoluten TV-Klassikers nicht vollständig zu überzeugen wußte, ist die Erwartungshaltung sogar noch höher. "Rubicon" kommt nämlich die undankbare Aufgabe zu, als Indikator für das künftige Qualitätsniveau des Kabelsenders AMC zu gelten sowie als Antwort auf die Frage, ob der Erfolg von "Breaking Bad" und "Mad Men" wiederholt werden kann oder ob es eher in Richtung "The Prisoner" geht und AMC dafür berühmt sein wird, eben "nur" noch gute Serien zu entwickeln und keine herausragenden mehr.
Daher ist es schon regelrecht charmant, wie egal allen an der Serie Beteiligten diese Erwartungshaltung zu sein scheint. Denn "Rubicon" macht keine Sekunde den Eindruck, als sähe sie es als nötig an, möglichst schnell jeden zu überzeugen. Es gibt keinerlei effekthaschende Storyelemente, schockierende Twists oder sich nah am Overacting bewegende Schauspieler. Manchmal wartet man sogar vergeblich auf Dialoge oder das, was man gemeinhin als Action bezeichnen würde und wird stattdessen mit langen Passagen konfrontiert, bei denen auf den ersten Blick nichts geschieht. Das Erzähltempo ist derart gemächlich, dass man nicht umhin kommt, sich entweder zu fragen, ob das bei einem derartigen Genre nicht vollkommen fehl am Platze ist, oder überzeugt zu sein, dass Autoren und Produzenten ganz genau wissen, wohin sie mit der Serie wollen und deswegen so ein langsames Tempo an den Tag legen können.
Einige Gemeinsamkeiten mit den großen Vorbildern aus dem eigenen Hause sind jedoch bereits jetzt auszumachen. Insbesondere die überaus beeindruckende Optik, die nicht selten den Eindruck macht, eher aus einem Kinofilm als aus einer Fernsehserie zu stammen, fügt sich nahtlos in das cineastische Ambiente von "Breaking Bad" oder "Mad Men" ein. Zudem geschieht oft viel mehr auf dem Bildschirm, als es zunächst den Anschein hat. "Rubicon" gelingt es, durch kleine Momente eine ungeheure Spannung zu erzeugen, sei es durch die Entdeckung der Hinweise in den Kreuzworträtseln oder Wills Beharren darauf, dass er von einer Person verfolgt wird, während es tatsächlich zwei verschiedene Personen sind. Manchmal braucht es einfach keine Verfolgungsjadgen und Schusswechsel, Faszination und Spannung können auch vorsichtig und mit viel Liebe zum Detail erzeugt werden.
Die einzelnen Schauspieler agieren noch entsprechend reserviert, was sich aber nicht nur perfekt in den Gesamtkontext einfügt, sondern darüber hinaus auch sicherlich gewollt ist. Insbesondere James Badge Dale zeigt bisher eine sehr reduzierte Mimik. Das sollte aber nicht dazu verleiten, ihm fehlendes Schauspieltalent zu bescheinigen. Abgesehen davon, dass seine teils lethargische Art aufgrund des immer noch nicht verarbeitenden Verlusts von Frau und Kind mehr als verständlich ist, hat er insbesondere in der Mini-Serie "The Pacific" seine Fähigkeiten zur Schau stellen können. Die Augen des Zuschauers werden darüber hinaus vor allem auf Arliss Howard und dessen Charakter Kale Ingram gerichtet sein, einer gleichwohl mysteriösen und faszinierenden Figur, die als vermeintlicher Antagonist aufgebaut wird. Aufgrund der teils exzessiven Theatererfahrung der meisten Darsteller muss einem aber auch sonst nicht angst und bange sein. Es wäre doch sehr verwunderlich, wenn ein derartiger Cast zu Missfallen führen würde.
Fazit
Natürlich wäre es falsch, bereits jetzt Dinge zu loben, die sich aufgrund des langsamen Erzähltempos noch gar nicht vollkommen herauskristallisiert haben. Es bleibt fraglich, ob die Langsamkeit der Serie nicht nur zahlreiche Zuschauer abschreckt, sondern auch, ob sie nicht geradezu dazu verleitet, eine große Enthüllung am Ende zu erwarten, der "Rubicon" eventuell gar nicht gerecht werden kann. Vielleicht bleibt das Schauspiel vieler auch derart zurückhaltend, dass kaum Identifikationspotential mit den einzelnen Figuren vorhanden sein wird. So oder so sollte aber zumindest die Tatsache, dass der momentan vielversprechendste US-Sender eine neue Serie an den Start bringt, zu vorsichtigem Optimismus verleiten. Vielleicht wird "Rubicon" tatsächlich nicht nur die mustergültige Dekonstruktion eines als ausgelutscht geltenden Genres, sondern auch eine Studie über einen Charakter, der nicht nur nach der Wahrheit, sondern auch nach der eigenen Vergangenheitsbewältigung lechzt. Der Pilot hat auf jeden Fall das immense Potential aufgezeigt, das die Serie birgt.
Andreas K. - myFanbase
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