Sons of Anarchy - Review Staffel 1

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Foto: Charlie Hunnam, Sons of Anarchy - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Charlie Hunnam, Sons of Anarchy
© Frank Ockenfels/FX

Mit "Sons of Anarchy" hat Kurt Sutter ("The Shield - Gesetz der Gewalt") eine Serie geschaffen, die uns in eine Welt entführt, in die wir im Normalfall niemals hineinstolpern würden. Eine Welt aus Gewalt, Waffen, Rache und Tod, aber auch Loyalität, Familie, Liebe und uneingeschränktem Vertrauen. Die Serie wird von vielen Kritikern als "Hamlet auf Rädern" gefeiert und hat durchaus Parallelen zur Shakespeare-Tragödie, dennoch verbirgt sich so viel mehr hinter diesem Namen.

Wenn man sich allein die mehr als geglückte Besetzung anschaut, wird einem schnell klar, dass es Sutter geschafft hat, charaktergetreue Schauspieler zu casten. Die Charaktere, die alles andere als glattgebügelte Schönlinge sind, machen es dem Zuschauer mehr als leicht, sich auf die Welt des Motoradclubs einzulassen, denn sie wirken, als hätten sie schon einiges erlebt und durchgestanden. Außerdem spielen mit Katey Sagal (Gemma) und Ron Perlman (Clay) zwei ganz große Schauspieler mit, die ihren Figuren gekonnt das kantige, ungeschliffene Feeling mitgeben.

In der ersten Staffel, welche im September 2008 in den USA Premiere feierte, stehen besonders die Hauptcharaktere Jackson "Jax" Teller, Gemma Teller-Morrow und Clay Morrow im Fokus. Clay ist der Präsident des Sons of Anarchy Motorcyle Club und herrscht mit strenger Hand. Er nimmt keine Rücksicht auf Verluste, wenn es darum geht, was er für nötig und wichtig für den Club hält. Dabei erhält er uneingeschränkte Unterstützung von seiner Ehefrau Gemma, die als die Vorzeige-"Old Lady" des Clubs fungiert. Eine starke, selbstbewusste Frau, der man besser nicht in die Quere kommt und die alles für ihre Familie tut. Als sie allerdings Wind davon bekommt, dass ihr Sohn Jax ein Manuskript seines verstorbenen Vaters und Ex-Club-Präsidenten John Teller gefunden hat, hat sie Angst davor, was dadurch ans Tageslicht gelangen könnte. "JT" war der Gründer der Sons of Anarchy und erhoffte sich eine Gemeinschaft ohne Regeln und Gesetzte, reine Anarchie also. Er wollte ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen, welches er nach dem Vietnam-Krieg vermisste. Dabei wollte er seinen Club unter allen Umständen aus dem gefährlichen Waffengeschäft, besonders mit der IRA, heraushalten, während der Club unter Clays Leitung nun genau in dieses Geschäft eingestiegen ist. Die Umstände des frühen Todes von JT sind mysteriös und die Beziehung zwischen Jax auf der einen und Gemma und Clay auf der anderen Seite ist gerade in diesem Zusammenhang ein wichtiger Ausgangspunkt der Geschichte, denn es wird bald klar, dass hier ein dunkles Geheimnis steckt.

Foto: Katey Sagal, Sons of Anarchy - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Katey Sagal, Sons of Anarchy
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Ein weiterer wichtiger Charakter ist Opie Winston, ein Mitglied der Sons, das nach einer abgesessenen Gefängnisstrafe kurz vor dem Ausstieg aus dem Club ist, um für seine Familie da zu sein. Mit ihm wird dem Zuschauer aufgezeigt, dass nicht unbedingt jeder dem Club blind folgt. Opie ist Jax´ bester Freund und sorgt im Laufe der Staffel immer wieder dafür, dass ihm der Kopf gewaschen wird. Die Unterstützung seines besten Kumpels braucht Jackson mehr als einmal im Laufe dieser ersten Staffel. Opie tritt als ein Charakter auf, dem seine Ehefrau und Kinder wichtiger sind als der Club, der allerdings doch wieder zurück zu seinen Wurzeln gezogen wird. Die Freundschaft zwischen Jax und Opie spielt dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle. Allerdings führt diese Entscheidung zu einer Tragödie, mit der weder der Zuschauer, noch die beiden besten Freunde rechnen konnten.

Die Gemeinschaft und die Bruderschaft zwischen den einzelnen Clubmitgliedern macht diese Serie so einzigartig. Jeder einzelne kennt seine Aufgabe im Club und würde jederzeit sein Leben für die Sons opfern. Was dem Zuschauer zu Beginn noch Bauchschmerzen bereitet, lässt sich bald durch die im Club herrschenden Regeln erklären. Als es zum Beispiel zum Aufeinandertreffen von Opie mit dem Ex-Sons-Mitglied kommt, das dafür verantwortlich war, dass Opie im Gefängnis landete, wird diesem das Logo der Sons of Anarchy rituell entfernt, und um die Szene besonders dramatisch zu gestalten, bringt Sutter hier einen Flammenwerfer zum Einsatz, was nur ein Beispiel für die knallharte Inszinierung der Brutalität der Serie ist. Ab einem gewissen Punkt lässt sich der Zuschauer auf diese Brutalität ein, denn es kommt gleichzeitig die Emotionalität, die an diesem Club hängt, zum Vorschein. Man fühlt sich wie ein Teil der Sons of Anarchy und somit ist man verletzt und emotional hin- und hergerissen, wenn etwas das Clubleben stört oder jemand aus den eigenen Reihen gegen ein Clubmitglied schießt. Der Zuschauer baut schnell eine Bindung zu den einzelnen Charakteren auf, da jeder auf seine Weise einzigartig ist, und lustige Szenen und Sprüche lockern dabei das strenge, brutale Clubleben auf.

Die Familien und "Old Ladies" der Sons sind auf gewisse Weise ebenfalls Mitglieder des Clubs, sie tragen nur keine Kutte. Das Clubleben besteht aber nicht nur aus illegalen Waffengeschäften sondern vor allen Dingen auch aus wilden Parties mit leicht bekleideten Damen und genau hier kommt das Cliché eines Biker Clubs um die Ecke: Sex, Drugs, Rock and Roll. Allerdings haben die Sons in der ersten Staffel kaum Zeit zu feiern, denn sie müssen mit einigen Problemen fertig werden. Bereits in der ersten Folge lernt man die Mayans kennen, einen der großen Rivalen der Sons of Anarchy. Hinzu kommt ein gekränkter Stalker, der sich als ein Ex-Lover von Jax‘ Jugendliebe Tara Knowles herausstellt. Zudem steht die ATF Agentin Stahl bereit, um den Club in die Knie zu zwingen und stellt somit die größte Gefahr für Jax und Co dar. Außerdem gibt es mit Tara Knowles einen Charakter, mit dem sich wohl einige Zuschauer identifizieren können: Die junge Ärztin hat immer wieder Probleme mit dem mehr als wilden Clubleben und kann ihren Job nur schwer mit dem brutalen Vorgehen der Sons vereinbaren. Da ihre Gefühle für Jax aber wieder aufzublühen scheinen, versucht sie Jax immer wieder daran zu erinnern, dass er auch für das Leben seines neugeborenen Sohnes Abel verantwortlich ist, was wiederum Gemma übel aufstößt.

Foto: Ron Perlman, Sons of Anarchy - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Ron Perlman, Sons of Anarchy
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Das absolute Highlight der ersten Staffel ist Katey Sagal, die man noch aus ihrer Zeit als Peggy Bundy in "Eine schrecklich nette Familie“ kennt und die mit ihrer Rolle als Gemma mal wieder eine mehr als schlagfertige Frau spielt. Aber ihre Rolle bietet so viel mehr: Sie ist der Charakter, der das Leben in der Welt der Sons of Anarchy wohl am besten widerspiegelt. Ihren Mann Clay führt sie an einer sehr kurzen Leine und ihren Sohn Jax hat sie, bis dieser das Manuskript seines Vaters findet, auch unter Kontrolle. Ihre eigene Familie und ihr Club ist ihr ein und alles, und sie ist mehr als zufrieden damit, kommt ihr allerdings jemand in die Quere, so hat sie kein Problem damit, handgreiflich zu werden. Allerdings bekommt sie mit Tara eine mehr als ebenbürtige Gegnerin, was in den folgenden Staffeln noch interessant werden dürfte.

Die erste Staffel packt den Zuschauer von Minute eins und lässt ihn bis zur letzten Sekunde nicht mehr los. Diese einzigartige Dynamik der Charaktere untereinander gepaart mit einer schonungslosen Art, die Story zu erzählen, macht "Sons of Anarchy" wirklich einzigartig, vergleichbar in etwa mit "Breaking Bad". Themen wie Loyalität, Liebe und Familie werden in zwei Ebenen verarbeitet: Zum einen in den Strukturen des Clubs und zum anderen im Privatleben der Clubmitglieder.

Hinzu kommt Kurt Sutters unheimliches Talent dafür, den Zuschauer immer wieder zu überraschen. In einem Moment hat man das Gefühl, man weiß ganz genau, wohin die Story führt und in der nächsten Sekunde sitzt man mit offenem Mund vor dem Bildschirm und kann nicht glauben, was grade passiert. Der Macher der Serie hat anscheinend eine Vorliebe dafür, die unmöglichsten Todesszenarien möglich zu machen, dabei mag er es am liebsten extra blutig. Der Konflikt zwischen dem uneingeschränkten Herrscher der Sons Clay und seinem Stiefsohn Jax, der gewillt ist, die Vision seines verstorbenen Vaters zu unterstützen, bilden den Spannungsbogen der ersten Staffel. Hinzu kommt, dass es ganz offensichtlich eine Vorgeschichte zwischen der Ärztin Tara und Jax zu geben scheint. Sutter versteht es, den Balanceakt zwischen dem Privatleben der Clubmitglieder und dem Leben innerhalb des Clubs zu wagen, und kreiert damit immer wieder Situationen, die die Charaktere dazu bringen, ihre Taten zu hinterfragen und teilweise sogar zu überdenken. Dennoch ist niemand sicher. Schon bei "The Shield" hatte Kurt Sutter kein Problem damit den ein oder anderen Hauptcharakter sterben zu lassen, wenn er es für wichtig für die Storyline hielt und genau so geht er auch wieder bei "Sons of Anarchy" vor.

Fazit

"Sons of Anarchy" erinnert an vielen Stellen an das große Drama Shakespeares mit einem Hamlet auf dem Motorradsattel und einem verstorbenen Vater, der durch ein Manuskript mit ihm spricht. Einer Mutter, die versucht die dunklen Geheimnisse der Vergangenheit genau dort zu belassen, und einem Stiefvater, der als König des Clubs fungiert. Eine Serie mit Suchtcharakter, die den Zuschauer immer wieder überrascht und in die Welt der Motoradclubs und korrupten Polizeistationen entführt. Kurt Sutter nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in den beschaulichen Ort Charming, von der man so schnell nicht wieder heimkehren will.

Nicola Porschen - myFanbase

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