Sense8 - Review des Piloten
In den Zeiten des Onlinestreamings und der für das Streaming bestimmten Serienformate sieht sich die TV-Landschaft gewissen Veränderungen unterworfen. Das so genannte binge watching, also die Möglichkeit, sämtliche Folgen einer Serienstaffel direkt hintereinander zu konsumieren, bedeutet für die Serienmacher ganz neue Horizonte, was die Konzeption ihrer Geschichte angeht. Dies gilt vor allem für die zunächst wichtigste Komponente einer jeden Serie, nämlich den Piloten. Musste dieser in Zeiten "normalen" Fernsehkonsums es noch schaffen, die wesentlichen Grundsätze der Geschichte festzulegen und die zentralen Protagonisten allesamt kurz vorzustellen, so ist diese Einschränkung nun nicht mehr unbedingt gegeben, denn: Der Zuschauer kann ja gleich weitergucken.
Der Pilot zu "Sense8", dem ersten Serienprojekt der berühmten Wachowski-Geschwister ("Matrix"), gibt einem das Gefühl, dass durch diese neuen Möglichkeiten das Wesentliche irgendwie aus den Augen verloren wurde. Einerseits werden unglaublich viele Charaktere und einzelne Szenensegmente in diesen Piloten gepresst, so als ob die Wachowskis und ihr Co-Autor J. Michael Straczynski sich nicht darüber im Klaren gewesen wären, dass dies alles gar nicht hätte sein müssen – man kann ja weiterstreamen. Andererseits sind all diese Segmente in ihrer Gesamtheit letztlich erstaunlich nichtssagend. Man springt ständig zwischen den acht Protagonisten, die alle auf mysteriöse Art und Weise mental miteinander verbunden sind, hin und her, und bekommt dadurch keine Möglichkeit, einen tatsächlichen Zugang zu ihnen herzustellen.
Das liegt vor allem auch daran, dass alle Figuren erstmal unglaublich oberflächlich, ja geradezu banal erscheinen. Selbstverständlich kann man es nicht von einem Piloten erwarten, gleich in die Tiefe zu gehen, doch etwas mehr Komplexität hätte der Exposition sicherlich gut getan. Denn alle acht Geschichten passen in eine altbekannte Schublade: da ist die depressive DJane (Tuppence Middleton) in London, der moralisch standfeste Cop (Brian J. Smith) in Chicago, die von ihrem männlichen Umfeld wenig respektierte koreanische Businessfrau (Doona Bae), die transsexuelle Frau in San Francisco (Jamie Clayton) im Kampf um Liebe und Akzeptanz, der mexikanische Schauspieler (Miguel Ángel Silvestre) in der Krise, die Inderin (Tina Desai), die nicht zwangsverheiratet werden will, der kenyanische Busfahrer (Aml Ameen) mit seiner kranken Mutter, und schließlich ein deutscher Einbrecher (immer gern gesehen: Max Riemelt) in Berlin. Trotz dieser internationalen Prämisse stellt sich aber leider bis zum Schluss kein Spannungsmoment ein. Alle Storylines plätschern so vor sich hin, die Dialoge sind wahnsinnig platt und bisweilen kommt regelrecht Langeweile auf.
Auch optisch könnten die Wachowskis eigentlich noch eine Schippe mehr drauflegen – dass sie gute Sci-Fi-Regisseure sind, ist seit "Matrix" unbestreitbar. Leider nutzen sie ihr eigenes Potential zumindest für den Piloten aber nie so richtig aus. Sicherlich sind die Szenen, in denen zwei Charaktere auf einmal miteinander verbunden sind und sich zumindest mental plötzlich auf der anderen Seite der Welt befinden, gut inszeniert und geschnitten – so ist etwa die Endsequenz, in der DJane Riley Blue sich plötzlich in Chicago bei Cop Will Gorski befindet, interessant gestaltet. Vieles ist aber überraschenderweise relativ unspektakulär – und das, obwohl die Schauplätze auf der ganzen Welt ja eigentlich so viel mehr hergeben würden.
Der einzige Lichtblick – und damit auch der einzige gute Grund, um doch noch weiterzuschauen – ist also letztlich die angerissene Hintergrundgeschichte um das Mysterium der miteinander verbundenen acht Protagonisten: Wer sind Angelica (Daryl Hannah) und Jonas (Naveen Andrews) und wie bzw. warum sind sie mit jenen acht Personen verbunden? Was sorgt dafür, dass das Bewusstsein dieser acht Menschen sich miteinander verknüpft? Wer sind Angelicas und Jonas' Gegner und was wollen sie? Das alles sind Fragen, auf deren Auflösung man am Ende doch noch ein wenig gespannt ist.
Die hohen Erwartungen, die aufgrund der großen Namen hinter den Kulissen (Tom Tykwer übernimmt neben den Wachowskis ja auch noch die Regie) und dem grandiosen Trailer aufgebaut worden waren, kann der Pilot erstmal nicht erfüllen. Zu schablonenhaft und nichtssagend bleiben die acht Protagonisten, als dass man sie als interessant bezeichnen könnte, zu unruhig ist die Geschichte, als dass man von ihr gepackt wird. Denn auch im Zeitalter des binge watching und des Onlinestreamings muss ein Serienpilot eine Voraussetzung immernoch erfüllen: Er muss das Interesse des Zuschauers packen. Das hat hier noch nicht ganz funktioniert, doch das Potential zur Steigerung ist zumindest gegeben.
Maria Gruber - myFanbase
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