The Leftovers - Review des Piloten

Foto:

"We are still here"

Es ist sicherlich eines der spannendsten und meist erwarteten Serienprojekte des Jahres: Die neue Serie von "Lost"-Mastermind Damon Lindelof, "The Leftovers", eine Adaption des gleichnamigen Romans von Tom Perrotta, der sich zusammen mit Lindelof auch für das Drehbuch der Pilotepisode verantwortlich zeigte.

Foto: Justin Theroux, The Leftovers - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Justin Theroux, The Leftovers
© 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

Ein weiterer spannender Name ist der Regisseur der ersten Folge, welcher niemand Geringeres ist als Peter Berg, der unter anderem die Pilotepisode von "Friday Night Lights" inszenierte und bei Serienfans deshalb ein Name ist, der einen aufhorchen lässt. Zuletzt ist auch der Cast gespickt mit bekannten Gesichtern: Unter anderem sind Justin Theroux, Liv Tyler, Amy Brenneman, Christopher Eccleston, Chris Zylka und viele weitere zumeist aus diversen anderen Fernsehproduktionen bekannte Darsteller dabei, die eine höchst interessante Mischung unterschiedlicher Typen mit unterschiedlichen Erfahrungen ergeben. So ist ein Chris Zylka eher bekannt aus seichteren Stoffen, wie der kurzlebigen The CW-Serie "The Secret Circle", wohingegen ein Justin Theroux unter anderem eine größere Gastrolle beim HBO-Klassiker "Six Feet Under" hatte und Liv Tyler durch ihre Rolle der Arwen in der "Herr der Ringe"-Trilogie schon jetzt einen festen Platz in der Filmgeschichte hat.

Diese Zusammensetzung höchst unterschiedlicher Typen vor und hinter der Kamera ist aber nur einer der außergewöhnlichen Aspekte der einzigartigen, fast schon visionären Fernsehproduktion, die sich in keine Schublade stecken lässt, die konsequent alle Erwartungen unterläuft und sehr viel Mut zeigt, einen ganz eigenen Weg zu bestreiten, den sicher nicht alle Zuschauer mitgehen werden. Damon Lindelof ist besonders für Fans des TV-Dramas "Lost" eine streitbare Figur, aber auch jemand der zu seinen kreativen Entscheidungen steht. Das von Lindelof mitverfasste Finale von "Lost" ist bis heute heißdiskutiert und nicht Wenige vertreten die Meinung, dass diese eine Folge die ganze Serie zerstört und viele Zuschauer verraten hat. Der Autor dieser Zeilen zählt sich dabei eher zu den Verteidigern des Finales und der Entscheidung eines charakterfokussierten Schlussakts, welcher bewusst viele Fragen offen lässt. Um "The Leftovers" richtig einordnen zu können, kommt man nicht an "Lost" vorbei, denn auch im Piloten von "The Leftovers" werden sehr viele Fragen aufgeworfen und bereits vor dem Start der Serie hat Lindelof verlauten lassen, dass diese Serie keine Serie der klaren Antworten sein wird. Damit muss man als Zuschauer durchaus erstmal zurechtkommen und wer fanatisch auf klare und logische Deutungsmuster hofft, ist hier sicherlich an der falschen Adresse, denn darum geht es in dieser Serie überhaupt nicht.

Im Zentrum von "The Leftovers" steht ein unerklärliches Ereignis, bei dem an einem Tag plötzlich zwei Prozent der kompletten Weltbevölkerung verschwindet, von einer Sekunde auf die Nächste, ohne Vorwarnung. Dieses Ereignis wird anhand eines Einzelfalls in den ersten Minuten des Piloten gezeigt, wonach ein Zeitsprung von drei Jahren vorgenommen wird, wo der eigentliche Plot dann beginnt. Und was sich dann entwickelt, ist ein über einstündiger Pilot voller kryptischer, berührender, durcheinanderbringendet Momenten und Impressionen, die eine Atmosphäre der Trauer, des Schmerzes und der Verzweiflung vermitteln, die man in dieser Form im Kontext einer Fernsehserie noch nicht gesehen hat. Man muss als Zuschauer in diese Art des Erzählens, die langsam, behutsam erfolgt und zunächst mal Geduld erfordert, hineinfinden, um dann aber immer mehr in diese Erzählung gezogen zu werden.

Foto: Justin Theroux, The Leftovers - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Justin Theroux, The Leftovers
© 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

Im Grunde dreht sich die Serie nicht so sehr um Ursachenforschung des im Zentrum stehenden Ereignisses sondern darum, wie einzelne Menschen mit diesem Umstand umgehen: Mit einem Ereignis, das logisch oder mit rationalen Begründungsmustern schlicht nicht zu fassen ist, das die Weltordnung dadurch durcheinanderbringt, dass alle Gewissheiten, die man sich im Laufe des Lebens aufgebaut hat und auf die man in schwierigen Momenten immer zurückgreifen kann, plötzlich kaum noch Bestand haben. Die Welt, wie man sie zu kennen meint, existiert plötzlich nicht mehr und die Menschen müssen sich dazu irgendwie verhalten, damit umgehen, ein Leben aufbauen. Und genau davon erzählt Lindelof und darauf baut er sein Serienkonstrukt auf: Es geht hier ganz stark um menschliche Schicksale, darum sich in einer konfus und brutal irrationalen und willkürlich scheinenden Weltordnung wieder zurechtzufinden und mit unerklärlichen Verlusten zu leben. Die verschiedenen Arten der Aneignung und Verarbeitung dieses Ereignisses fallen sehr unterschiedlich aus und münden teilweise in religiösem Fanatismus, teils aber auch in stark selbstzerstörerischem und ekstatischem Verhalten.

Der Pilot führt einen ganz geschickt in diese Welt ein, in der er im Grunde auf eine klassische Einführung verzichtet und man sich als Zuschauer die Charakterkonstellationen und Verbindungen erstmal selbst zusammenbauen muss. Die Hauptfigur der Serie ist dabei der von Justin Theroux gespielte Polizist Kevin Garvey, der seine Frau an eine Sekte verloren hat, deren Ziele noch nicht ganz klar sind, deren Mitglieder sich aber durch ständiges Rauchen und Schweigen auszeichnen und stets in weiß gekleidet sind. Dieser verstörend wirkende Sektenkosmos ist ein wichtiger Schauplatz der Serie, welcher schon im Piloten viel Faszination, aber auch Irritation auslöst. Dann stehen auch noch Jill Garvey und Tom Garvey stark im Zentrum, Tochter und Sohn von Kevin. Jill wird als Teenager dargestellt, der viel verloren hat und sich in Aggression und Apathie gleichzeitig flüchtet, und Tom ist Teil eines kryptischen Kults, welcher sich um einen Wanderprediger gruppiert, in der Wüste stationiert ist und dessen Anliegen und Ziele zunächst komplett im Dunkeln bleiben. Eine weitere spannende Figur ist die von Liv Tyler gespielte Meg Abbott, deren genaues Schicksal zwar auch erst noch im Dunkeln bleibt, die sich schlussendlich aber dafür entscheidet, der Sekte beizutreten, was zu weiteren Fragestellungen, aber auch zu viel Interesse am zukünftigen Verlauf der Handlung führt.

Es zeigt sich schon an der kurzen Darstellung einiger zentraler Figuren und ausgewählten Handlungselementen, dass die Serie im Piloten noch sehr stark von der Atmosphäre, der depressiven Grundstimmung, der starken Bildsprache und dem geschickten Einsetzten einer passenden musikalischen Untermalung lebt, was diesen Pilot aber auch so einzigartig und meisterhaft macht. Was auch ins Auge sticht, ist der konsequente Verzicht von amüsanten oder humoristischen Elementen, dessen Fehlen aber zur Grundstimmung und auch der Grundthematik passt und dadurch auch nur nachvollziehbar und richtig ist.

Fazit

Die neue Serie von Damon Lindhof ist ein schwerer, atmosphärisch dichter und einnehmender Brocken von einer Serie, die schon im Piloten konsequent ihren Stil durchzieht, auf einfache Erklärungen verzichtet und sich voll der subtilen Charakterarbeit verschreibt. Hier muss jeder Zuschauer für sich irgendwie einen emotionalen Zugang zu den Geschehnissen finden, denn davon lebt die Serie: von tiefer, mitreißender emotionaler Sprengkraft. Lindelof wird ähnlich wie "Lost" auch hier wieder die Zuschauer spalten und viele werden sich sicher von dieser teilweise sehr sperrigen Serie verabschieden. Es wird gleichzeitig aber auch viele geben, die diese Serie als Meisterwerk televisionärer Erzählkunst in ihr Herz lassen. Und dies hätte dieses Projekt auch verdient, denn nach Ansicht dieses Autors hat man es hier mit dem besten, aufregendsten und auf vielen verschiedenen Ebene spektakulärsten Piloten der vergangenen Jahre zu tun, der eine seltsame Sogwirkung entfacht und den Zuschauer sehnsüchtig auf die noch kommenden Folgen warten lässt.

Moritz Stock - myFanbase

Zurück zur "The Leftovers"-Übersicht

Kommentare