The Hour - Review Staffel 2
Als BBC2 nach längerem Hin und Her im August 2011 eine zweite Staffel für das eigentlich als Miniserie konzipierte Format "The Hour" absegnete, war die Freude freilich groß. Eine Serie, die einen derartigen Anspruch an sich selbst stellte und diesen auch noch in Form einer enorm unterhaltsamen Mischung aus Charakter-, Gesellschafts- und Verschwörungsdrama erfüllte, durfte nicht einfach so im Archiv verschwinden und so feierte Season 2 nach einer ewigen Wartezeit von über einem Jahr im November 2012 seine Premiere. Und auch wenn nach der zweiten Staffel leider Schluss ist, da BBC2 die Serie im Februar 2013 cancelte, so sind diese sechs Episoden von "The Hour" wiederum ein Plädoyer für hochanspruchsvolle und wirklich phänomenal durchkonzipierte britische Serienunterhaltung, die einen sprichwörtlich vor den Bildschirm fesselt.
Nachdem Freddie den KGB-Verschwörungsplot in den eigenen Reihen der BBC im Staffel-1-Finale in einem spannenden Showdown-Dialog aufdecken konnte, stellte sich zum Beginn dieser Staffel natürlich die Frage, wie es weitergehen würde. Wir setzen rund ein Jahr nach dem Aufdecken des Skandals an, in dem sich einiges verändert hat: Freddie hat das Land verlassen und kehrt nach monatelangen Reisen als verheirateter Mann zurück, Bel sieht sich mit einem neuen Chef konfrontiert, und Hector verliert sich immer mehr in einem Sumpf aus Affären und langen Nächten. Trotz dieser Veränderungen sind die Charaktere im Grunde ihres Herzens aber immernoch dieselben: Freddie, der eiserne, furchtlose und moralische Journalist mit zu vielen Ambitionen; Bel, die starke Produzentin mit Charme und Talent; Hector, der attraktive Moderator mit einem Hang zum Laster. Abi Morgan hat mit diesen drei Charakteren sehr authentische Figuren geschaffen, deren Entwicklungen jederzeit nachvollziehbar sind und die eine unwahrscheinlich packende Dynamik untereinander haben. Das gilt sowohl für das stets von romantischen Untertönen begleitete Verhältnis zwischen Bel und Freddie, das gilt für die einst romantische, aber nun wieder professionelle Beziehung zwischen Bel und Hector, das gilt für die Hassliebe zwischen Hector und Freddie, die nun als Co-Moderatoren zusammenarbeiten müssen und die sich trotz aller Reibereien doch immer Respekt entgegenbringen. Komplettiert wird das Journalistentrio durch die stets herausragende Lix (toll: Anna Chancellor), die in Staffel 2 eine eigene Substoryline bekommt, den interessanten Neuzugang Randall Brown (Peter Capaldi), der als neuer Chef mit Ruhe und Klarsicht agiert, sowie Isaac (Joshua McGuire) und Sissy (Lisa Greenwood), die immer wieder Sympathiepunkte für sich einheimsen können.
Wie schon in Staffel 1 wird der große episodenübergreifende Plot sehr geschickt implementiert und zieht den Zuschauer immer mehr in seinen Bann. Stück für Stück wird klar, in welche Richtung sich die Geschichte bewegen wird, und dennoch hält Serienmacherin Abi Morgan immer wieder große Überraschungen parat, die man nicht kommen sieht. Während es zu Beginn der Staffel noch so aussieht, als würde sich alles um einen Skandal bezüglich Hectors Eskapaden im Gentlemen's Club El Paradis drehen, so wird aus diesem Vorfall eine sehr komplexe und hochinteressante Geschichte gesponnen, die schließlich in einem Polit- und Sexskandal mündet, in dem es um Korruption bis in die höchsten Kreise der britischen Macht geht. Die Mechanismen der Erpressung werden genauso gut in Kraft gesetzt wie die mörderischen Intrigen, die diese korrupte Welt bestimmen. Morgan versteht es dabei hervorragend, diese journalistische Ebene immer wieder auch mit der privaten Ebene der Charaktere zu verweben. Vor allem Hector steht des Öfteren vor einem moralischen Dilemma, nicht nur, weil er zu Beginn selbst in einem Skandal verwickelt ist, der ihn fast seine Ehe kostet, sondern auch, weil er seinem Kriegsfreund und mittlerweile angesehenen Polizeichef Laurence Stern loyal sein will, aber nicht kann. Aber auch Bel muss erkennen, welch tödlichen Preis der Journalismus fordern kann, und auch Brown hat einen sehr guten Moment mit dem intriganten Angus McCain (herrlich widerlich: Julian Rhind-Tutt), den er mit pikanten Fotos um Informationen erpressen könnte, es aus Integrität aber nicht tut.
So sind es eben diese privaten Stories, die mitreißen und "The Hour" so sehenswert machen. Hectors Ehe mit Marnie (bezaubernd: Oona Chaplin) wird auf eine harte Probe gestellt und bietet einen guten Einblick in die gesellschaftlichen Zwänge der 50er Jahre, die gerade Frauen nur wenig Möglichkeiten bot, sich selbst zu verwirklichen, gerade wenn sie verheiratet waren. Dennoch wird Marnie nie auf eine dumme Hausfrau reduziert, sondern nimmt das Ruder in die Hand und weist Hector in seine Schranken. Wie sie sich durch eine eigene TV-Show emanzipiert und ihren Erfolg als Rache gegen Hectors Untreue nutzt, ist sehr interessant zu beobachten, genauso wie die sukzessive Wiederannäherung der Eheleute. Auch der Subplot rund um Lix' und Randalls verlorene Tochter weiß zu überzeugen, gerade weil diese zwei Charaktere eine enorm überzeugende Chemie haben. Doch die meiste Energie versprüht immernoch das komplizierte Verhältnis zwischen Freddie und Bel, den Seelenverwandten, die es nicht wahrhaben wollen, und sich deshalb in andere Beziehungen stürzen. Freddies Ehe mit Camille (Lizzy Brocheré) ist ein klassischer Fall einer überhasteten Hochzeit und es wird einem schnell klar, dass das nicht die wahre Liebe ist. Denn Freddies wahre Liebe ist und bleibt Bel, selbst wenn er verheiratet ist und sie mit dem Produzenten der konkurrierenden Nachrichtensendung, dem sympatischen Bill Kendal (Tom Burke), eine Beziehung führt. So findet gerade in der letzten Episode ein unglaublich passionierter Moment statt, als es endlich zum Kuss zwischen den beiden kommt und nach zwei Staffeln und 12 Episoden damit der Moment der Wahrheit gekommen ist. Gerade in dieser Hinsicht ist es unwahrscheinlich schade, dass das (etwas überdramatisierte, aber großartige!) Finale der zweiten Season so offen endet, da man so nie wissen wird, wie es zwischen den beiden weitergeht. Das muss sich leider jeder selbst ausmalen.
Doch auch wenn es keine dritte Staffel geben wird, so sei jedem geraten, sich die Zeit zu nehmen, diese zweite Season von "The Hour" anzusehen. Man wird belohnt mit einer faszinierenden Korruptionsgeschichte, die in einer sehr stringenten und kompakten Erzählweise präsentiert wird und die einen dank ihrer gesellschaftlichen Brisanz durchaus zum Nachdenken anregt. Man wird belohnt mit Einblicken in das historische Bewusstsein der damaligen Zeit, in die konstante Angst vor dem atomaren Ausbruch des Kalten Krieges und in die dem Volk verborgenen Machenschaften hinter den Kulissen der Politik. Man wird belohnt mit einem Ausnahmetrio an Schauspielern – Romola Garai, Ben Whishaw und Dominic West –, die allesamt brillieren und sich definitiv für neue Projekte weiterempfehlen. Man wird belohnt mit packendem Drama, ausgezeichneten Dialogen und insgesamt sehr feiner Serienunterhaltung. Kurzum: Die zweite Staffel von "The Hour" ist genauso sehenswert wie die erste und definitiv für alle Fans anspruchsvollen Fernsehens geeignet. Das britische Fernsehen hat hier wieder einmal mehr bewiesen, dass es dem amerikanischen in Qualität in nichts nachsteht.
Maria Gruber - myFanbase
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